Goslar: Wo die Stadtbusse bald neu und wo bald nicht mehr hinfahren

„Dreh- und Angelpunkt für alles“: Der Bahnhof ist laut Stadtbus-Chefin Anne Sagner das zentrale Puzzlestück. Foto: Epping
Seit Anfang des Jahres arbeitet die Stadtbus GmbH mit Beteiligung von Ratspolitik und Bürgern am neuen Fahrplan, der Mitte Dezember 2025 in Kraft treten soll. Chefin Anne Sagner hebt feste Takte mit dem Bahnhof als „Dreh- und Angelpunkt“ hervor.
Für nur 0,99 € alle Artikel auf goslarsche.de lesen
und im ersten Monat 9,00 € sparen!
Jetzt sichern!
Goslar. Wenn alles klappt wie erhofft, sind die Busse ab Mitte Dezember 2025 in Goslar hocheffizient, trotzdem früher am Morgen und später am Abend auf neuen Routen unterwegs. Mit viel mehr und weit zufriedeneren Fahrgästen auf den Sitzen hinten und Fahrern am Steuer vorn, die ihre Expertise ebenfalls in einen langen Prozess eingebracht haben, der sich sperrig Liniennetzoptimierung nennt und Mitte Januar 2024 mit einem ersten Politik-Workshop gestartet ist. Zur Halbzeit und nach Vorstellung des neuen Konzepts in den ersten Gremien ist Stadtbus-Chefin Anne Sagner jedenfalls angetan von einer Quote, die über 60 Prozent liegt und die Wünsche und Anregungen meint, die Bürger selbst eingebracht haben und die realistisch in Regie des Unternehmens erfüllt werden können.
Gemeinsam mit der Heidelberger NBSW-Nahverkehrsberatung hat die Stadt-Tochter ihr Liniennetz komplett auf den Prüfstand gestellt, Schwachstellen ausgemacht, Notwendigkeiten beschrieben und Wünsche eingearbeitet. Die Politik wurde eingebunden, die 38 eigenen Fahrer gehört, die Bürger mit einer Online-Befragung und einem Workshop beteiligt, der Fahrgast-Beirat informiert. Jetzt steht das Konzept, das ab Januar in den einzelnen Stadtteilen vorgestellt werden soll, dem Stadtwerke-Betriebsausschuss in seiner Endfassung zur Beschlussfassung vorgelegt werden soll und im Rat am 25. Februar auf der Tagesordnung steht.
Bahnhof als Schnittstelle
Was macht die neuen Pläne aus? „Dreh- und Angelpunkt für alles ist der Bahnhof“, erklärt Sagner, dessen Vorplatz nach dem Umbau inzwischen weit besser zu nutzen sei. Dort wird nach dem „Rendezvous-Prinzip“ verfahren. Das heißt: Alle Busse treffen sich im festen Takt und haben garantiert Anschluss untereinander, sowie zu und von den Regionalzügen sowie zu Harz-Bus mit kurzen Umsteigezeiten. Vorrangiges Ziel sei es, mit einheitlichen Linienführungen, sauberen Taktungen und verständlichen Fahrplänen die Nutzer zu überzeugen.

