Desimo erfreut Bad Harzburger Kabarettfreunde

Bad Harzburg. Mit einem soliden Mix, der dem Show-Motto „für jeden etwas dabei“ durchaus gerecht wurde, kam am Mittwoch Entertainer Detlef „Desimo“ Simon zum Kulturklub ins Bündheimer Schloss. Wobei der Gastgeber des „Spezial Clubs“ im Vorfeld seine liebe Mühe gehabt hatte, überhaupt einen Mix zusammenzustellen. Einige Künstler, die er für seinen Kleinkunstabend engagiert hatte, fielen krankheitsbedingt aus, „da grassiert wohl gerade irgendwas“. Aber Desimo hat Verbindungen und so telefonierte er sich am Sonntag ein neues Programm zusammen, mit Dagmar Schönleber, Stefan Danziger und einem alten Bekannten des Kulturklubs: Tilman Birr.

Die Frau hat zwar den Humor auch nicht neu erfunden, sie amüsiert aber und kann mit Worten umgehen. Immerhin ist sie auch als Autorin unterwegs und Buchtitel wie „Nur weil du in der Garage schläfst bist du kein Porsche“ klingen vielversprechend. Ihre Themen sind unter anderem anstrengende Kinder von noch anstrengenderen Eltern und auch sonst geht es gerne um Frauen, ums Gendern („…das mit den *innen verbraucht eigentlich zu viel Lebenszeit“).

Kurzum, um Emanzipation. Beispielsweise in der Männerdomäne Politik: Baerbock und Faeser seien nämlich keine Ministerinnen im Sinne einer gerechten Gleichberechtigung. Die sei erst erreicht, wenn für solche Posten genauso inkompetente Frauen gefunden werden, wie man es bei den Männern gewohnt ist. Kramp-Karrenbauer sei da zumindest ein Anfang gewesen. Wie gesagt: Solche Gags sind solide, aber auch nicht die Überraschung schlechthin.

Das mit der Überraschung passte eher zu Stefan Danziger. Ein kleiner Berliner, bei dem es schon Spaß macht, zuzuhören, ohne auf den Inhalt zu achten. Wieselig witzig und aktuell kam er daher. Während sich nämlich momentan viele Kabarettisten der Pandemie nur im Vorbeihuschen annehmen, hatte er seinen halben Kurzauftritt coronakonform gefüllt.  

Er erinnerte an die ersten Monate im und nach dem Lockdown, als Bühnenkünstler noch sechs Meter Abstand zum Publikum haben mussten – das sei die Spucklinie, die Todeszone gewesen. Wer hat das eigentlich ausgemessen? Und wer spuckt so weit? Der Weltrekord liege bei 10,9 Metern, das seien dann aber auch die Profis, die Workshops mit Lamas machen.Überhaupt: Lockdown. Bleibt zuhause – das sagt sich so leicht, wenn man auf einer Ranch wohnt oder in den Westflügel seines Schlosses ziehen kann. Aber auf 50 Quadratmetern? Das Ganze würzte Danziger noch mit ein wenig „Vater werden“ im Kreißsaal, in der er natürlich mit hinein musste. Wozu es eigentlich überhaupt keinen Grund gibt, es sei denn, man ist Hebamme, Arzt oder Lappen.

 Der Mann ist eine Bank, als Desimo ihn als dritten Überraschungsgast ankündigte, wusste jeder im Saal, was kommt. Denn Tilman Birr ist Stammgast auf der Kulturklubbühne und das nicht nur als Koordinator der mittlerweile traditionellen Poetry-Slam-Abende.

Das hatte den kleinen Nachteil, dass regelmäßige Besucher natürlich nicht nur wussten, dass sie Gutes erwartet, sondern auch was sie Gutes erwartet. Bekannt aber halt auch legendär ist Birrs Lied über Sätze, die zwar deutsch klingen, aber keine deutschen Sätze sind: „Die meisten Menschen fahren besser Auto als ich“ –das ist kein deutscher Satz, den würde nie ein Deutscher sagen. „Ich besitze keine einzige Tupperdose“; „Ich fühle mich in diesem Land gerecht behandelt“ –auch das sind keine deutschen Sätze.

Das typische Deutschsein geht Birr tierisch auf den Zeiger, das merkt man. Erst recht natürlich das Allerdeutscheste: Getrennt zahlen. In fast keinem Land der Welt wird solch ein Gewese um die Rechnung in der Kneipe gemacht, weil irgendwer Angst hat, seine kleine Welt ginge unter, wenn er fünf Euro mehr bezahlt, als er gesoffen hat. Nicht von ungefähr heißt getrennt zu zahlen in anderen Ländern: „Wir haben deutsch bezahlt.“

Detlef Simon servierte den bunten Mix wieder charmant, ihm war anzumerken, wie sehr er und seine Kollegenschar es noch immer genießen, endlich wieder vor vergleichsweise vollen Sälen spielen zu dürfen. Mehr als 100 Besucher in guter Laune und zu Applaus aufgelegt – das hatte gefehlt. Und trotzdem: Woanders haben Menschen völlig andere Sorgen als die, wie voll oder nicht voll ein Kabarettsaal ist. Der Kulturklub hat das nicht vergessen und sammelte wieder für die Ukraine-Flüchtlingshilfe der GZ, der Getränkeumsatz wurde draufgelegt. Am Ende kamen wieder mehr als 700 Euro zusammen.

Nachrichten aus Ihrer Region auf Sie zugeschnitten - unser kostenloser Web-Push-Service lässt sich auf ihre persönlichen Interessen abstimmen