Bad Harzburger GZ-Kolumnistin besucht Kolumnen-Seminar

Harald Martenstein bespricht mit Sonja Weber das Ergebnis ihres Brainstormings. Foto: Weber
Die GZ-Kolumnistin Sonja Weber hat einen dreitägigen Workshop von Autor, Journalist und Kolumnist Harald Martenstein in Wolfenbüttel besucht. Was lernte sie an dem Wochenende mit ihrem Kolumnen-Idol?
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Bad Harzburg. Die GZ-Kolumnistin und Bücher-Heimat-Leiterin Sonja Weber hat an einem Seminar-Wochenende mit ihrem Kolumnen-Idol Harald Martenstein in Wolfenbüttel teilgenommen. Nun schildert sie ihre Erlebnisse:
Mein Mann hat mir Arbeit geschenkt. Ich finde das gut. Christine Eichel schreibt in ihrer neuen Biografie „Clara“ über Clara und Robert Schumann: „Früher hat er ihr Kompositionen gewidmet, jetzt schenkt er ihr ein Kochbuch“. Das würde bei uns nicht vorkommen, ich hätte Clara einen Mann wie meinen gewünscht. Der hat mich nämlich mit einem dreitägigen Kolumnen-Workshop bei Harald Martenstein, Autor, Journalist und Kolumnist bei der Zeit und im Zeit-Magazin, überrascht. Womit nun auch die Frage aus meiner Kolumne vom 22. August gelöst wäre, warum ich sein Kapitel über das Schreiben so oft gelesen habe.
Workshop in der Bundesakademie
Ich war nicht nur hocherfreut über die Aussicht auf dieses Seminar, sondern auch etwas aufgeregt. Drei Tage mit meinem persönlichen Kolumnen-Idol, das ist wie Fußballtraining bei Julian Nagelsmann. Aber letzte Woche hatte das Warten ein Ende. Wir hatten Freitag, den 13. und ich das Glück, an die Bundesakademie für Kulturelle Bildung nach Wolfenbüttel zu fahren. Wir elf Teilnehmerinnen und Teilnehmer schienen alle gleich gespannt zu sein, auf den Starkolumnisten ebenso wie aufeinander.
Harald Martenstein und Dr. Olaf Kutzmutz, seit 25 Jahren der Programmleiter Literatur im Haus der Bundesakademie in Wolfenbüttel, erwarteten uns. Wir hatten 16 Stunden Arbeitseinheiten an diesem Wochenende vor uns, also keine Zeit zu verlieren. Um 15.15 Uhr waren wir alle per Du, um 15.30 Uhr diskutierten wir schon über Buchstaben, Sätze und Themen, um 18 Uhr rauchten ersten Köpfe und um 21 Uhr wussten alle: Benutze kein Wort, von dem du nicht erklären kannst, warum du es überhaupt und genau an dieser Stelle benutzt.
„Ganz einfach, wenn man’s kann“
Am nächsten Tag ging es morgens konzentriert weiter. Ich hatte inzwischen ein halbes Schreibheft voll mit Notizen, von denen ich hoffte (und immer noch hoffe) jede einzelne parat zu haben, wenn es wichtig ist. Mein Puls ging ein bisschen schneller, denn es war so weit: Ich würde meine im Vorfeld verfasste Kolumne vorlesen. Das war Hausaufgabe gewesen. Alphabetisch geheftet hatten wir sie vorletzte Woche per Post zum vorherigen Durcharbeiten bekommen. Da mein Nachname mit W beginnt, war ich als Letzte an der Reihe, besprochen und „seziert“ zu werden. Wenn das durch einen über Jahrzehnte deutschlandweit bekannten Kolumnisten und einen Journalisten mit einem Doktortitel in Germanistik geschieht, kann man da schon mal aufgeregt sein, feuchte Hände und Tunnelblick bekommen.
Aber dafür waren wir da, an eigenen Texten zu lernen, wie es geht. Nicht umsonst hieß das Seminar „Ganz einfach, wenn man's kann“. Nun entspricht ein in Ruhe verfasster und vielleicht mehrfach gegengelesener Text nicht dem journalistischen Alltag. Da herrscht Zeit- und Themendruck. Es war toll zu erleben, wie zwei erfahrene Journalisten uns Ideen entlockten, um zu Themen wie „Samstag“, „Kartenspiel“, „Brille“ oder „Fußpilz“ eine Kolumne zu verfassen.
Wir hatten zwei Stunden Zeit und versuchten abzurufen, was wir in den letzten Stunden gelernt hatten: Ehrlich und authentisch sein, eine Überraschung parat haben, die zweite Ebene nicht vergessen, Partizipien sind keine geschützte Spezies und können weg, keinen Bull-Shit, nicht Klugscheißen, keine Floskeln und den eigenen Sound nicht vergessen. Ob das gelungen war, erfuhren wir dann an Tag drei.
Abschluss mit Ausblick
Der vorherige Abend, an dem wir alle nach dem Schreiben die Lesung von Martenstein besucht und uns natürlich noch auf ein Getränk mit ihm in der Lobby des Gästehauses der Akademie, der Schünemannschen Mühle in Wolfenbüttel festgeredet hatten, zeigte am nächsten Morgen Spuren. Außerdem waren wohl noch Nachtschichten eingelegt worden.
Trotzdem fanden wir uns nach ein paar Kaffees pünktlich und konzentriert im Seminarraum ein. Dem atmosphärischen Saal der Schünemannschen Mühle. Ein angenehmer Ort zum Arbeiten. Der Blick geht ins Grüne und darunter fließt das Wasser der Oker durch den großen Kanal. Harald und Olaf gingen mit uns die Texte durch. Wir kürzten, strichen, suchten die zweiten Ebenen und freuten uns über das, was gelungen war. Die Tatsache, dass unsere zwei Seminarleiter, die Profis hier, die das nun zum neunten Mal zusammen machten, auch nicht immer einer Meinung waren, und die Versicherung von Seiten Harald Martensteins, dass auch er, der an die 120 Kolumnen im Jahr schreibt, „nur mit Wasser kocht“, tröstete.
Was habe ich aus diesem intensiven Wochenende mitgenommen und hat es sich gelohnt, Zeit und Geld dafür zu opfern? Ja, auf jeden Fall und ich würde es wieder tun. Mitgenommen habe ich einen „Werkzeugkasten“, den ich nun in Teilen noch zu benutzen lernen muss und ein paar Tüten. Nein, keine Joints, so weit kam es nicht, sondern Tüten mit Adjektiven, Nomen, Formulierungen und Partizipien, die ich gestrichen, aber noch nicht entsorgt habe. Wahrscheinlich werden meine Kinder sie finden, wenn sie meinen Nachlass durchschauen und sich fragen: Brauchen wir die noch oder können die weg?