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Podiumsdiskussion

Was tun mit den vielen alten Häusern in Zellerfeld?

In Zellerfeld sind einige Gebäude in besserem, einige in schlechterem Zustand.

In Zellerfeld sind einige Gebäude in besserem, einige in schlechterem Zustand. Foto: Skuza

Fachleute haben im Dietzelhaus über Probleme und Lösungen für die historischen Häuser im Zellerfelder Schachbrettviertel diskutiert. Eine Genossenschaft nach Bad Grundner Vorbild könnte künftig zumindest einen neuen Ansatz bieten.

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Von Sören Skuza
Samstag, 07.09.2024, 16:00 Uhr

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Clausthal-Zellerfeld. Denkmalschutz, Sanierungsgebiet, Tourismus: Allein die Schlagworte können in Clausthal-Zellerfeld hitzige Debatte auslösen. Kein Wunder also, dass der Tugendsaal des Dietzelhauses proppenvoll war, als am Dienstag die Podiumsdiskussion anstand mit dem Thema „Zum schwierigen Umgang mit historischen Gebäuden: Ballast oder Chance für Zellerfeld und den Harz?“.

Auf Initiative von Dr. Olaf Mußmann hatte der Oberharzer Geschichts- und Museumsverein zur Veranstaltung geladen. So vielfältig der Themenkomplex auch ist, die Expertise der Diskussionsteilnehmer hätte breiter kaum sein können. Unter der Moderation von Sympatec-Geschäftsführer Dr. Sebastian Röthele, der selbst in Zellerfeld über der Bergapotheke wohnt, kam es allerdings weniger zu hitzigen Diskussionen. Vielmehr offenbarte sich, unter wie vielen Gesichtspunkten man sich dem Schachbrettviertel nähern kann. Und zum Schluss gab es dann auch noch eine Idee, wie sich das eine oder andere Haus kreativ retten ließe.

„Eigentum verpflichtet, wäre der Appell“, meinte Röthele in Bezug auf die zahlreichen baufälligen Häuser in Zellerfeld. Doch viele Auflagen würden Sanierungen erschweren, Förderungen würden zu gering ausfallen und sachlich darüber zu sprechen sei schwierig, weil es eine emotionale Angelegenheit sei.

Zu viele Hürden?

Daran erinnerte auch Mußmann, der als Hausbesitzer an der Runde teilnahm. Als das Sanierungsgebiet erstmals zur Sprache kam, sei er eigentlich begeistert gewesen. Die sei „kompletter Ratlosigkeit“ gewichen. Eigentlich habe die Stadt eine „tolle Architektur, eingebunden in ein Naherholungsgebiet, das seinesgleichen sucht“. Doch er kritisierte zu hohe Zinssätze zur Finanzierung der Sanierung, zu hohe Anforderungen des Denkmalschutzes und dass das Projektbüro nicht ausreichend ansprechbar sei. Darum formulierte er seinen Wunsch, die Modernisierungsrichtlinien zu überarbeiten unter „vernünftiger Beteiligung der Bürger“. Er wünsche sich auch mehr Interesse aus der Politik an dem Thema. Mußmann hatte zwar Bürgermeisterin Petra Emmerich-Kopatsch (SPD) zu der Podiumsdiskussion eingeladen, die war aber wegen des zeitgleich stattfindenden Finanzausschusses verhindert.

Voll ist es im Tugendsaal bei der Podiumsdiskussion.

Voll ist es im Tugendsaal bei der Podiumsdiskussion. Foto: Skuza

Dass nicht nur Privateigentümer mit denkmalgeschützten Gebäuden zu kämpfen haben, erläuterte TU-Präsidentin Dr. Sylvia Schattauer. Die Oberharzer Uni habe einige teils 100 Jahre alte Häuser in ihrem Besitz, die unter anderem in puncto Wärmedämmung Probleme bereiten. Mit Blick auf das Leitbild der TU, der Circular Economy, meinte Schattauer: „Wenn es um Wärmedämmung geht, sind wir da nicht die Vorzeige-Uni.“ Attraktiver Wohnraum sei auch für die Stadt wichtig, weil die Fachkräfte, die von der TU angezogen werden, sich in Zeiten von Home-Office auch anderswo ansiedeln könnten. Für Institutionen wie die TU sei es darüber hinaus leichter, Landesmittel für den Neubau zu bekommen, als Gelder für die Sanierung der bestehenden Objekte zu akquirieren.

Fatale Entwicklungen

Prof. Dr. Andreas Klee, Geschäftsführer der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft, näherte sich dem Thema aus stadtplanerischer Sicht. Privatleute wie Kommunen würden oft zuerst an Neubau denken, weil es vermeintlich schneller gehe, als den Bestand zu wahren. „Für eine Stadt wie Clausthal-Zellerfeld kann das fatal werden“, postulierte er. Die leer stehenden Gebäude würden so immer mehr verfallen, gleichzeitig stiegen die Infrastrukturkosten.

Davor, Neubauten gegen Altbauten auszuspielen, warnte Dr. Christina Krafczyk, Präsidentin des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege. Die Standards bei Neubauten seien viel zu hoch, was oft zum Scheitern oder zu Kostenexplosionen führe. Indes seien alte Gebäude robuster gebaut, und könnten Privatleute im Gegensatz zu Land und Bund bei Sanierungen immer auf wirtschaftliche Unzumutbarkeit plädieren.

Dr. Johanna Leissner, die sich in mehreren EU-Gruppen mit Denkmalschutz auseinandersetzt, betonte, historische Gebäude seien „eine riesige Chance“. Es brauche eine Kombination aus Innovation und altem Wissen, auch um mit Hilfe sanierter Gebäude der Klimakrise zu begegnen. Zudem müssten Handwerksbetriebe vor Ort gestärkt werden, nicht nur finanziell, sie müssten auch mit dem nötigen Know-how ausgestattet werden.

Mit der Vermittlung von Know-how beschäftigt sich Dr. Johannes Großewinkelmann, Direktor der Welterbe-Stiftung. Das Schachbrettviertel könne ohne Bergbau gar nicht gedacht werden. Kenntnisse über geschichtliche Zusammenhänge seien in älteren Teilen der Bevölkerung zwar noch vorhanden, doch sie müssten auch an Jüngere weitergegeben werden. Das eigene Wohnhaus sei auch ein Zeichen der Identität.

Flexiblere Lösungen

Doch nicht nur für Einheimische, auch für Touristen sei die Architektur entscheidend, wie Prof. Martin Weigel, Vorstand der Glücksburg Consulting, betonte. Denn die wollten auch etwas erleben, und Kultur sei ein wesentlicher Faktor in der Tourismusbranche. Er plädierte für flexiblere Lösungen für Probleme. Zu viele Regularien würden die Arbeit nur erschweren. „Wir wollen es so perfekt machen, dass wir am Ende gar nichts machen“, fasste er zusammen.

Aber es gibt auch Leute, die kreative Wege gehen und die Sache selbst in die Hand nehmen. Dagmar Thomas erklärte, wie die Bürgergenossenschaft Bad Grund sich dem Erhalt historischer Häuser angenommen habe. Rund 180 Mitglieder zahlen in die Kasse ein. Das habe gereicht, um ein Haus zu kaufen, mit dem Ziel, es überwiegend ehrenamtlich zu sanieren. „Das ist machbar, wenn man das möchte.“ Eine solche Initiative könnte es womöglich bald in Zellerfeld geben. Olaf Mußmann jedenfalls hat schon einmal eine Unterschriftenliste herumgegeben für diejenigen, die sich vorstellen könnten, bei so einem Vorhaben mitzuwirken.

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