Unfallträchtig: Die Haltestelle direkt am Asklepios-Haupteingang soll wegfallen, das Waldhaus in Oker nicht mehr vom Stadtbus bedient werden. Foto: Epping
Was heißt das im Detail für die Stadtteile? Für Goslars bevölkerungsreichsten Stadtteil Jürgenohl bedeutet der neue Fahrplan einen festen Viertelstunden-Takt auf einer einheitlichen Linie, im Halbstunden-Takt gibt es die Linie ab Stadtmitte über Siemensviertel mit dem Aquantic-Bad und Jürgenohl sogar umsteigefrei. Ein Pferdefuß in diesem Bereich ist allerdings, dass die Busse künftig nicht mehr direkt den Haupteingang der Harz-Kliniken anfahren. Ein Punkt, das gibt Sagner offen zu, der nicht überall und jeden überzeugt habe. Im Fahrgastbeirat habe es dafür etwa Kritik gegeben. Aber: „Um besser zu werden, muss man auch zu manchen Dingen nein sagen.“
Extrem viele Kleinunfälle
Warum an dieser Stelle? Was im Konzept mit „unangenehme Stichfahrt“ mit erheblichem Zeitverlust und ohne zusätzliche Erschließungswirkung beschrieben ist, meint auf gut Deutsch, dass in diesem engen Kreisel ständig Verspätungen hereingefahren werden und extrem viele Unfälle und Kollisionen mit kleinen Sachschäden an passieren, um eine Haltestelle auf privatem Grund zu erreichen, wie Sagner es beschreibt. Die Planer hielten es für zumutbar, das Krankenhaus über die Haltestelle Lilienthalstraße anzubinden, was einen rund 200 Meter langen Fußweg samt Straßenüberquerung bedeutete. Sagner deutet an, dass mit Asklepios demnächst noch Gespräche anstehen, um möglicherweise eine „komfortablere Wegführung“ zu erreichen.

Stärker einbinden: Der Marktkauf-Vollsortimenter an der Gutenbergstraße ist ein begehrtes Fahrziel. Foto: Epping
Mit dem neuen Fahrplan soll auch das Rammelsberger Welterbe mit seinen jährlich mehr als 100.000 Besuchern besser angebunden werden. An sieben Tagen in der Woche soll das Bergbaumuseum vom Bahnhof im Halbstunden-Takt angesteuert werden. Zusammen mit der Linie zum Siemensviertel ergibt sich daraus auch ein Viertelstunden-Takt zwischen Bahnhof und der Kaiserpfalz als zweitem Goslarer Besucher-Magneten. Als Einschränkung ist zu sehen, dass die Linie nur während der Öffnungszeiten des Rammelsbergs unterwegs ist – plus eine Schulfahrt morgens. Ansonsten steht für den Rammelsberg die Harz-Bus-Linie 830 bereit.
Neue Oker-Bereiche
In Oker setzt die Stadtbus GmbH auf das Zusammenspiel mit Harz-Bus. Parallelfahrten sollen vermieden und durch neue Haltestellen an Stadtstieg und Höhlenweg auch neue Wege erschlossen und potenziellen Nutzern bessere Angebote gemacht werden. Harz-Bus einbezogen, ergibt sich laut Sagner alle 20 Minuten eine Direktverbindung vom Bahnhof Goslar nach Oker. Der Stadtbus fährt im Stundentakt und orientiert sich am Knoten am Bahnhof und den Fahrzeiten des Hannover-Zuges, der am Okeraner Bahnhof nicht hält. Die Linie führt künftig auch über Sudmerberg und die Gutenbergstraße, wo der Marktkauf als großer Vollsortimenter zum Einkaufen lockt. Auch in Oker soll aber Verzicht geübt werden: Das Waldhaus und den Okertaler Brunnen fahren die Stadtbusse nicht mehr an. Harz-Bus verkehrt dort alle zwei Stunden.
Eine neue sogenannte Tangentiallinie führt im Stundentakt vom Okeraner Müllerkamp quer durch die ganze Stadt bis zur Carl-Zeiß-Straße in der Baßgeige-West mit ihren Einkaufsmärkten, Schnellrestaurants und dem Großkino Cineplex. Durch eine Kopplung mit der Linie Baßgeige-Ohlhof sind fast alle Ziele zwar mit einem entsprechenden Zeitaufwand, aber umsteigefrei zu erreichen, erläutert Sagner.
