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Nachgedacht

Und es donnern die Motoren ...

Das Auto parkt, der Motor läuft: Selbst an Tankstellen ist das mittlerweile ein fast alltägliches Bild.

Das Auto parkt, der Motor läuft: Selbst an Tankstellen ist das mittlerweile ein fast alltägliches Bild. Foto: Marijan Murat//dpa

Die Welt wird skurriler und egozentrischer. Warum haben gute Regeln immer weniger Bestand, warum stehen Autofahrer bei laufendem Motor rauchend oder telefonierend vor der Zapfsäule? GZ-Chefredakteur Jörg Kleine geht (fast) alltäglichen Fragen nach.

Von Jörg Kleine Samstag, 08.02.2025, 08:00 Uhr

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Adolf Hitler war Kommunist, sagt Alice Weidel, Donald Trump lässt den Golf von Mexiko namentlich von der Landkarte streichen, und der Gaza-Streifen wird künftig zur schicken Nahost-Riviera unter US-amerikanischer Flagge – tja, nichts ist mehr unmöglich, und nichts hat mehr Bestand. Vielleicht sind es gerade diese vielen Verunsicherungen, die Abkehr von Wissen, Regeln, Gepflogenheiten und Verstand, die ganze Gesellschaften auseinanderreißen.

Grüßen Sie ruhig mal beim Spaziergang

Das fängt schon im Alltagsleben an. Wer begegnet Polizisten und Feuerwehrleuten noch mit Anerkennung und Respekt? Wer macht Platz für den Notarzt? Wer hilft, wenn Menschen mitten auf der Straße beleidigt und verprügelt werden? Und noch alltäglicher: Wer schenkt uns noch Gruß und kurzes Lächeln bei einem Waldspaziergang? Wer fährt noch rechts auf der Autobahn, wenn doch links auch noch zwei Spuren kilometerweit frei sind?

Im Abgasdunst am Nachtschalter

Was mich schon als Jugendlicher auf die Palme brachte, sind Autofahrer, die seelenruhig und halbstundenlang die Motoren laufen lassen, wenn sie einkaufen gehen oder am Straßenrand ein Schwätzchen halten. Regelmäßig lässt sich dies inzwischen auch an Tankstellen beobachten: Das Auto steht mit laufendem Motor vor der Tanke, während Fahrer drinnen im Shop Getränke, Kaffee, Tabak oder Süßigkeiten kaufen. Dass es gefährlich und verboten ist, mit laufendem Motor vor der Zapfsäule zu stehen, ignorieren diese Fahrer geflissentlich – oder es hat ihnen vielleicht selbst in der Fahrschule niemand beigebracht.

Als ich vorigen Sommer in Süddeutschland im Dunst eines alten Diesels vorm Nachtschalter in der Reihe stand und mich über die Abgasattacke beschwerte, wies mich der Wagenlenker rigoros ab: Er zahle schließlich Kfz-Steuer, also dürfe er den Motor laufen lassen, wo und wann er wolle. Vorigen Sommer stieg vor mir an einer Goslarer Tankstelle ein Fahrer mittleren Alters mit brennender Zigarette aus seinem Vehikel, öffnete beherzt die Tankklappe und ließ den Treibstoff einfließen. Meinen Hinweis auf Explosionsgefahr quittierte er mit bösem Blick: „Was willst du?“

Wenn der Chef vorm Tresen parkt

Kurz vor Weihnachten stieg ein junger Mensch an derselben Zapfstelle aus seinem Wagen und ließ den Tank vollaufen – mit Handy am Ohr und bei laufendem Motor. Meinen warnenden Hinweis am Tresen beim Bezahlen beschied die Mitarbeiterin ratlos: Dazu könne sie nichts sagen, sie habe keine Instruktionen, und der Chef sei nicht da.

Die Krönung erlebte ich Ende Januar an einer Tankstelle im nordhessischen Bad Arolsen: Schräg vor den Zapfsäulen und mit dem Heck direkt vor der Eingangstür stand ein Auto, hinten vollgeladen mit Bierkisten. Der Wagen war führerlos, aber der Motor lief ununterbrochen. Bei jedem Öffnen der gläsernen Schiebetür blies das Auto seine Abgase direkt in den Tankstellen-Shop.

Als ich meinen Wagen vollgetankt hatte, ging ich hinein, wo sich im Eingangsbereich ein Mann mit zwei Mitarbeiterinnen der Tankstelle unterhielt. Meinem freundlichen Hinweis auf laufenden Motor direkt vor der Tür und Abgase im Verkaufsraum begegnete der Fahrer mit einer wahrlich überraschenden Erklärung: Die Abgase seien geradezu gesund, außerdem sei er der Tankstellenpächter, also der Chef, habe Hausrecht und verweise mich jetzt des Geländes. Erst die Erkenntnis, dass ich noch bezahlen musste, ließ den Pächter etwas einsichtiger werden: Ich durfte die Rechnung begleichen, und er schritt mürrisch zu seinem Auto, um endlich den Motor abzustellen.

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