Harzer Fußballfans bisher nicht im WM-Fieber

Im „Lusail Iconic Stadium“ mit seinen 80.000 Sitzplätzen steigt das WM-Finale. Foto: dpa/Charisius
Begeisterung sieht anders aus. Rund einen Monat vor Beginn der Fußball-WM in Katar herrscht an der Nordharzer Basis noch keine große Vorfreude auf das Turnier im Wüstenstaat. Energie-Krise und Ukraine-Kriege drücken eher auf die Stimmung.
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Der Fußball hat in den vergangenen Jahren viel Kredit bei Fans und an der Basis verloren. Exorbitante Ablösesummen, aberwitzige Millionengehälter, ein aufgeblähter Wettkampfkalender, Korruption und nicht zuletzt die Weltmeisterschaft im Wüstenstaat Katar sorgen dafür, dass Deutschlands Sportart Nummer eins immer weniger geliebt wird.
Von Vorfreude oder gar Euphorie ist kurz vor dem Großereignis nicht viel zu spüren. Der Krieg in der Ukraine, die Corona-Pandemie und die unaufhörlich steigenden Energiepreise belasten die Menschen zunehmend – der Sport rückt in den Hintergrund.
Nicht nur geografisch ganz weit weg
„Ich muss sagen, dass zurzeit bei mir so gar kein Fieber oder so etwas Ähnliches entstehen will“, sagt Stefan Nolte vom FC Altenau. Für ihn ist die WM nicht nur geografisch sehr weit weg, aktuell seien auch anderen Themen viel wichtiger. „Die anderen Sachen, die ringsherum sind und die wir alle zu bewältigen haben, sind mehr im Kopf als das Turnier“, sagt Nolte.
Zum geringen Interesse an der WM haben zuletzt auch die bescheidenden Auftritte der deutschen Nationalmannschaft beigetragen. Vor allem das enttäuschende 0:1 gegen Ungarn hat nicht gerade Zuversicht entfacht. „Die sind alle nicht gut drauf“, sagt Markus Rothkamm, Vorsitzender des VfL Liebenburg. Deutschland sei zwar eine Turniermannschaft, es könne aber alles passieren – im Guten wie im Schlechten, meint er.
„Die Müllers und Seelers gibt es nicht mehr"
Vor allem die Stürmerposition bereitet den meisten Anhängern Sorgen. Im Gespräch für die vorderste Reihe ist deshalb Deutschlands aktuell erfolgreichster Torschütze Niclas Füllkrug von Werder Bremen, den Nolte sehr gern im DFB-Team sehen würde. Dass es hierzulande keine richtigen Stürmer mehr gibt, ist für ihn das Ergebnis einer jahrelangen Fehlentwicklung. „Die Müllers und Seelers gibt es nicht mehr, weil wir alles nur noch kaufen, aber unsere verkümmern lassen, weil sie nicht gefördert werden“, sagt Nolte.
Weniger kritisch auf die Nationalelf blickt Thorsten Fern. Der Trainer der SG Bredelem/Astfeld traut, „wenn wir uns alle am Riemen reißen“, der DFB-Elf sogar den Titel zu. „Andere Mannschaften krepeln da genauso rum in der Qualifikation. Von daher sehe ich uns nicht so schlecht, wie manche uns da hinstellen“, sagt Fern. Die anderen Teams seien im Moment nicht besser.
"Das widerspricht sich alles"
Ob sich mit sportlichem Erfolg auch größere Begeisterung für das Turnier entfachen lässt, bleibt abzuwarten. Für viele sind die fragwürdige WM-Vergabe, die Menschenrechtsverletzungen, die sklavenähnlichen Arbeiterbedingungen auf den Baustellen und die Umweltschäden in Katar nicht aus dem Kopf zu kriegen. „Ich finde das schon schwierig, wenn man sagt: Wir sollen alle sparen, und da werden jetzt die Stadien gekühlt. Das widerspricht sich alles“, sagt Rothkamm. „Aber man sieht auch da: Geld regiert die Welt.“
Dieses Geld hat dem kleinen Wüstenstaat am Persischen Golf zwar die Fußball-WM gebracht und wird ihn vier Wochen lang in den Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit rücken. Doch die Herzen der Fans dürfte dieses Turnier nicht erobern. „Wenn es von der Übertragungszeit passt, dann gucke ich mir die deutschen Spiele auf alle Fälle an“, sagt Nolte. „Aber dass ich stundenlang am Fernseher sitze – nein. Das hat man früher mal gemacht, aber heutzutage nicht mehr.“