Liebenburger nehmen am D-Day-Gedenken in der Normandie teil

Die als Dolmetscherin tätige Französischlehrerin Inken Sofie Schmidt und Bürgermeister Alf Hesse schreiten in St. Aubin zur Kranzniederlegung. Foto: Privat
An den Gedenkfeierlichkeiten zum 80. Jahrestag des D-Days, dem Tag der Landung der Alliierten während des Zweiten Weltkriegs in der Normandie, nimmt auch eine Delegation aus dem Vorharz teil. Teils ergreifende Szenen spielen sich dabei ab.
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Liebenburg/St. Aubin. Liebenburgs Partnergemeinde St. Aubin sur Mer liegt in der Normandie – wie der Namenszusatz schon verrät auch direkt am Meer. Genauer gesagt an einem Abschnitt, an dem am 6. Juni vor 80 Jahren im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) die alliierte Truppen anlandeten. Jahr für Jahr wird an die blutigen Kämpfe zur Befreiung Europas von den Nationalsozialisten gedacht. Auch dieses Mal wieder – mit Beteiligung aus dem Landkreis Goslar.

Liebenburgs Bürgermeister Alf Hesse (li.) spricht auf der zentralen Gedenkveranstaltung zum D-Day in St. Aubin. Foto: Privat
„Die Teilnahme ab diesem Jahrestag ist eine Kooperation von Ratsgymnasium Goslar, Schule am Schloss, Liebenburger Gemeindejugendpflege und dem Liebenburger Förderverein St. Aubin“, berichtet Bürgermeister Alf Hesse. Neben dem Verwaltungschef gehören Gemeindejugendpfleger Gerold König, die Französischlehrerinnen Inken Sofie Schmidt (RG) und Désirée Widlowski (Oberschule), die beide als Dolmetscherinnen im Einsatz sind, plus jeweils fünf Schüler von RG und Schule am Schloss sowie Heike Rühling als Vorsitzende des Fördervereins zur Delegation. Untergebracht sind sie in Familien.
Viele Zeugnisse schwerer Kämpfe
„Am 6. Juni, dem Jahrestag der Landung, gab es alleine in St. Aubin drei Kranzniederlegungen. Wir waren Teil der Hauptveranstaltung“, so Hesse. Seine Rede hielt er auf Englisch, Inken Schmidt übersetzte ins Französische. „Noch heute zeugen Geschütze, Panzer, Betonbunker, Artilleriestellungen und Mulberry-Häfen, vor allem aber Tausende von Kriegsgräbern von den damaligen schweren Kämpfen. Sie alle sind Mahnung und Auftrag zugleich an uns Europäer, mit allen Kräften für den Erhalt des Friedens und des gutnachbarschaftlichen Zusammenlebens aller

Zahlreiche Kränze liegen am Gedenkstein auf der Promenade. Foto: Privat
Vor allem, weil wieder ein Krieg in Europa tobe, Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine „und unsere freundschaftliche und demokratische Gemeinschaft der Europäischen Union bedroht. Es ist bedrückend, das heute erleben zu müssen, sich fragen zu müssen, warum es Menschen gibt, die aus der Vergangenheit nichts gelernt haben, die Diktatoren unterstützen, die unzählige Menschenleben opfern für ihre nationalen Interessen, die Elend, Leid, Not und Tod über unschuldige Menschen bringen.“ Sein Appell: „Wir dürfen unsere Freundschaft und Partnerschaft von diesen Menschen nicht entzweien lassen.“
Anschließend schritten Hesse und Schmidt an der Spitze der Liebenburger zur Kranzniederlegung. „Was sehr bewegend war: Im Anschluss stellten wir uns in eine Reihe mit den Fahnenträger, standen still – und das erste Lied, was nach Abschluss der Kranzniederlegungen gespielt wird, ist die deutsche Nationalhymne. Ausgerechnet die Hymne des Landes, dass das Leid damals über Europa gebracht hatte. Mir kullerten vor Ehrfurcht die Tränen über die Wange“, erzählt er ergriffen danach.
„Auch da kullerten die Tränen“
Es war zu diesem Zeitpunkt schon das zweite Mal, dass Hesse feuchte Augen bekam. Denn in der ersten Reihe des Publikums, das die Kranzniederlegung beobachtete, saß ein alter Franzose. „Nachdem wir unseren Kranz abgelegt hatten, sprang der als Erster auf und applaudierte. Auch da kullerten Tränen.“

Zwei Jugendliche der Delegation aus dem Landkreis Goslar schreiten mit Liebenburgs Gemeindejugendpfleger Gerold König zur Kranzniederlegung. Foto: Privat
Am Freitag ging es dann vorbei an Militärcamps von Reenactement-Darstellern, also Menschen, die für den Moment Originalgetreu in der Zeit des Zweiten Weltkriegs leben, zum British Memorial of Normandy. Spitfire und Messerschmidts – Kampfflugzeuge des Zweiten Weltkriegs – donnerten hin und wieder über die Köpfe. „Das Memorial ist vor einigen Jahren zu Ehren eines Thronjubiläums von Elizabeth II. errichtet worden. Gänge führen durch die Säulen, an denen Namen und Alter der gefallenen britischen Soldaten stehen“, erzählt Hesse.
Auch dort eine ergreifende Szene, als die Jugendlichen auf einen Kriegsveteranen treffen, der im Rollstuhl sitzt – auf der Allee zu dem Memorial vor einem der Gedenksteine, auf denen wie in einem Tagebuch die Geschichte der Schlacht wiedergegeben wird. Am Nachmittag dann noch ein Besuch des größten amerikanischen Soldatenfriedhofs am Omaha-Beach – dort tobten damals die schwersten Kämpfe.

Auf dem Weg zu einer der zahlreichen Gedenkstätten kommt die Delegation aus dem Vorharz auch mit einem Kriegsveteranen ins Gespräch. Foto: Privat
Am Samstag geht es dann nach Cean. „In der Stadt können die Jugendlichen etwas Freizeit genießen – das ist auch nötig“, sagt Hesse und erklärt: „Sie haben dann zwei Tage schwere Kost hinter sich, das merkt man ihnen an.“
Ein Aufenthalt der anderen Art
Nicht nur wegen des Programms: „Unser Aufenthalt unterscheidet sich deutlich von denen im Rahmen der Jumelage“, erzählt Hesse am Telefon. Denn nicht nur die Liebenburger sind vor Ort. St. Aubin hat auch zwei weitere Partnerstädte: Emsworth, eine Stadt in England direkt gegenüber auf der anderen Seite des Ärmelkanals, sowie Bathurst, das liegt in New Brunswick/Kanada. Kanadische Soldaten waren es beim D-Day 1944, die bei St. Aubin an Land gingen. „Aus Bathurst kam zwar nur ein Offizieller zum Gedenken, aber dafür schickte die Stadt 270 Jugendliche plus Betreuer nach Frankreich“, verdeutlicht Hesse mit einer Zahl, was alleine in dem kleinen Küstenort los ist. Laut Medienberichten soll es zum 80. D-Day-Jahrestag das größte Gedenken aller Zeiten in der Normandie geben.
Am Sonntag steht dann die Rückreise auf dem Programm. Hesses Dank gilt den Schulleitungen, die den Schülerinnen und Schülern sowie den beiden Lehrerinnen die Unterrichtsbefreiung ermöglicht haben.