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Raumfahrt-Geschichte

„Unwahrscheinlichste Maschine“: 25 Jahre Crew auf der ISS

Die Crew, die als erste die Internationale Raumstation ISS bewohnte: US-Astronaut Bill Shepherd (l-r) und die russischen Kosmonauten Juri Gidsenko und Sergej Krikaljow, heben die Daumen vor ihrer Sojus-Rakete. (Archivbild)

Die Crew, die als erste die Internationale Raumstation ISS bewohnte: US-Astronaut Bill Shepherd (l-r) und die russischen Kosmonauten Juri Gidsenko und Sergej Krikaljow, heben die Daumen vor ihrer Sojus-Rakete. (Archivbild) Foto: REUTERS POOL/epa/dpa

Vor einem Vierteljahrhundert flogen zwei Russen und ein Amerikaner als erste Besatzung zur Internationalen Raumstation. Seitdem ist die ISS kontinuierlich besetzt - aber wie lange noch?

Von Christina Horsten, Wolfgang Jung und Ulf Mauder, d Donnerstag, 30.10.2025, 04:10 Uhr

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Washington/Moskau. Schon der Start machte die ersten Unterschiede deutlich. „Sehr neblig“ sei es am Freitag (31. Oktober) vor genau 25 Jahren am Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan gewesen, erinnerte sich William Shepherd später. „Es war ein Tag, an dem die Nasa nicht in den Weltraum gestartet wäre.“ Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos entschied anders - und der damalige Astronaut der US-Raumfahrtbehörde Nasa, Shepherd, sowie seine zwei russischen Kosmonauten-Kollegen Juri Gidsenko und Sergej Krikaljow machten sich an Bord einer Sojus-Kapsel auf den Weg, um die erste Besatzung in der Geschichte der Internationalen Raumstation ISS zu werden. Mehr als vier Monate blieben sie auf der ISS.

Seit 25 Jahren ist die ISS bemannt. In der Zeit wurde viel angebaut. (Archivbild)

Seit 25 Jahren ist die ISS bemannt. In der Zeit wurde viel angebaut. (Archivbild) Foto: -/Roscosmos State Space Corporation via AP/dpa

Seit ihrer sicheren Ankunft nach zwei Tagen am 2. November ist die ISS im All bis heute ein Vierteljahrhundert lang kontinuierlich besetzt - derzeit läuft seit April Expedition 73 mit einer siebenköpfigen Astronauten-Crew bestehend aus drei Russen, zwei Amerikanern und einer Amerikanerin sowie einem Japaner. Ob und wie das Jubiläum im All gefeiert wird, dazu gibt es von der Nasa keine Informationen - denn die US-Regierung steckt derzeit im Shutdown. „Die Nasa ist derzeit aufgrund eines Ablaufs der Regierungsfinanzierung geschlossen“, heißt es auf alle Anfragen. Und auch von russischer Seite ist nichts bekannt zu einer möglichen Feier. 

Klar ist aber, dass die Russen damals auf besonders erfahrene Kosmonauten setzten. Krikaljow, der heute 67 ist und mehr als 800 Tage im All auf seinem Konto hat, hatte schon auf der von der Sowjetunion erbauten Vorgängerstation Mir gearbeitet. Er war nicht nur am Bau der ISS in 400 Kilometern über der Erde beteiligt. Er öffnete damals auch als Erster die Luke und bestieg die ISS. Auch Gidsenko hatte mehrere Flüge hinter sich.

Zwei Tage vor dem geplanten Abflug der ersten Besatzung zur Internationalen Raumstation ISS wird das russische Raumschiff „Sojus-TM“ in Startposition gebracht. (Archivbild)

Zwei Tage vor dem geplanten Abflug der ersten Besatzung zur Internationalen Raumstation ISS wird das russische Raumschiff „Sojus-TM“ in Startposition gebracht. (Archivbild) Foto: epa Sergei Chirikov/epa/dpa

Am Anfang erstmal Chaos

Dass heutige Bewohner auf dem Außenposten der Menschheit relativ komfortabel leben und forschen können, dafür legten die drei erprobten Raumfahrer einst den Grundstein. „Unser hauptsächlicher Job am ersten Tag war es, ein Kabel, eine Kamera, Lichter und einige andere Teile zusammenzubauen, damit wir live zur Erde schalten konnten“, erinnert sich Shepherd. Das habe mehrere Stunden und viele Nerven gekostet - „denn keines der Teile war an der Stelle, wo wir es zu finden erwartet hatten“.

Heute ist die ISS über der Erde etwa so groß wie ein Fußballfeld, 450 Tonnen schwer und technisch vielfältig ausgerüstet. Damals aber, als Shepherd, Gidsenko und Krikaljow ankamen, bestand die ISS noch aus etwa drei kleinen und überhitzten Räumen. „Wir haben das Licht angemacht. Wir haben warmes Wasser organisiert. Wir haben die Toilette aktiviert“, erinnert sich Gidsenko, der heute 63 ist. Sein Kollege Shepherd habe dann gesagt: „Was brauchen wir denn noch? Wir haben Wasser. Wir haben Licht. Wir haben eine Toilette. Alles, das Leben hat angefangen. Wir haben verstanden: Wir sind bei uns zu Hause angekommen.“ Zuvor hatten Gidsenko und Krikaljow monatelang an ihrem Englisch und Shepherd an seinem Russisch gearbeitet, um sich auch in einem derart komplexen Umfeld verständigen zu können. 

