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Salzgitter nimmt Abschied

Mord an Anastasia (15): Heute öffentliche Trauerfeier

Mord an Anastasia (15): Heute öffentliche Trauerfeier

Am Mittwochnachmittag wird der ermordeten 15-jährigen Schülerin aus Salzgitter-Fredenberg gedacht. Während einer öffentlichen Trauerfeier geben die Eltern der Verstorbenen die Möglichkeit, sich von ihrer Tochter zu verabschieden. Auch die Polizei wird vor Ort sein.

Sonntag, 26.06.2022, 07:00 Uhr

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Schon kurz nach dem Auffinden der Leiche konnten die Ermittler aus Salzgitter zwei Tatverdächtige herausfinden. Dabei handelt es sich um zwei 13- und 14-jährige Mitschüler Anastasias. Beide wohnen wie das Opfer ebenfalls im Stadtteil Fredenberg. Mittlerweile sitzt der 14-Jährige in Untersuchungshaft und der Jüngere in einer Psychatrie. Beide äußern sich bisher nicht zu den Vorwürfen. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Jugendlichen heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen vor. Hans Christian Wolters, Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, geht davon aus, dass in zwei bis drei Monaten Anklage gegen den älteren Tatverdächtigen erhoben werde.

Was über die Tat bekannt ist

Die Arbeit am Fundort ist seit einigen Tagen abgeschlossen, derzeit sind die Ermittler dabei, den genauen Tathergang zu rekonstruieren. Das Mädchen war erstickt, ergab die Obduktion am 22. Juni.
Wie die 15-jährige Schülerin zu Tode kam, dazu äußert sich die Braunschweiger Staatsanwaltschaft bisher noch nicht. Man gehe jedoch von einem geplanten, heimtückischen Mord aus niederen Beweggründen aus, sagt Sprecher Hans Christian Wolters. Als Motiv sehen die Strafverfolger bislang eine Feindschaft gegenüber dem Mädchen, die sich zu Hass auswuchs, der am Abend des 19. Juni in einem Mord mündete.
Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Jugendlichen heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen vor. Er gehe davon aus, dass in zwei bis drei Monaten Anklage gegen den 14-Jährigen erhoben werde, sagte der Sprecher Staatsanwaltschaft.

Althusmann fordert Debatte um Strafmündigkeit

Dem 14-Jährigen droht im Falle einer Verurteilung eine Jugendstrafe von bis zu zehn, bei Mord im Extremfall bis zu 15 Jahren. Sein kaum jüngerer Mitverdächtiger kann nicht belangt werden. Angesichts dieser Tatsache fordert CDU-Chef Bernd Althusmann eine Debatte um die Strafmündigkeit bei Jugendlichen. Besonders durch die Diskussionen für mehr Rechte für Kinder und Jugendliche, sowie die Herabsenkung des Wahlalters, müsse laut Althusmann auch mehr Verantwortung übernommen werden. „Dazu gehört für mich auch die Frage nach der Strafmündigkeit, die in vielen Staaten bereits unter 14 Jahren liegt.“ 

Eine Mitarbeiterin der Spurensicherung am Tatort in Salzgitter.

Eine Mitarbeiterin der Spurensicherung am Tatort in Salzgitter.

Für Unruhe sorgen immer noch zahllose Beiträge in den sozialen Netzwerken. Die Polizei wendete sich deshalb mit einem Schreiben über die Schulen der Stadt an Eltern in Salzgitter. „Wir sind alle erschüttert über das Verbrechen und können entstandene Ängste nachvollziehen“, heißt es in der Nachricht. „Um Unsicherheiten entgegenzuwirken und Folgestraftaten zu verhindern, möchten wir Sie um Ihre Zusammenarbeit bitten.“ Der Appell: „Sensibilisieren Sie Ihre Kinder.“

Salzgitter: Eine Stadt im Schockzustand trauert

Anwohner und Mitschüler der Getöteten haben am Fundort kleine Briefe, Kerzen und Blumen abgelegt. Immer wieder stehen am 22. Juni gleichaltrige Kinder vor dieser kleinen Stelle auf dem Gehweg vor der Grünfläche, liegen sich in den Armen. Sie stehen vor einem grauen Tor aus Stahl, schauen hinein und sehen die Polizeimarkierungen, Absperrbänder und einen markanten orangefarbenen, halb geöffneten Container. 

