So plant die Ampel das Bürgergeld

Langzeitarbeitslose bekommen künftig vom Jobcenter Bürgergeld statt Hartz IV. Foto: dpa
Hartz IV wird ersetzt. Was ändert sich 2023 für Leistungsempfänger des neuen Bürgergeldes? Wird der Regelsatz für Bezieher infolge des neuen Bürgergeldes erhöht? Werden die Sanktionen für Empfänger abgeschafft? Fragen über Fragen. Wir haben die Antworten.
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Das Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht: Das neue Bürgergeld soll „definitiv“ zum 1. Januar kommen. Mit dem Bürgergeld will die Ampelkoalition das bisherige Hartz-IV-System ersetzen. Über wichtige Punkte der neuen Hilfe für Langzeitarbeitslose gibt es trotz der baldigen Einführung allerdings noch keine Verständigung. Die FDP widerspricht in entscheidenden Punkten den Vorschlägen von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). FDP-Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel macht nun deutlich, worauf seine Partei bei der Reform den Schwerpunkt legen will.
So soll es funktionieren
Das Bürgergeld soll das bisherige Hartz-IV-System ablösen. Ein Kernpunkt der Reform ist, dass Sanktionen gegen Bezieher der Leistung erst nach einer sechsmonatigen Vertrauenszeit verhängt werden können, wenn diese ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Auch danach sollen die Auflagen weniger streng sein als bisher. Heil will zudem die Regelsätze erhöhen und dafür auch die Berechnungsgrundlage ändern, um angesichts der rasanten Preissteigerungen die Auswirkungen der Inflation einzubeziehen. Zudem sollen Arbeitslose mehr Vermögen behalten dürfen, wenn sie Sozialleistungen in Anspruch nehmen.
Knackpunkt
Die Grünen unterstützen die Reformvorschläge des Koalitionspartners weitgehend und möchte allenfalls Details ändern. Die FDP allerdings hat grundlegende Bedenken, wie der Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner direkt nach Präsentation der Pläne klarstellte. Lindner ist unter anderem gegen eine Lockerung der Sanktionen. „Ich sehe das aus den Augen derjenigen, die jeden Tag arbeiten und trotzdem jeden Euro umdrehen müssen“, sagte der FDP-Politiker kürzlich unserer Redaktion. „Diese Menschen könnten nicht verstehen, dass sie mit ihren Steuern nicht nur Bedürftige unterstützen sollen, sondern auch jene, die vorsätzlich Termine nicht wahrnehmen oder angebotene Bildung und Arbeit ablehnen.“
Widerstand der FDP
Die Hartz-IV-Regelsätze sollen sowieso zum 1. Januar deutlich erhöht werden – „und das ist auch richtig so“, sagte der FDP-Sozialexperte Vogel unserer Redaktion. Vorbehalte hat die Partei aber gegen die Pläne von Heil, im Zuge der Reform auch die Berechnungsgrundlage zu ändern, wodurch sich die Zahlung noch einmal erhöhen würde. Heil kritisiert, dass die bisherige Berechnungsmethode der dramatischen Preisentwicklung hinterherhinke. Diese Forderung des Arbeitsministers erschließe sich ihm nicht, kritisierte Vogel. „Die jährliche Regelsatzanpassung basiert ja gerade auf der Inflationsrate. Die Kosten der Heizung werden zusätzlich dazu in voller Höhe übernommen – das ist ebenfalls richtig. Deshalb finden wir den Vorstoß für eine neue Berechnung weder überzeugend noch nötig.“
Regelsätze
Derzeit liegt der Hartz-IV-Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen bei 449 Euro pro Monat. Heil will erreichen, dass die Regelsätze im Bürgergeld pro Person und Monat in etwa um 40 bis 50 Euro steigen. Den genauen Satz will der Minister erst im September nennen, da er noch neue Berechnungen zur Entwicklung der Inflation abwarten will. Sozialverbände halten die von Heil angestrebte Erhöhung aber immer noch für zu gering und fordern eine deutlich höhere Anhebung auf mindestens 650 Euro. Doch auch hier bremst die FDP. „Pauschal mehr Geld zu verteilen, dazu fehlen uns die Mittel“, sagte Lindner nun der „Bild am Sonntag“.
Zuverdienst
Vogel betont, die Grundsicherung müsse „aufstiegs- und chancenorientierter“ werden. Deswegen sollten die Betroffenen mehr Geld hinzuverdienen dürfen als bisher. Heils Pläne sehen bereits vor, in einem ersten Schritt die Zuverdienstgrenzen für Auszubildende sowie Schüler- und Studentenjobs anzuheben. „Die Zuverdienstregeln, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, auch bei den Erwachsenen endlich zu reformieren, muss ein zentraler Baustein der Bürgergeld-Reform sein“, sagte Vogel unserer Redaktion. „Denn wenn man Menschen in der Grundsicherung das schrittweise Wieder-Reinwachsen in den Arbeitsmarkt möglichst demotivierend ausgestalten will, muss man die Zuverdienstregeln so gestalten, wie sie heute sind – absurd.“
Ist das alles?
Scholz gab das Versprechen der zügigen Einführung des Bürgergelds zusammen mit der Ankündigung ab, angesichts der hohen Preissteigerungen insbesondere für Energie weitere Entlastungen auf den Weg zu bringen. Konkret nannte er eine Reform des Wohngelds, um den Kreis der Berechtigten zu erweitern. Davon sollen etwa Rentner profitieren. Dies hat der Kanzler bereits mit FDP und Grünen vereinbart. Über andere Entlastungen wird aber noch diskutiert. So will Lindner etwa die Pendlerpauschale erhöhen, das lehnt die SPD-Vorsitzende Saskia Esken jedoch ab.
Von Jan Dörner