Acht Jahre Haft für die Vergewaltigung einer Zehnjährigen

Blick auf den Haupteingang des Landgerichts Braunschweig. Foto: dpa
Laut Braunschweiger Landgericht war die Tat „von Empathielosigkeit und Brutalität geprägt“. Während des Prozesses zeigte der Täter keinerlei Mitgefühl. Das Mädchen lebt seit dem Vorfall in einer Psychiatrie und wird mit Beruhigungsmitteln „vollgepumpt“.
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Braunschweig. Das Urteil: acht Jahre und drei Monate Haft für den Angeklagten. Sein Opfer, sagt Nebenklagevertreterin Petra Schaeffer, werde lebenslang unter den Folgen des Verbrechens leiden. Im vergangenen Dezember überfiel der 27-Jährige die Zehnjährige am frühen Abend auf ihrem Heimweg in Braunschweigs Norden, drückte ihr mit der Hand die Luft ab, bedrohte sie mit einem Messer und vergewaltigte sie brutal hinter einem Baucontainer.
Was nicht nur für die Jugendschutzkammer des Braunschweiger Landgerichts in diesem Prozess „schwer erträglich“ war, wie es die Vorsitzende Richterin Uta Inse Engemann formulierte: dass der Angeklagte für sein traumatisiertes Opfer, dessen unbeschwertes Leben er zerstört hat, im Prozess keinerlei Mitgefühl zeigte. Er habe gelangweilt gewirkt, ohne Empathie, und sein Opfer geradezu verhöhnt. Vor Gericht hatte er haltlose Anschuldigungen gegen die Familie der Zehnjährigen erhoben.
Von einer „Verachtung für sein Opfer“ spricht auch Oberstaatsanwältin Ute Lindemann. „Völlig hemmungslos hat er sich ein Kind auf der Straße gegriffen und seine sexuellen Bedürfnisse durchgesetzt.“ Die Not und Verzweiflung des Kindes habe ihn nicht interessiert. Rund eine Stunde muss das Mädchen in der Gewalt des Fremden gewesen sein. Bis zum Schluss habe er es in Todesangst versetzt. Vor allem diese Angst sei es, unter der die Zehnjährige bis heute leide: „Dass er kommt und sie tötet.“
Ein Alptraum aller Eltern
Nach der Beschreibung der Mutter war sie vor der Tat kreativ, lebensfroh und selbstständig. Sie spielte gern draußen, fuhr mit dem Fahrrad zur Schule, verabredete sich mit Freunden. Von all dem ist nichts geblieben. „Jetzt sitzt sie in der Psychiatrie, vollgepumpt mit Psychopharmaka und Beruhigungsmitteln, die auch noch abhängig machen“, bringt es Ute Lindemann drastisch auf den Punkt. Zu den Opfern dieses Verbrechens zählt Lindemann auch die Mutter, deren Leben ebenfalls aus den Fugen geraten sei. Die Tat nennt sie den „Alptraum aller Eltern“.
Eine zehnjährige Freiheitsstrafe beantragt die Oberstaatsanwältin wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes und Körperverletzung. Für eine Strafe nicht über sieben Jahre plädiert Verteidiger Moritz Jonas Müller für den aus Burundi stammenden Flüchtling, dessen Zukunft vorgezeichnet sei: Duldung und Aufenthaltserlaubnis würden widerrufen. Auf die Strafe werde die Abschiebung folgen.

Das Foyer des Braunschweiger Landgerichts. Foto: dpa
Viel bekannt ist über den Angeklagten nicht. 2014 kam er von Belgien aus nach Deutschland. In den Gerichtsakten kursieren unterschiedliche biografische Angaben. Im Prozess schweigt er zu den Vorwürfen und über sein Leben. Über seinen Verteidiger räumt er die Tat zwar ein, die übrigen Prozessbeteiligten sehen darin aber nicht mehr als ein Formalgeständnis. Immerhin werde das Opfer nicht als Lügnerin dargestellt, erkennt es Engemann in der Urteilsbegründung gleichwohl strafmildernd an.
Doch auch ohne Geständnis wäre die Beweislage eindeutig: Nicht nur die Angaben des Mädchens, dem das Gericht eine offenkundig hohe Intelligenz, sprachliches Ausdrucksvermögen und eine detailreiche erlebnisbasierte Aussage bescheinigt, belasten den Angeklagten schwer. Sie werden zudem von den übrigen Indizien untermauert.
DNA-Spuren gefunden
So passt zum Beispiel das Verletzungsbild laut einer Rechtsmedizinerin zu den Schilderungen der Zehnjährigen. Eine in Folie verpackte belgische Waffel, die ihr der Täter geschenkt hatte, ist eindeutig einer Waffel-Verpackung zuzuordnen, die im Zimmer des Angeklagten sichergestellt wurde. Und nicht zuletzt überführte ihn seine DNA an Kleidung und Körper des Mädchens.
Der Strafrahmen für dieses Verbrechen liegt zwischen 5 und 15 Jahren. Mit ihrem Urteil bewegt sich die Kammer im Mittelfeld zwischen den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Die Tat, so die Vorsitzende, sei von Empathielosigkeit und Brutalität geprägt. War im Prozess auch die Möglichkeit erörtert worden, im Anschluss an die Haftzeit eine Sicherungsverwahrung zu prüfen, verzichtet das Gericht im Urteil auf die Anordnung. Die zeitlich unbefristete Sicherungsverwahrung sei der größtmögliche Grundrechtseingriff.
Sie müsse gut begründet werden. Die Erkenntnisse eines psychiatrischen Gutachters zum Rückfallrisiko seien in diesem Fall zu vage. Letztlich sei es eine spontane Tat gewesen. In der Vergangenheit war der Angeklagte bereits zu einer Geldstrafe unter anderem wegen Nötigung verurteilt worden, weil er mehrfach Frauen auf der Straße bedrängt hatte. Eine Jugendstrafe wegen Vergewaltigung nach anfangs einvernehmlichem Sex mit einer Bekannten wurde aus dem Vorstrafenregister inzwischen getilgt.
Von Bettina Thoenes, Funke-Mediengruppe
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