Schon am Nachmittag meldete sich Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel zu Wort: "Wir alle sind schockiert und entsetzt über den Tod der 15-jährigen Schülerin. Ich verurteile dieses grausame und kaltblütige Verbrechen aufs Schärfste. Unser aller Mitgefühl gilt der Familie, den Freundinnen und Freunden des Opfers. In den schwersten Stunden Ihres Lebens sind unsere Gedanken bei Ihnen."

Die Polizei hatte seit dem Abend des 20. Juni mit einem Großaufgebot nach der 15-jährigen Schülerin gesucht und auch das Aussehen des Mädchens öffentlich beschrieben – in der Hoffnung, dass jemand die Teenagerin gesehen hat und Hinweise geben kann. Eine Drohne und Mantrailerhunde waren am Abend der Suche ebenfalls im Einsatz. Etwa 50 Beamte der Bereitschaftspolizei hatten zuletzt nahezu im Dauereinsatz das Wohngebiet nach dem Mädchen durchkämmt.

So verlief die Suche nach der Vermissten in Salzgitter am 21. Juni

Kerzen, Blumen und Figuren zum Gedenken an eine getötete 15-jährige liegen an einem Tatort an einer Grünfläche am Hans-Böckler-Ring. Foto: dpa

Kerzen, Blumen und Figuren zum Gedenken an eine getötete 15-jährige liegen an einem Tatort an einer Grünfläche am Hans-Böckler-Ring. Foto: dpa

Kurt-Schumacher-Ring, 11 Uhr: Zahlreiche Einsatzfahrzeuge der Polizei stehen auf dem Parkplatz des Lidl-Marktes. Auf den Straßen sind uniformierte Polizisten zu sehen, die Passanten befragen, Müllcontainer durchsuchen und die Wohngegend in der Nähe des Schulzentrums systematisch abgehen auf der Suche nach Spuren der vermissten Mädchens. Seit Sonntag, sagt Sprecher Matthias Pintak, werde das Mädchen vermisst. 

Erste Befragungen von Menschen aus dem näheren Umfeld der Schülerin hätten jedoch keine hilfreichen Erkenntnisse erbracht. Daher hätten die Beamten die Suche anderntags intensiviert, berichtet Pintak.

Unterstützt von der Diensthundestaffel und Kräften der Zentralen Polizeidirektion hätten Ermittler das gesamte Quartier durchkämmt, erst in den Abendstunden sei die Suche unterbrochen worden. „Wir hoffen immer noch, dass wir das Mädchen lebendig auffinden“, meint der Sprecher. Ihm ist anzumerken, dass er zwei Tage nach der Vermisstenmeldung markigen Optimismus kaum noch begründen kann.

Hans-Böckler-Ring, 11.15 Uhr: Alle möglichen Theorien sind denkbar. Ist das Mädchen womöglich von daheim ausgerissen? Hatte die 15-Jährige einen Unfall, liegt vielleicht schwer verletzt nach einem Sturz hilflos in einem Graben?

Erinnerungen werden wach an die Suche nach Vermissten am Salzgittersee oder einen Vorfall Anfang Mai 2021 am Heerter See: Damals hatte die Polizei in der Nacht per Hubschrauber eine 70-Jährige aus Elbe gesucht. Eine Freundin hatte die Seniorin als vermisst gemeldet, da sie per Handy nicht erreichbar war. Daraufhin suchten die Besatzungen dreier Streifenwagen sowie ein Polizeihubschrauber mit Wärmebildkamera die Umgebung ab. Die Frau war in der Nacht zum Joggen an den Heerter See gefahren, hatte sich aber in der Dunkelheit verirrt. Die Polizei setzte die Suche bis zum Morgengrauen fort. Doch zumindest dieser Vorfall endete glücklich: Gegen 4.45 Uhr hatte die 70-Jährige offenbar selbst zurück zu ihrem abgestellten Wagen gefunden. Sie wurde von der Polizei wohlbehalten aufgefunden.

