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Tourismus in Afghanistan: Urlaub bei den Taliban

Nur wenige Frauen sind als Touristenführerinnen im Einsatz.

Nur wenige Frauen sind als Touristenführerinnen im Einsatz. Foto: Sami Jan/dpa

In Afghanistan erlebt der Tourismus einen neuen Aufschwung. Influencer ziehen mit Reisevideos auch Kritik auf sich – und werfen eine grundsätzliche Frage auf: Kann man Urlaub bei den Taliban machen?

Von Nabila Lalee, dpa Freitag, 05.12.2025, 07:10 Uhr

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Kabul. Eine Gruppe bärtiger und bewaffneter Männer steht hinter drei Menschen, denen ein schwarzer Sack über den Kopf gezogen wurde. „America, we have one message for you“ („Amerika, wir haben eine Botschaft für Euch“), sagen sie in die Kamera, bevor sich einer von ihnen in der bedrohlich wirkenden Geste über einen der Knieenden beugt und den Sack wegzieht. Zum Vorschein kommt ein junger, westlicher Mann mit strahlendem Lächeln. „Welcome to Afghanistan“, sagt er in dem Video, das in sozialen Medien kursiert.

Ins Netz gestellt wurde diese grotesk anmutende Szene von einem Mann, der sich Jake nennt. Er ist durch Afghanistan gereist und teilt nun Aufnahmen dazu im Internet. Jake ist nicht der Einzige, der mit Reisevideos aus dem Land Aufmerksamkeit auf sich zieht. Vom Leid der afghanischen Frauen, denen unter den Taliban der Zugang zu höherer Bildung und vielen Berufen versperrt ist, sieht man in vielen Videos der sogenannten Reise-Influencer oft nichts.

Seit der erneuten Machtübernahme der islamistischen Taliban im August 2021 kommen wieder vermehrt Touristen nach Afghanistan. Während Kritiker, Aktivisten oder Journalisten unter den neuen Herrschern in Gefahr sind, können ausländische Besucher seit Jahrzehnten erstmals wieder Orte bereisen, die davor aufgrund von Kriegen kaum zugänglich waren.

Taliban werben mit kulturellem Reichtum 

„Letztes Jahr hatten wir noch 8.000 ausländische Touristen in dem Land“, sagt der Sprecher des Informations- und Kulturministeriums in Kabul, Kari Chubaib Rufran. „Dieses Jahr waren es allein in den ersten sechs Monaten schon 7.000.“ Viele davon kämen aus westlichen Staaten. 

Während die Taliban mit ihrer systematischen Beschneidung von Frauenrechten weltweit für Empörung sorgen, hoffen sie, durch den Tourismus ihr Bild in der Welt aufzubessern. Die Leute sollen sehen, dass das Land sicher sei, so Ministeriumssprecher Rufran. 

Die Taliban, die 2001 mit der Sprengung der riesigen Buddha-Statuen im zentralafghanischen Bamian-Tal noch weltweit für Empörung sorgten, werben mittlerweile mit der jahrtausendealten Kultur ihres Landes. Dazu gehört auch Afghanistans reiches vorislamisches Erbe - Buddhismus, Zarathustra, Hinduismus, sie alle haben am Hindukusch ihre Spuren hinterlassen.

Die Taliban wollen über den Tourismus ein besseres Image erreichen.

Die Taliban wollen über den Tourismus ein besseres Image erreichen. Foto: Nabila Lalee/dpa

Touristen können heute bei den Taliban Tickets erwerben, um die Überbleibsel der riesigen, in die Felswand gemeißelten Buddha-Statuen zu besuchen. Auch die Synagoge in der historischen Stadt Herat im Westen des Landes sei offen für Touristen, erzählt der Sprecher des Kulturministeriums in der Provinz. 

Der Buddhismus sei ein bedeutender Teil der Geschichte Afghanistans, heißt es auch auf einem Schild, das im afghanischen Nationalmuseum in Kabul hängt. Ein Museumsmitarbeiter, der anonym bleiben will, sagt der Deutschen Presse-Agentur jedoch, die Taliban hätten mittlerweile einen großen Teil der Ausstellung zu Afghanistans vorislamischem Erbe entfernt.

Touristin: Kein Reiseland für Anfänger

Das Auswärtige Amt rät nach wie vor von Reisen nach Afghanistan ab. „Vor Reisen nach Afghanistan wird gewarnt. Deutsche Staatsangehörige werden aufgefordert, Afghanistan zu verlassen“, heißt es auf der Internetseite.

Afghanistan-Touristin Anna Pelova aus Bulgarien räumt ebenfalls ein: „Afghanistan ist kein Reiseland für Anfänger.“ Gerade die Situation der Frauen bedrücke sie sehr. Gleichzeitig sei sie überrascht, wie viel Kultur und Geschichte dieses Land zu bieten habe.

Frauen kämpfen für Freiräume

In Afghanistan selbst hoffen manche Einwohner, dass der Tourismus gegen die schwierige Wirtschaftslage helfe. Ein Händler in Kabul, der sein Geschäft bei den prächtigen Gärten des Mogulherrschers Babur aus dem 16. Jahrhundert betreibt, mache kaum noch Geschäfte, seitdem afghanischen Frauen der Zugang zu dem beliebten Freizeitort durch die Taliban verboten wurde. 

Die Britin Zoe Stephens führt Touristinnen durch Afghanistan.

Die Britin Zoe Stephens führt Touristinnen durch Afghanistan. Foto: Sami Jan/dpa

Gleichzeitig arbeiten in dem Land einige wenige als Touristenführerinnen – obwohl Frauen sonst aus zahlreichen Berufen gedrängt wurden. Zoe Stephens aus dem englischen Liverpool etwa führt Touristinnen durch Afghanistan und arbeite dafür auch mit lokalen Touristenführerinnen zusammen. Auch die ehemalige Studentin Nilofar Rahimi aus Kabul möchte sich als Touristenführerin selbstständig machen und Reisen für Frauen anbieten. 

Da Afghaninnen nicht ohne männliche Verwandten in andere Provinzen reisen dürfen, sei ihre Arbeit nicht ganz ohne Risiko, sagt sie. Davon wolle sich die junge Frau, die ihr Studium aufgrund der Taliban-Herrschaft nicht fortsetzen konnte, jedoch nicht abschrecken lassen. „Ich kann nicht zu Hause sitzen und nichts tun.“ Den ausländischen Besucherinnen wolle sie nicht nur die facettenreiche Kultur ihres Landes näherbringen. „Ich will zeigen, dass auch wir Afghaninnen mehr mit unserem Leben machen wollen.“ 

Wenig Verständnis habe sie hingegen für Reise-Influencer, die das Land in den sozialen Medien in einem lediglich positiven Licht darstellten. „Für mich ist das enttäuschend“, so die ehemalige Studentin. „Sie sind doch hierhergekommen und haben gesehen, wie die Situation für uns Frauen hier ist.“

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