Ab in den Fliegerhorst
Ebenfalls im Stundentakt fährt eine Linie von Hahndorf zum Bahnhof, die den Fliegerhorst mit seinen Ärztehäusern und Nahversorgern direkt anbindet und eine frühere Schleife über den Nordberg auslässt. Durch eine Überlagerung mit der Tangentiallinie ist der Fliegerhorst sogar zweimal pro Stunde zu erreichen. Ohlhof wiederum erhält einen Halbstunden-Takt bis Stadtmitte, jede zweite Fahrt ist sogar umsteigefrei bis in die Baßgeige. In Goslar geht es stadtauswärts über den Achtermann und nicht mehr über den Jakobikirchhof. Auch diese Linie ist jetzt neu an die Gutenbergstraße angebunden und führt direkt zum Vollversorger. Der Nordberg wiederum soll eine eigene Linie zum und ab Bahnhof erhalten.

Nicht mehr so oft durch die Fußgängerzone: Die Haltestelle am Jakobikirchhof soll deutlich weniger angesteuert werden. Foto: Sowa
Stichwort Jakobikirchhof: Diese Route soll deutlich entlastet werden. Was nichts anderes heißt, als dass dort nicht mehr so viele Busse entlang fahren sollen. Laut Sagner sind die Busse auf den neuen Linien schneller und pünktlicher unterwegs, wenn sie nicht mehr so oft durch die Fußgängerzone fahren. Nachteil: Zum Awo-Sozialzentrum an der Bäringerstraße und zum Jakobikirchhof werden längere Fußwege zum Bahnhof beziehungsweise zum Achtermann erforderlich.
Abends und am Wochenende
Nicht unwichtig: Sagner sieht in den neuen Plänen einen erheblich verbesserten Abend- und Wochenendverkehr umgesetzt, bei dem Stadt- und Harz-Bus im Zusammenspiel am Morgen früher loslegen und abends noch länger unterwegs sind. Die letzten Busse etwa in Ohlhof und Jürgenohl kommen dort um 22.14 Uhr beziehungsweise 23.33 Uhr an. „Alles, was wir jetzt eingepreist haben, können wir mit Bordmitteln umsetzen“, sagt Sagner und meint Fahrkilometer und Finanzen. Fehlende Abendangebote waren übrigens mit 41 Prozent Nennungen der Hauptgrund, warum die Goslarer im Stadtgebiet nicht den Bus nutzen. Wenn weitere Wünsche bestehen, sei dies in der politischen Diskussion auszuhandeln. Diskussionsthemen sieht Sagner auch beim Betriebsbeginn am Samstag und der Frage, ab wann am Samstagnachmittag weniger gefahren werden kann.
Gespräche mit Eltern
Ein Blick noch auf den Schülerverkehr: Er „schwimmt“ so weit wie möglich im Taktverkehr mit, ist aber bei zirka 650 Nutzern, die, wie Sagner formuliert, „von überallher nach überallhin“ fahren, kein kleiner Brocken. Die Stadtbus GmbH hatte per Fragebogen alle Goslarer Schulen kontaktiert und dort Kapazitäten und Uhrzeiten erforscht. Ein Ergebnis ist, dass am neuen Schulzentrum Goldene Aue zwischen Busankunft und Unterrichtsbeginn beziehungsweise Schulende mehr Zeit als bisher eingeplant wird, weil die Wege weiter geworden sind. Insgesamt sollen nicht in die Linienstruktur passende Fahrten in einer eigenen Linie 808 zusammengefasst werden. Ein erster Entwurf ist laut Sagner fertiggestellt uns soll jetzt überprüft und mit den Elternräten in Stadt und Kreis fein abgestimmt werden – in Einzelfällen auch in Rückkopplung mit den Schulen. Sagner weiß, dass es „Juckepunkte“ geben wird. Letztlich ist es so wie meist: Für manche Schüler verkürzten sich die Zeiten zwischen Abfahrt zu Hause und Rückankunft, für andere würden sie länger. Insgesamt, meint Sagner, überwiegen aber die Verbesserungen.