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GZ-ADVENTSSERIE 2021

„Ich brauche noch 250 Christbäume“

Kurz vor Heiligabend und bei dickem Schnee kann die Nachlieferung von Weihnachtsbäumen zum Abenteuer werden.  Foto: Pixabay

Kurz vor Heiligabend und bei dickem Schnee kann die Nachlieferung von Weihnachtsbäumen zum Abenteuer werden. Foto: Pixabay

Altenau. „Mein schönstes Weihnachtsfest“ heißt unsere GZ-Adventsserie. Leserinnen und Leser schreiben Geschichten, die ermuntern, besinnlich sind, Hoffnung geben – gerade auch im zweiten Corona-Jahr. Max-Henner Schiers aus Altenau erzählt die turbulente Geschichte vom Förster und den Christbäumen kurz vor Toresschluss:

Dienstag, 07.12.2021, 09:00 Uhr

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Weihnachten 1959 stand vor der Tür. Vieles drehte sich in der Zeit auf dem „Niedersächsischen Forstamt Grubenhagen“ (bei Einbeck) um die Beschaffung von Weihnachtsbäumen. Die Händler aus den Städten hatten schon längere Zeit vor den Festtagen ihre Kontingente abgesprochen und teilweise auch erreicht.

Ich erfüllte gerade in meiner Ausbildung zum Förster die Forstamtsbürozeit und fühlte mich dort nicht unbedingt wohl. Der Büroleiter bemerkte dies, und da er selber auch mehr Praktiker war, überlegte er, wie er mir da zwei Tage vor dem Weihnachtsfest helfen könne – als ein etwas aufgeregter Weihnachtsbaumhändler sein Büro „stürmte“ und meinte, er brauche unbedingt noch für seinen Stand auf dem Markt in Hildesheim 250 Weihnachtsbäume um 1 bis 1,5 Meter Länge.

Der Mittag war schon durch und die Dunkelheit nicht mehr weit entfernt. Die Waldarbeiter waren schon nicht mehr erreichbar. Auf die Frage, ob ich mir das zutraue, dem armen Händler noch zu helfen, sagte ich nach kurzer Überlegung zu. Wir machten einen Vertrag, sodass für mich ein kleiner Geldbetrag übrig bleiben musste und ich mir zu Weihnachten etwas leisten konnte, was bis dahin unmöglich gewesen war. Die Witterung ließ einiges zu wünschen übrig, denn es waren etwa fünf Zentimeter Neuschnee gefallen, also denkbar ungünstig für solch ein Unternehmen. Ich wusste eine Fichtennaturverjüngung, in der die Bäumchen wie Haare auf dem Hund standen. Entsprechend instabil waren auch die kleinen Fichten, wovon ich dem Händler vor unserem Vertrag berichtete. Das war ihm aber egal: Hauptsache, er bekam noch seine Weihnachtsbäume.

Gesagt, getan: Ich nahm eine große „Löwe-Schere“, eilte zu dem nicht weit entfernten Fichtenbestand, schnitt mit der Schere jeden brauchbaren Baum ab und warf sie hinaus an den befahrbaren Weg.

Als ich meinte, etwa die 250 Stück abgeschnitten zu haben, wurde es auch schon dunkel. Ich zog die Bäume zusammen, zählte sie, ergänzte noch die Stückzahl, sortierte einige unmögliche aus und war froh, als der Händler dann kam und die Weihnachtsbäume auf seinen Wagen verladen hatte.

Ich hatte das Gefühl, wenn man eine Kerze auf einen Ast stellte, würde sich dieser erheblich neigen. Die Bäume ließen nur mit Mühe zu, dass man noch Kugeln, Sterne und anderen Schmuck dranhängte. Der Händler war zufrieden, ich war es auch und machte mich auf den Heimweg in den Harz.

Zu Hause angekommen, sagte mir mein Vater (ebenfalls Forstbeamter), dass er alle restlichen Weihnachtsbäume noch an bedürftige Kurgäste weggegeben habe. Was bedeutete, dass ich an Heiligabend bei 60 Zentimeter Neuschnee im Harz doch noch einmal einen Weihnachtsbaum im Tiefschnee suchen und nach Hause holen musste. Und der konnte erst nach dem Abtauen im Wohnzimmer aufgestellt werden.

Es wurde dann doch noch ein frohes, glückliches und gesegnetes Weihnachtsfest mit einem gehörigen Muskelkater, der sich aber ganz gut in den nachfolgenden Festtagen beheben ließ. Und es gab einen unerwarteten selbst erfüllten Wunsch ...

 

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