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Wo finden Stalking-Opfer Hilfe?

Selbstbestimmtes Auftreten und Stalker sichtbar machen

Stalking via Internet oder Telefon wird in Deutschland immer häufiger.

Stalking via Internet oder Telefon wird in Deutschland immer häufiger. Foto: Jens Büttner | picture alliance | dpa

Stalking kann ein Leben zerstören. Wo finden Opfer Hilfe? Günter Koschig, Leiter der Weißer-Ring-Außenstelle des Landkreises Goslar, klärt auf.

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Von Andrea Leifeld
Freitag, 07.02.2025, 08:00 Uhr

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Nordharz. Stalking kann ein Leben zerstören. Leise leidend oder bis zu einer finalen Verzweiflungstat des Opfers, wie der Selbstmord einer jungen Frau, der in diesen Wochen vor dem Landgericht Braunschweig verhandelt wird. Aber wie kann sich ein vermeintliches Opfer wehren? Wo können betroffene Personen Hilfe bekommen?

Die Goslarsche Zeitung fragte nach bei Günter Koschig, pensionierter Kriminalbeamter und seit ungezählten Jahren Leiter der Weißer Ring – Außenstelle im Landkreis Goslar.

„Das A und O ist, dass das Opfer sich sichtbar macht“, betont er allen Überlegungen voran. „Sei stark, hol dir Hilfe!“, heißen die für ihn wichtigsten Schlagworte.

Hinter einem Stalker kann sich sowohl der Ex-Partner, ein Freund, Kollege oder Nachbar verbergen als auch ein völlig Unbekannter. Die Nachstellungen schränken nicht nur die Lebensqualität des Opfers und den Alltag ein, sondern sorgen für ein Gefühl der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins. Das Ziel des Stalkers ist es, Macht und Kontrolle über sein Opfer zu erlangen und den Alltag des Betroffenen zu dominieren. Hilfe holen, ist in einem ersten Schritt an verschiedenen Stellen möglich.

Macht- und Kontrollwunsch des Täters

In der Familie, bei Freunden oder auch bei Beratungsstellen wie dem „Weißen Ring“ oder der Polizei sollen sich Betroffene Hilfe suchen, so Koschig. „Informieren Sie Ihr Umfeld über die Situation. Und machen Sie dem Stalker eine klare Ansage: Raus aus meinem Leben!“ Wenn die Person das nicht „verstehen“ will, besteht die Möglichkeit, Anzeige zu erstatten. Dafür sei es aber wichtig, den genauen Verlauf (Telefonanrufe oder im Chat) darstellen zu können. Wann hat der Stalker den Kontakt gesucht? Wie lief das ab? Gab es bereits bedrohliche Situationen? „Ganz wichtig ist das Führen von einem Stalking-Tagebuch, um konkrete Aussahen bei der Beratungsstelle oder dem Anwalt machen zu können.“ Die „No Stalk“ App des Weißen Rings unterstützt dabei, aktiv und selbstbestimmt gegen Stalking vorzugehen.

„Mit der App werden die Verläufe in einer Cloud gespeichert. Das hat den Sinn, wenn der Täter das Handy stiehlt, gehen die Daten und Aufzeichnungen nicht verloren“, erklärt Koschig dazu. Die App ist kostenlos und gibt dem Opfer dazu weitere Verhaltenstipps.

Straftat seit 2007

Stalking ist seit 2007 eine Straftat und im Paragraf 238 (Nachstellung) des Strafgesetzbuchs verankert. Das war damals ein wichtiger Schritt, eine Strafverfolgung überhaupt möglich zu machen. Vorher habe es keine gesetzliche Handhabe gegeben, gegen solche, oft als „Belästigungen“ abgetane Situationen, juristisch vorgehen zu können.

Stalker sind sehr einfallsreich, um den Kontakt zu den Betroffenen zu halten, weiß Koschig. Dazu zählen zum Beispiel, häufige Telefonanrufe zu jeder Tages- und Nachtzeit, Auflauern vor der Wohnung, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit bis hin zu Drohungen, Beleidigungen und Sachbeschädigungen. Oder: Das Schicken von Blumen und Stofftieren. Die Palette der Möglichkeiten ist bunt.

Wichtig ist es, dem Betreffenden ganz deutlich zu sagen, dass man keinen Kontakt will! „Die Person hat ja einen Grund, dass sie jemanden verfolgt“, so Koschig. Hilfreich können auch Selbstbehauptungslehrgänge sein, um gar nicht erst „Opfersignale“ auszusenden. Oft reiche schon ein selbstsicheres Auftreten. Auch eine starke Stimme kann eine hilfreiche Waffe sein, so Koschig.

Unbedingt zu vermeiden sei, das „letzte (versöhnliche) Gespräch“ mit dem Stalker alleine zu führen, rät der pensionierte Kriminalbeamte. „Gerade bei Beziehungen stecken da viele Emotionen drin. Der eine Partner will sie beenden und der andere hofft auf einen positiven Wandel.“ In solchen Situationen können Gewalttaten entstehen, erinnert er sich an verschiedene, ihm bekannte Fälle.

„Das Opfer muss sich nach außen zeigen. Da ist das A und O“, wiederholt er. Wenn der Fall bekannt ist, gleicht das Vorgehen von den Hilfsorganisationen einer Treppe. Schritt für Schritt, die je nach Gefährdungslage können die Helfer vorgehen, bis hin zu polizeilichen Anordnung und der Unterbringung des Opfers an sicheren Orten, beispielsweise in einem Frauenhaus. Die Möglichkeiten sind vielfältig.

Rund 20 Fälle im Jahr

Beim Weißen Ring im Landkreis Goslar werden durchschnittlich 20 Stalking-Fälle im Jahr angezeigt, weiß Koschig. Überraschend: Nicht alle Stalking-Opfer sind Frauen.

So oder so: Bei einer akuten Bedrohung ist immer die 110 zu wählen. „Die Polizei wird alles Erforderliche tun, um Sie zu schützen.“

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