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„Kitas im Blick“

Beim SPD-Dialog in Goslar geht es um Personal und Gesetzesreformen

Blumen für die Rednerinnen: Corinna Lange (v. l.) Donata Prietz und Renate Lucksch nach dem Kita-Dialog.

Blumen für die Rednerinnen: Corinna Lange (v. l.) Donata Prietz und Renate Lucksch nach dem Kita-Dialog. Foto: Schlimme

Diskussionsbedarf und Enttäuschung wurden beim SPD-Dialog „Kitas im Blick“ deutlich. Renate Lucksch und Corinna Lange liefern mit ihren Vorträgen die Basis. Es geht um die Personalsituation und fehlende Anerkennung in der Gesellschaft.

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Von Hanna Schlimme
Sonntag, 22.09.2024, 18:00 Uhr

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Goslar. Personalmangel in den Kitas und die Wertschätzung des Erzieher-Berufs: Darum geht es beim SPD-Dialog „Kitas im Blick“ in den Goslarschen Höfen.

Eröffnet wird die Veranstaltung, zu der rund 15 Teilnehmer erscheinen, von Partei-Vize Donata Prietz. „Das Thema bewegt deutschlandweit, der Bildungsauftrag kann nicht vollständig erfüllt werden und darüber muss gesprochen werden“, erklärt sie. Zwei Rednerinnen sind anwesend: Corinna Lange, Sprecherin der SPD-Landtags-Fraktion für frühkindliche Bildung und Renate Lucksch, die seit knapp 30 Jahren den Vorsitz des Goslarer Ausschusses für Bildung, Familie und Soziales innehat.

Zwei Perspektiven

„Als dreifache Mutter und gelernte Erzieherin kenne ich beide Perspektiven“, eröffnet Lange ihren Vortrag. Sie spricht über die Situation, die politischen Pläne und ihre Wünsche. Die Situation sei klar: „Die Mitarbeiter sind überlastet, es gibt eine hohe Fluktuation und einen Krankenstand von rund 30 Tagen im Jahr“, erklärt sie. Die politischen Pläne drehen sich um neue Kita-Gesetze, die seit 1. August gelten und die Personalnot lindern sollen. Weiterhin gewähre das Land Niedersachsen den Kita-Trägern besondere Finanzhilfen für Teilzeitausbildungen. „Hier fehlt die Kommunikation, viele Kommunen wissen gar nicht, dass es Finanzhilfen gibt“, erklärt Lange. Für das Jahr 2026 sei eine weitere Reform geplant. Lange wünscht sich einen Abbau von Barrieren, beispielsweise bei zu wenig Anmeldungen für eine Gruppe, die Ausweitung der praxisorientierten Ausbildung und ein zügigeres Anerkennungsverfahren für ausländische Abschlüsse.

30 Jahre Erfahrung

„Ich bin der Old-Star, aber ich kann mir trotzdem etwas wünschen“, erklärt Lucksch zu Beginn ihres Vortrags. „Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft.“ Für ihre Arbeit würden Erzieher aber weder die richtige Anerkennung, noch die richtige Bezahlung bekommen. Lucksch gibt einen Rückblick über die Entwicklung in den letzten 30 Jahren. „Wir sind in Goslar immer vor der Welle gewesen.“ Im Jahr 1996 gab es nur eine Krippe und acht Kitas, keine davon in städtischer Trägerschaft. Das habe selbstverständlich nicht gereicht. Im Vergleich dazu gibt es heute neun städtische Kitas und fünfzehn Kitas in freier und sonstiger Trägerschaft. Dazu kommen acht Krippen und zehn Horte. „Da ist viel passiert, das ist eine beachtliche Leistung“, findet Lucksch. Dabei habe stets die Qualität der frühkindlichen Bildung im Vordergrund gestanden. Eine neue Herausforderung: „Bei einigen Gruppen mit 25 Kindern gibt es einen Migrationshintergrund von bis zu 90 Prozent, es braucht Übersetzer für Elterngespräche und die Gemeinschaft zwischen den Eltern muss wiederhergestellt werden, einen normalen Elternabend gibt es nicht mehr.“ Abschließend ist für Lucksch klar: „Es ist noch viel zu tun.“

Fehlende Anerkennung

Aus dem Goslarer Finanzausschuss kommt SPD-Ratsherr Jens Kloppenburg zu der Veranstaltung und greift ein weiteres Problem auf: „Der Bund lässt uns alleine, was die Finanzen angeht“. Lange erwidert, dass dies ein deutschlandweites Problem sei und ebenfalls mit der Reform 2026 geregelt werden soll. Lucksch erklärt, dass Goslar auch hier vor der Welle sei und eine halbe Million Euro für Vertretungskräfte investieren wolle. Über den Antrag wird in der nächsten Ratssitzung abgestimmt. Auch das sei nur durch 30 Jahre harte Arbeit möglich, erklärt sie.

Die seit August geltende Reform regt auch Andreas Dlugos, Geschäftsführer des Probstei-Kita-Verbandes Goslar, zum Nachdenken an. Durch die mögliche Einsetzung nicht hoch qualifizierter Kräfte befürchtet er einen Qualitätsverlust. Lisa Lüke, SPD-Mitglied im Goslarer Sozialausschuss und der Jugendhilfe, schildert ihre Perspektive als Mutter: „Mir ist es erstmal egal, welche Ausbildung die Person auf dem Papier stehen hat, der Umgang mit den Kindern ist viel wichtiger“.

Eine der anwesenden Erzieherinnen meldet sich zu Wort: „Da die SPD Mitverursacher für die Reform ist, dachte ich, ich höre mir das einfach mal an. Ich bin seit 2010 in der Kita und total entsetzt. Wir kämpfen jeden Tag für die Kinder.“ „Wir mussten mit Verdi zusammen einen Mittelweg finden, ich bin auch nicht stolz darauf“, verteidigt sich Lange.„Ich bin angefasst, wenn sie sagen, Sie sind enttäuscht“, erwidert Lucksch. Die Erzieherin wünscht sich vor allem mehr Anerkennung für ihren „wirklich schönen Beruf“. „Wir versuchen nur durch den Tag zu kommen und müssen sogar die Hauswirtschaftskraft vertreten“, erklärt sie.

Einen Lichtblick liefert die Nachwuchssituation in Goslar. „Wir haben zwei volle Klassen in der Berufsschule“, freut sich Lucksch. Eine weitere Erzieherin fordert eine bessere Kommunikation zwischen Berufsschule und Kitas: „Die Lehrer haben oft gar keine Ahnung, was in der Praxis abgeht.“

Am Ende ist klar: Die Wertschätzung des Kita-Personals in der Gesellschaft soll verbessert werden. „Wir reden hier über die wichtigsten drei Jahre des Lebens und die Zukunft unserer Gesellschaft“, schließt Prietz den Dialog.

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