Ungültige Wahl in Bad Gandersheim: Rat zweifelt Urteil an

Der Stadtrat Bad Gandersheim ist am Donnerstagabend auch auf den Zuschauersitzen gut besucht. In der Sitzung geht es um eine nicht alltägliche Frage: Das Gremium entschließt sich, gegen ein Urteil des Verwaltungsgericht Göttingen Berufung einzulegen. Foto: Kiehne
Der Stadtrat Bad Gandersheim hat sich an die Seite seiner Bürgermeisterin gestellt: Das Gremium will das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen überprüfen lassen. Die Göttinger Richter hatten die Bürgermeisterwahl 2021 für ungültig erklärt.
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Bad Gandersheim. Die Bad Gandersheimer Bürgermeisterin Franziska Schwarz (SPD) hat für ihre Berufungsklage im Streit um die für ungültig erklärte Bürgermeisterwahl vom September 2021 Rückendeckung bekommen. Der Stadtrat hat am Donnerstagabend mit zwölf gegen acht Stimmen entschieden, das Urteil überprüfen zu lassen.
Der Gang zum Oberverwaltungsgericht war vorgezeichnet, weil Schwarz ohnehin Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen von Ende Februar angekündigt hat. Der Streit um die Wahl wird nun auch mit dem mehrheitlichen Votum des Stadtrates vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschieden.
Hilfe vom Städtetag

Franziska Schwarz. Foto: GZ-Archiv
Der Hilfe liegt eine Entscheidung des Präsidiums zugrunde. Ausschlaggebend seien die Fragen gewesen, ob die Berufung aus Sicht des Städtetags Aussicht auf Erfolg hat und ob der Fall „Bedeutung für die übrigen Mitglieder“ aufweist.
Im Kern gehe es darum, was Amtsträger im Wahlkampf dürfen. Wittkop sagt: „Der Amtsbonus darf nicht zu einem Amtsmalus werden.“ Damit spielt er auf die Befürchtung an, das Göttinger Urteil könnte Rathauschefs künftig in ihren Möglichkeiten beschränken.
Wie berichtet, hat das Verwaltungsgericht Göttingen die von Franziska Schwarz gewonnene Bürgermeisterwahl für ungültig erklärt, weil sie ihre Neutralitätspflicht verletzt habe. Bei ihren Bürgerterminen „Gespräche über den Gartenzaun“ sei sie nicht offen als Privatperson und Wahlkämpferin in eigener Sache aufgetreten. Bei den Treffen, die in der Corona-Zeit 2020 entstanden, habe sie zudem über „erkennbar wahlkampfrelevante Themen“ gesprochen.
Nicht blicken lassen
Die Bürgermeisterin entgegnete, das Urteil führe dazu, dass sich Amtsinhaber „in den letzten sechs Wochen vor der Wahl draußen möglichst nicht blicken lassen sollten“.
Im Urteil des Verwaltungsgerichts heißt es indes ausdrücklich, „auch in Wahlkampfzeiten“ sei nicht „jede amtliche Kommunikation mit der Bevölkerung untersagt“. Die „Gespräche über den Gartenzaun“ bewertet das Gericht hingegen anders. Sie hätten „ohne jeden Anlass“ stattgefunden, seien aber offensichtlich wahlkampfrelevant“ gewesen. Die Bürgermeisterin habe in den Gesprächen zudem „den ihr als Amtsinhaberin zufallenden Wissensvorsprung“ genutzt. In der Wahlkampfphase hätten sich die Gartenzaun-Termine zudem „überproportional“ gehäuft. Das Gericht hält der Bürgermeisterin, die ihre Amtsgeschäfte aktuell weiterführt, „amtliche Wahlwerbung in eigener Sache“ vor.
Städtetag-Pressesprecher Stefan Wittkop bringt indes ein Argument ein, das der Bürgermeisterin helfen könnte. Er sagt, ein möglicher Verstoß allein reiche nicht aus, um eine Wahl für ungültig zu erklären. Dieser müsse vielmehr entscheidend für den Ausgang der Wahl gewesen sein. „Es muss auf diesen Verstoß angekommen sein“, betont er.
Wittkop verweist auf den Streit um die Wahl 2014 von Hauke Jagau zum Regionspräsidenten in Hannover. Moniert worden war seinerzeit eine „Wahlinformationskampagne“. Wittkop sagt, das zuständige Gericht habe die Anfechtung zurückgewiesen, weil sie nach Auffassung des Gerichts nicht entscheidend für den Ausgang gewesen sein.
Angefochten wurde die Wahl in Bad Gandersheim von einem ehemaligen CDU-Ratsmitglied. Die Abstimmung am Donnerstag über die Berufung erfolgte geheim. CDU-Stadträte hätten zuvor erklärt, gegen die Berufung zu stimmen, berichtet Carolin Zimmer, Pressesprecherin der Stadt.
Nicht das einzige Problem
Im Rat der 10.000-Einwohner-Stadt Bad Gandersheim hat die SPD acht Sitze und die CDU sechs, Grüne und „Die Unabhängigen verfügen jeweils über drei.
Bürgermeisterin Franziska Schwarz fehlte am Donnerstagabend in der Ratssitzung, sie ließ sich krankheitsbedingt entschuldigen. Die vom Verwaltungsgericht Göttingen für ungültig erklärte Bürgermeisterwahl ist derzeit nicht ihr einziges Problem.
Die Sozialdemokratin ist außerdem Aufsichtsratsvorsitzende der Landesgartenschau Bad Gandersheim. In dieser Woche war bekannt geworden, dass die Trägergesellschaft überraschend Insolvenz angemeldet hat. Dabei war, wie berichtet, nach dem Ende der Landesgartenschau Mitte Oktober 2023 noch eine schwarze Null in Aussicht gestellt worden.