Russisch-amerikanische Zusammenarbeit im All - bis heute

Trotzdem habe es immer wieder Herausforderungen bei der Zusammenarbeit gegeben. „Hin und wieder bekamen wir unterschiedliche Anweisungen - Dinge, die Houston gesagt hat, und die das Kontrollzentrum in Moskau später wieder geändert hat“, erinnert sich Shepherd. Eines Tages habe er dann Moskau und Houston deutlich gemacht: „Schaut, wir sind die Internationale Raumstation, ihr müsst gemeinsam einen Plan erstellen und ihn uns dann geben.“ 

Wenige Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs galt diese Art der engen Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland als gigantische Errungenschaft. Heute ist die ISS eines der nur noch ganz wenigen gemeinsamen Projekte - denn der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu schweren politischen Spannungen zwischen beiden Ländern geführt. Vor allem Roskosmos kämpft mit den Sanktionen des Westens, die auch den technischen Fortschritt im All bremsen. Sowohl Nasa als auch Roskosmos betonen aber immer wieder, dass die Zusammenarbeit im All funktioniere und - zumindest bis auf weiteres - fortgesetzt werden solle. 

Ende der ISS in Sicht

Aber ein Ende des milliardenschweren Projekts ist schon in Sicht, auch wenn ein genauer Zeitpunkt noch nicht feststeht. Etwa zum Ende des Jahrzehnts hin heißt es derzeit. Sowohl die USA als auch Russland planen eigene Raumstationen, China hat schon längst eine im All. 

Nach Einschätzung von Europas früherem Raumfahrtchef Jan Wörner wird die ISS wohl kontrolliert zum Absturz gebracht, wie die Raumstation Mir, die 2001 teilweise verglühte, der Rest stürzte in den Pazifik. „Mein Traum wäre allerdings, wenn es Unternehmen gäbe, die Recycling im All realisieren würden“, sagte Wörner der Deutschen Presse-Agentur. Einige Module seien durchaus noch nutzbar – etwa das europäische Columbus-Modul oder das japanische Kibo-Labor.

Die deutschen Astronauten Alexander Gerst (l) und Matthias Maurer waren bereits auf der ISS. (Archivbild)

Die deutschen Astronauten Alexander Gerst (l) und Matthias Maurer waren bereits auf der ISS. (Archivbild) Foto: Felix Hörhager/dpa

Nochmal ein Deutscher auf die ISS?

Wörner äußerte die Hoffnung, dass bis dahin noch europäische Astronauten auf der ISS zum Einsatz kommen – möglicherweise auch erneut jemand aus Deutschland. Zuletzt waren von 2021 bis 2022 der deutsche Astronaut Matthias Maurer und 2014 sowie 2018 sein Kollege Alexander Gerst an Bord der ISS. Gerst nannte die ISS einmal „die komplexeste, wertvollste und unwahrscheinlichste Maschine, die die Menschheit jemals gebaut hat“.

Mit Blick auf aktuelle geopolitische Entwicklungen warnte der frühere Esa-Generaldirektor vor einer zunehmenden Militarisierung der Raumfahrt. „Das ist so“, sagte Wörner auf die Frage, ob eine neue, militärisch geprägte Phase beginne. „Persönlich finde ich es schade, wenn wir über die Aufklärung hinaus im All aktiv werden“, betonte Wörner. „Wir brauchen keinen Krieg, weder auf der Erde noch im Weltraum, aber die Menschheit ist offensichtlich noch nicht erwachsen geworden, um die wirkliche Herausforderung, nämlich die nachhaltige Entwicklung der Erde in Zeiten des Klimawandels, zu erkennen.“ Wettrüsten möge als Drohgebärde wirksam sein, sagte Wörner. „Überzeugend ist es trotzdem nicht.“

Mit einem Kuss auf die Wange verabschiedet sich Beth Shepherd vor dem Start von ihrem Mann, dem US-Astronauten Bill Shepherd, im Weltraumbahnhof Baikonur. (Archivbild)

Mit einem Kuss auf die Wange verabschiedet sich Beth Shepherd vor dem Start von ihrem Mann, dem US-Astronauten Bill Shepherd, im Weltraumbahnhof Baikonur. (Archivbild) Foto: POOL REUTERS/epa/dpa

Der Kommandant der ersten Langzeitmission zur Internationalen Raumstation, der amerikanische Astronaut Bill Shepherd (M), und die russischen Kosmonauten Juri Gidsenko (unten) und Sergej Krikaljow (oben) winken, bevor sie auf dem Kosmodrom in das Raumschiff „Sojus-TM-31“ einsteigen. (Archivbild)

Der Kommandant der ersten Langzeitmission zur Internationalen Raumstation, der amerikanische Astronaut Bill Shepherd (M), und die russischen Kosmonauten Juri Gidsenko (unten) und Sergej Krikaljow (oben) winken, bevor sie auf dem Kosmodrom in das Raumschiff „Sojus-TM-31“ einsteigen. (Archivbild) Foto: Sergei Chirikov/epa/dpa

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