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Schadensersatzklage wegen Kattenberg

Stadt Goslar will nicht gegen Ex-Oberbürgermeister Junk klagen

Der Cattenberg-Park auf dem Kattenberg.

Der Cattenberg-Park auf dem Kattenberg. Foto: Heine

Soll Goslars ehemaliger Oberbürgermeister Oliver Junk auf Schadensersatz verklagt werden? Über einen möglichen Prozess wegen Unregelmäßigkeiten beim Grundstücksverkauf am Kattenberg sprach der Goslarer Finanzausschuss.

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Von Petra Hartmann
Mittwoch, 18.09.2024, 19:45 Uhr

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Goslar. Soll Goslar im Fall „Kattenberg II“ gegen den ehemaligen Oberbürgermeister Prof. Oliver Junk klagen? Die Verwaltung sagt: Nein. Die Politik fordert mehr Information. Nun hat der Erste Stadtrat Dirk Becker zugesagt, dass die Stadtratsmitglieder das bisher unter Verschluss gehaltene Anwaltsgutachten zu möglichen Schadensersatzforderungen lesen dürfen.

Im Finanzausschuss hatte die Stadtverwaltung am Dienstagabend dafür plädiert, Junk nicht auf Schadensersatz zu verklagen. Laut Vorlage der Verwaltung zur Ausschusssitzung wolle man keinen Schadensersatzanspruch gemäß Paragraf 48 Beamtenstatusgesetz geltend machen, „da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind“.

Die Stadt wolle keine „verjährungshemmenden Maßnahmen“ gegen Junk ergreifen, erklärte Becker. Sie stützt sich dabei auf ein Gutachten der Braunschweiger Rechtsanwaltskanzlei Appelhagen. Die Frist für eine Klage läuft zum 31. Dezember dieses Jahres aus.

Stadt: „Nachweis unmöglich“

Ja, Pflichtverletzungen durch den Oberbürgermeister habe es gegeben. Und: Ja, es habe einen Schaden in der Vermögenslage der Stadt gegeben, heißt es in der Stellungnahme der Verwaltung. „Es sind jedoch keine sicheren Feststellungen möglich, wie sich die Vermögenslage der Stadt dargestellt hätte, wären die Dienstpflichtverletzungen unterblieben. Ob die finanzielle Mehrbelastung ohne die Pflichtverletzungen geringer ausgefallen wäre oder hätte vollständig vermieden werden können, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.“ Fazit: Es fehle an der „erforderlichen Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden“, schreibt die Verwaltung. „Konkrete Feststellungen zur Schadenshöhe sind aufgrund verschiedener möglicher Kausalverläufe ebenso nicht verlässlich möglich.“

Becker stellte jedoch auch klar, dass es möglicherweise Unterschiede in der juristischen und der politischen Entscheidung gebe.

Rehse: „Entsetzt über Vorlage der Verwaltung“

„Sie trauen uns schon zu, dass wir zwischen politischen und juristischen Tatsachen unterscheiden können“, merkte Christian Rehse (FDP) daraufhin an. Er sei „entsetzt über die Vorlage der Verwaltung“. Vor allem forderte der Liberale Auskünfte zum Verfahren. Er legte einen Katalog mit neun Fragen an die Verwaltung vor. Unter anderem wollte er wissen, ob die finanziellen Mehrbelastungen von 1,23 Millionen Euro zum Grundstückskaufvertrag vom 8. März 2018, von denen die Verwaltung ausgehe, etwa kein Schaden seien und ob die Verwaltung denke, dass die „Investoren ein nachgebessertes Angebot abgegeben hätten, wenn diesen die Änderung der Ausschreibungsbedingungen bekannt gewesen wäre“. Ferner wollte er wissen, ob die Verwaltung Akteneinsicht zu den Verfahren gegen Junk beantragt habe und ob für diesen eine Vermögensschadensversicherung abgeschlossen worden sei.

Herausgabe der Unterlagen gefordert

Rehse stellte klar: „Die Ratsmitglieder können sich ohne die Beantwortung der Fragen und der Vorlage der schriftlichen Ausarbeitung der Kanzlei Appelhagen kein abschließendes Urteil bilden.“ Daher forderte er die Herausgabe der Unterlagen. Mit größerem Erfolg, als er offenbar selbst erwartet hatte: Er hatte nur gefordert, dass stellvertretend für die FDP sein Ratskollege Rechtsanwalt Stephan Kahl das Gutachten anschauen dürfe. Doch Becker versprach, das Papier allen Stadtratsmitgliedern zukommen zu lassen. Es sei ein „außerordentlicher Vorgang“, da sei das Vorgehen gerechtfertigt.

Für die Linken sprach sich allerdings bereits Michael Ohse gegen eine Klage aus. Er rechne mit Kosten in Höhe von 100.000 Euro für das Verfahren, berechnet für zwei Instanzen. Denn er geht davon aus, dass der Unterlegene in jedem Fall Rechtsmittel einlegen werde. „Man muss es auch der Bevölkerung erklären können“, sagte Ohse.

Gerichtskosten: Rund 130.000 Euro

Die Verwaltung geht davon aus, dass die Kosten für einen solchen Prozess in der ersten Instanz bei 60.000 Euro liegen und in der zweiten Instanz bei 70.000 Euro, wie Claudia Gimpel, Fachdienstleitung Recht bei der Stadt Goslar, prognostizierte.

Bei dem strittigen Grundstücksverkauf am Kattenberg sollte ursprünglich der Käufer das Risiko für eine notwendige Sanierung tragen. Hierauf hatten die Klosterkammer Hannover sowie das Goslarer Duo Folkert Bruns und Hans-Joachim Tessner Interesse angemeldet. Das Gebot der Klosterkammer war höher. Erst während der Verhandlungen wechselte dann das Risiko zur Stadt Goslar, und nach Abschluss des Kaufvertrages stiegen die Kosten.

Das Innenministerium sah später beim Kattenberg-Verkauf drei Pflichtverletzungen Junks: Zum einen wurde ihm vorgeworfen, dass ein Schreiben des anderen Bieters in der Akte fehlte, zweitens sei eine geforderte „Eilentscheidung“ über den Verkauf nicht so eilig gewesen, der Rat hätte sie auch später fällen können. Drittens fehlten Grundsatz- und Projektfeststellungsbeschluss.

Dass das Schreiben nicht in die Akte aufgenommen wurde, ist disziplinarrechtlich verjährt. Die Frist für Schadenersatzansprüche endet am 31. Dezember 2024.

Über das weitere Vorgehen und eine mögliche Klage gegen Junk entscheidet nun der Stadtrat – nach Einsicht in das Rechtsgutachten. Er tagt am Dienstag, 1. Oktober, ab 17 Uhr in der Ratsdiele.

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