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Blick auf die Wiedervereinigung

Ein Holländer erforscht Harzer Befindlichkeiten in Ost und West

Der Niederländer Johan Zoutberg erläutert im Verlagsgebäude der Goslarschen Zeitung das Ost-West-Thema seiner Doktorarbeit, für die er im Harz recherchiert.

Der Niederländer Johan Zoutberg erläutert im Verlagsgebäude der Goslarschen Zeitung das Ost-West-Thema seiner Doktorarbeit, für die er im Harz recherchiert. Foto: Stade

Der Niederländer Johan Zoutberg (71) recherchiert derzeit im Harz, um seine Doktorarbeit vorzubereiten. Darin geht er der Frage nach, ob die Harzer nach der Wiedervereinigung eine gemeinsame Identität verbindet.

Von Oliver Stade Montag, 26.08.2024, 04:00 Uhr

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Harz. Mit seinem Buch „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ hat der Leipziger Germanist und Literaturprofessor Dirk Oschmann 2023 eine bundesweite Diskussion angestoßen, die noch immer anhält. „Der Westen“ begreife sich immer noch als Norm und blicke auf den unterrepräsentierten Osten wie auf einen unverstandenen Verwandten. Der Niederländer Johan Zoutberg kennt das Buch, er recherchiert zur Zeit im Harz, um soziale und kulturelle Unterschiede zwischen Ost und West aufzuspüren.

Zoutberg lebt in Amsterdam, ist 71 Jahre alt und studiert Geschichte. Als er noch im Berufsleben stand, arbeitete er zuletzt als Krankenhausmanager, zuvor veranstaltete er außerdem Reisen nach China und war als Sozialarbeiter tätig. Mit seiner umfangreichen Recherche im Harz bereitet Zoutberg seine Doktorarbeit vor. Er will herausfinden, ob es zwischen den Menschen im Harz mehr Trennendes als Gemeinsames gibt, ob Unterschiede zwischen dem Ost- und Westharz existieren und worin sie bestehen. Das Mittelgebirge betrachtet er für seine wissenschaftliche Arbeit wie eine Miniatur für das wiedervereinigte Deutschland.

Viele Gespräche

Im Mai wandte sich Zoutberg das erste Mal an die Goslarsche Zeitung, um mit einem Redakteur über die Wende, die Zeit danach und über das Zusammenwachsen im Harz zu sprechen. Am Donnerstag war er wieder zu Besuch, um über deutsch-deutsche Befindlichkeiten zu sprechen und Leserbriefe aus der Zeit der Wende zu studieren. Ihn interessiert „Geschichte von unten“: Er will herausfinden, was die Menschen nach dem Fall der Mauer dachten und wie sie die Wiedervereinigung heute sehen.

Mittlerweile hat er auch die „Volksstimme“ in Wernigerode besucht und sich mit Redaktionsleiter Ingo Kugenbuch unterhalten. Er hat außerdem mit Bad Harzburgs Bürgermeister Ralf Abrahms über die Wiedervereinigung gesprochen, mit Frank Müller, dem Leiter des DDR-Museums Thale, mit der aus Sachsen-Anhalt stammenden und in Bad Harzburg arbeitenden Buchautorin und Buchhändlerin Lena Scholz sowie mit dem ehemaligen GZ-Redakteur Werner Beckmann.

Ein Entwurf für seine Arbeit, die er in diesem Jahr an seiner Universität einreichen will, steht bereits. Darin schreibt er über seine Ausgangsfrage: „Gibt es einen spürbaren Unterschied zwischen Harzer Bürgern mit einer neoliberalen Sozialisation und Harzer Bürgern mit einer sozialistischen Bildung. Womit identifiziert man sich jetzt als Bürger der Harzregion?“

Gibt es Vorurteile?

Im Gespräch stellt Johan Zoutberg große Zusammenhänge her, spricht vom aufkeimenden Populismus und wachsenden rechtsnationalen Kräften in mehreren Ländern Europas. Vor diesem Hintergrund will er herausfinden, ob diese Entwicklung ihre Wurzeln in der kulturellen und politischen Sozialisation der Menschen hat. Am Ende könnte er vielleicht eine Antwort auf die These Oschmanns geben, ob der Blick der Westdeutschen auf Ostdeutschland tatsächlich von Vorurteilen und Klischees geprägt ist oder ob die Entfremdung gar nicht so groß ist wie vielfach behauptet. Zoutberg würde dann sagen, die Harzer hätten „eine Idee über eine gemeinsame Identität“.

Johan Zoutberg nimmt für seine wissenschaftliche Arbeit gerne Eindrücke und Erlebnisse von weiteren Harzern auf. Er ist per E-Mail erreichbar: johanzoutberg@gmail.com.

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