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Finanzierung noch strittig

Nachfolger: Statt 9-Euro nun 49-Euro-Ticket?

Das 9-Euro-Ticket sorget im Sommer für volle Regionalzüge. Wird das Nachfolgeticket ebenso erfolgreich? Foto: Christoph Soeder/dpa

Das 9-Euro-Ticket sorget im Sommer für volle Regionalzüge. Wird das Nachfolgeticket ebenso erfolgreich? Foto: Christoph Soeder/dpa

Heute endet eine Sonderkonferenz der Verkehrsminister von Bund und Ländern, auf der über einen Nachfolger des 9-Euro-Tickets diskutiert wird. Einen Namen hat es schon: „Klimaticket Deutschland“. Über die Finanzierung streiten Bund und Länder allerdings noch.

Donnerstag, 13.10.2022, 17:30 Uhr

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Der Name des Kindes steht bereits fest, der Preis wohl auch. Wenn sich die Verkehrsminister aus Bund und Ländern auf einer an diesem Donnerstag endenden Sonderkonferenz einig werden, gibt es bald einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket. Die Länder haben es das „Klimaticket Deutschland“ getauft. Es soll 49 Euro kosten. Das geht nach Angaben mit der Sache vertrauter Kreise aus einem Eckpunktepapier zur Verkehrsministerkonferenz (VMK) hervor. In trockenen Tüchern ist der Tarif aber noch nicht. Über die Finanzierung streiten Bund und Länder heftig.

Das neue Ticket soll bundesweit gelten und nicht übertragbar sein. Umsonst mitfahren dürfen nur Kinder bis zu einem Alter von sechs Jahren. Es kann sowohl digital als auch an Automaten oder Fahrkartenschaltern gekauft werden. Geplant ist ein Jahresabo, wobei die Ausgestaltung noch offen ist, also ob es monatlich oder einmal jährlich bezahlt wird. Um mehr neue Kunden von der Idee zu begeistern, sieht der Vorschlag der Länder ein „Schnupperabo“ zum Preis von 69 Euro vor. Offen ist auch der Zeitpunkt, an dem das Klimaticket eingeführt werden kann. Eigentlich soll es am 1. Januar nächsten Jahres an den Start gehen. Das wird zeitlich aber knapp, weil auch Bundestag und Bundesrat ein Wörtchen mitreden und die Verkehrsunternehmen Zeit zur Vorbereitung brauchen.

Wer bezahlt?

Ob auf der VMK überhaupt über die Idee geredet wird, hängt maßgeblich von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ab. Er hat zwar 1,5 Milliarden Euro dafür zugesagt. Das Geld soll die Einnahmeausfälle der Verkehrsunternehmen durch den günstigen Tarif ausgleichen. Das reicht den Ländern jedoch nicht. Sie pochen auf weitere 1,65 Milliarden Euro für die Nahverkehrsanbieter, die den Betrieben durch die gestiegenen Energiekosten fehlen. Auch wollen sie erreichen, dass die Regionalisierungsmittel des Bundes für den ÖPNV angehoben werden. Kurz: Wissing soll viel mehr zahlen, als ihm Finanzminister Christian Lindner erlaubt hat. Sollte der Bund bei seiner Haltung bleiben, wollen die Länder erst gar nicht über eine Nachfolgeregelung für das Billigticket des Sommers sprechen.

Verkehrsunternehmen in der Krise

Die Verkehrsunternehmen stecken vielerorts schon in einer brenzligen Lage. Statt der erwünschten Erweiterung des Angebots stellen sich einzelne Unternehmen nach Angaben aus Branchenkreisen auf weniger Fahrten von Bussen und Bahnen ein.

Das Klimaticket wollen sie unter bestimmten Bedingungen aber einführen. „Wir stehen bereit, wenn die wichtigen Punkte zu Liquiditätshilfen und Regionalisierungsmitteln geklärt werden“, sagt der Sprecher des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Eike Arnold.

Die Beteiligten stehen im Wort. Eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket haben Bund und Länder versprochen. Denn der im Sommer erprobte Tarif war zumindest von der Zahl der verkauften Tickets und der Aufmerksamkeit für den ÖPNV her ein großer Erfolg. Über 50 Millionen der bundesweit geltenden Fahrscheine wurden verkauft.

Allerdings blieb die Zahl der Pendler, die vom Auto auf Bus oder Bahn umstiegen, gering. Auch führten übervolle Bahnsteige und Züge insbesondere in den Feriengebieten zu Stress und Ärger für die Bahnmitarbeiter. Ein hoher Krankenstand war die Folge.

Nahverkehrsangebot auf dem Land noch schwach

Fachleute begrüßen die Pläne für das Klimaticket, sehen zugleich aber kritische Punkte. „Man wird einige neue Kunden gewinnen“, glaubt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn, „aber die Revolution wird es nicht sein.“ Er sieht das große Manko im Angebot des Nahverkehrs. Die Hälfte der Bevölkerung lebe in ländlichen Regionen ohne gute Nahverkehrsanbindung. „Es geht um eine Verbesserung des Angebots“, sagt Naumann. Nur an der Preisschraube zu drehen, reiche nicht aus.

Naumann verweist für einen guten Nahverkehr auf das Vorbild Wien. Die österreichische Hauptstadt hat erst über viele Jahre das Angebot an Bussen und Bahnen ausgebaut und dann erst einen günstigen Tarif dafür eingeführt. In Wien kostet das Jahresticket 365 Euro, also einen Euro pro Tag. Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung in der Innenstadt nutzt die Stadtverwaltung für weitere Ausgaben für den ÖPNV. „Man muss in das System investieren“, stellt Naumann fest.

Subventionen streichen

Das sieht auch der Verkehrswissenschaftler Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) so. „Wenn man einen richtigen Effekt erzielen will, muss man klotzen, nicht kleckern“, sagt er und macht einen ebenso teuren wie radikalen Vorschlag. Knie fordert ein bundesweit geltendes Ticket zum Preis von 29 Euro. Es soll auch im Fernverkehr der Bahn oder auf dem Land in Sammeltaxis für den Weg von der nächsten Haltestelle nach Hause gelten.

Die Kosten für dieses Angebot beziffert Knie auf 16 bis 18 Milliarden Euro im Jahr. Finanziert werden könne es, wenn Steuervergünstigungen für Autos wie das Dienstwagenprivileg, die Dieselsubvention oder die Entfernungspauschale gestrichen würden. Diese drei Posten summieren sich Knie zufolge auf 18 Milliarden Euro.

Von Wolfgang Mulke, Funke Mediengruppe

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