11.20 Uhr: Doch je länger die Beamten suchen, desto mehr sinkt die Hoffnung im Fall der Schülerin aus dem Fredenberg. Viele Beamte haben begonnen, systematisch Wertstoffinseln abzusuchen. Müllbeutel werden geöffnet, der Inhalt nach Spuren durchsucht. Morgens schon waren Altkleider-Container geöffnet worden, weil nicht auszuschließen war, dass das Mädchen dort hineingefallen war und nicht mehr herauskommt. Indes kursiert ihr Foto sogar in den sozialen Netzwerken.

11.26 Uhr: Die Suche konzentriert sich auf das bewaldete Eckgrundstück zwischen Kurt-Schumacher und Hans-Böckler-Ring. Ein Ermittlerteam fährt vor und hievt einen „DJI Matrice 300“ aus dem Kofferraum. Die mit einer Wärmebildkamera ausgestattete Drohne ist seit 2010 bei solchen Suchen im Einsatz. 35 Minuten lang kann sie sich in der Luft halten. Doch sie hat einen Nachteil, sagt die Beamtin, die die Drohne fernsteuert. Die Drohne kann menschliche Körper nur orten, solange sie sich auf freiem Gelände befinden. Unter Blättern oder Laubwerk ist die Suche zum Scheitern verurteilt.

11.44 Uhr: Doch im Fall der vermissten Schülerin ist es anders. Nur wenige Minuten, nachdem die Drohne hoch in der Luft ihre Kreise über dem unbebauten Grundstück zieht, meldet die Polizei den Fund einer weiblichen Leiche.

Salzgitter-Fredenberg: Kurz nach dem Drohnenaufstieg entdeckt die Polizei die Leiche

12.05 Uhr: Der Hans-Böckler-Ring ist durchweg mit Absperrbändern abgeriegelt, die Polizei konzentriert Einsatzkräfte und Fahrzeuge auf das Grundstück. Schaulustige säumen den Kurt-Schumacher-Ring. Die Informationen, die Pressesprecher Pintak gibt, sind äußerst spärlich. „Derzeit ermittelt die Polizei die Identität der jungen Frau. Ob es sich um das vermisste 15-jährige Mädchen handelt, müssen die Ermittlungen zeigen. Dies kann derzeit noch nicht bestätigt werden“, sagt er schmallippig.

Offiziell heißt es, weder Selbsttötung noch Gewaltverbrechen seien auszuschließen. Weitere Ermittlungen müssten nun klären, wie die Frau gestorben sei. Die Polizei ermittele in alle Richtung, betont Pintak.

17 Uhr: Die Beamten sichern weitere Spuren, die Straße bleibt abgeriegelt, gilt nun als Tatort. Wer dort wohnt, muss sein Auto außerhalb abstellen, sich bei der Polizei melden, wird zur Wohnung begleitet. Wie lange es dauern wird, bis alle Spuren ausgewertet und asserviert sind? Das könne „einige Tage“ dauern, vermutet Pintak. Was die gerichtsmedizinische Untersuchung der Leiche zum möglichen Tatablauf und zu Details des mutmaßlichen Gewaltverbrechens zu Tage fördern wird, ist völlig offen.

Was bleibt, ist Ohnmacht, Entsetzen und Sprachlosigkeit angesichts einer Gewalttat, die sich inmitten eines Wohngebiets zugetragen haben könnte. „Wenn das zutrifft, handelt es sich um ein schlimmen Fall, wie ich ihn hier noch nicht erlebt habe“, sagt Pintak betroffen.

 

lk/red/dpa/Funke-Mediengruppe

Die Leiche des Mädchens wurde im Gebüsch gefunden. Foto: dpa-Bildfunk

Die Leiche des Mädchens wurde im Gebüsch gefunden. Foto: dpa-Bildfunk

Mord an Anastasia (15): Heute öffentliche Trauerfeier

Mord an Anastasia (15): Heute öffentliche Trauerfeier

Auf einer Grünfläche fand die Polizei am Dienstag den leblosen Körper des Mädchens. Grafik: Jürgen Runo

Auf einer Grünfläche fand die Polizei am Dienstag den leblosen Körper des Mädchens. Grafik: Jürgen Runo

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