Goslarer Theologe und Thriller-Autor mit Blick für Todsünden

Professor Hans-Martin Gutmann lehrte Theologie und schreibt jetzt Krimis. Foto: Privat/ Grafik: Omnino
Ein Theologie-Professor im Ruhestand, der Krimis schreibt: Hans-Martin Gutmann aus Goslar wuchs auf in Immenrode und war Pastor im Salzgittergebiet. Nun verarbeitet er seine Erfahrungen aus dem Pfarrhaus zu literarischen Mordfällen.
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Goslar. Was macht ein Theologie-Professor im Ruhestand? Er mordet. Das gilt zumindest für den gebürtigen Goslarer Hans-Martin Gutmann. Der 69-Jährige, der bis 2017 an der Universität Hamburg praktische Theologie lehrte, hat jetzt seinen dritten Krimi veröffentlich. „Wendeblues“ heißt der Roman, und sein Held, Pastor Lukas Bentorff, hat mit seinem Autor eine ganze Menge Erfahrungen gemein.
Theologie und Morde – wie verträgt sich das? Recht gut, meint der emeritierte Professor. Immerhin, die Lehre von den sieben Todsünden – darunter Habgier, Unkeuschheit, Jähzorn und Eifersucht – stellen die stärksten Motive für Verbrechen dar und sind zugleich eine menschliche Urerfahrung. Das reicht für mehr als einen Krimi. Und so kann der Autor nach „Wendewölfe“, „Wendehälse“ und Wendeblues“ auch bereits für den Herbst den vierten Bentorff-Roman ankündigen: „Wendegier“.
Goslar und Immenrode treu geblieben
Gutmann lebt zwar inzwischen in Hamburg, der Kaiserstadt ist er aber treu geblieben und besucht sie regelmäßig. Dafür sorgt schon sein Bruder Christoph, der bis vor Kurzem noch als Fachdienstleiter bei der Stadtverwaltung für die Goslarer Kultur zuständig war. Vor allem aber ist der Kirchenmann und Krimiautor ein waschechter Immenröder.
Entwertete Biografien nach der Wende
Durch seinen Vater und seine Großmutter hat er auch Wurzeln in Südthüringen. Mit ein Grund dafür, dass er in seinen Krimis einen besonderen Schwerpunkt auf die „Wende“ legt. „Ich wollte wissen, warum ausgerechnet im Osten die Rechtsradikalen so stark geworden sind. Da ist einiges schief gelaufen“, sagt er. Er erzählt von traurigen Begegnungen mit Menschen, deren gesamte Lebensleistung und Berufsbiografie plötzlich entwertet war, und davon, wie wenig von der anfänglichen Euphorie nach dem Mauerfall geblieben ist.
Der Schriftzug "Kultur-KZ" am Ratsgymnasium
Vieles, was Bentorff in den Büchern erlebt, ist originale Erfahrung Gutmanns. Da sind Kleinigkeiten, wie die Farbschmiererei „Kultur-KZ“ am Schultor, an die sich der ehemalige Ratsgymnasiast noch gut erinnert. Da sind die Auftritte als Musiker, die auch seinen Romanhelden prägen. Gutmann war elf Jahre lang Pianist der Goslarer Band Scalloway, die bis 1983 aktiv war. Vor zehn Jahren gab es eine Revival-Platte. Die Band habe leider Corona nicht überstanden. Vor allem aber sind Erlebnisse aus seiner Zeit als Pastor mit in die Geschichte eingeflossen. Gutmann hatte eine Stelle in Groß Elbe, Klein Elbe und Gustedt, war auch in Salder beschäftigt. Die Dörfer Groß und Klein Samtlebe im Salzgittergebiet, in denen Pastor Bentorff wirkt, existieren zwar nicht wirklich, sind aber trotzdem sehr real. Dorfkultur ist ihm wichtig, inklusive Vereinsleben, auch und gerade in ihrer Doppelgesichtigkeit, mit Solidarität, sozialer Kontrolle und auch dem Bösen. Und Gutmann hat sogar den beiden Katzen, die ihm damals seine Konfirmanden geschenkt haben, ein literarisches Denkmal gesetzt. Den leichten Schlaganfall, den sein Held erlitt, das Doppelsehen, der Klinikaufenthalt waren allerdings unschöne Erinnerungen aus dem vorigen Jahr, nicht aus der Zeit im Pfarrhaus.
Böses in Buch und Film
Gutmann erhielt schließlich ein Stipendium für seine Habilitation. Er lehrte zunächst in Paderborn sieben Jahre Kirchengeschichte, wechselte dann nach Hamburg, wo er noch heute lebt. „Ich bin auch wahnsinnig gern Professor gewesen“, sagt er. Mit seinen Studenten drehte er jedes Jahr einen Film über einen biblischen Text. Dass ihn die Verbindung von Religion und Kriminalität auch als Wissenschaftler weiterhin beschäftigt, zeigt sein im vergangenen Jahr erschienener Aufsatz „Das Böse in der populären Kultur“, in dem er Romane und Blockbuster-Filme untersucht.
Jazz und Lektoratsarbeit
Und was macht er, wenn er keine Krimis schreibt? „Ich bin Kassierer in einem Jazzclub in Hamburg“, erzählt er. „Und ehrenamtlicher Lektor in einem Verlag in Berlin.“ Einen vierten und fünften Teil der „Wende“-Serie soll es noch geben. Der letzte Teil spielt zur Zeit des Mordes an Detlev Rohwedder, dem letzten Präsidenten der Treuhandanstalt. Dann ist Schluss mit Bentorffs Ermittlungen. Gutmann schreibt schnell, in vier bis fünf Wochen ist ein Krimi fertig. Was danach kommt, weiß er noch nicht. Vielleicht etwas anderes, ein Liebesroman womöglich, dafür brauche er aber Zeit, um die Charaktere zu entwickeln. Dass er nicht nur auf Krimis festgelegt ist, bewies er bereits 2018, als er unter dem Pseudonym „Nasi go Reng“ seine „Tweets fürs Leben“ veröffentlichte.
Abitreffen nach 50 Jahren
Seine Heimatstadt Goslar will er spätestens im September wieder besuchen. „Wir feiern dann 50-jähriges Abitur. Von damals sind noch 17 Leute dabei“, verrät der Lokalpatriot.