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Jahresrückblick 2021: Goslars Oberbürgermeisterwahl

Kampf mit harten Bandagen

Glückselige Genossen: Noch-Landrat Thomas Brych zeigt schon nach dem ersten Wahlgang am 12. September die Richtung für die neue Oberbürgermeisterin an. Urte Schwerdtner freut sich – auch, weil Martin Mahnkopf im Hintergrund Regie geführt hat. Und schaut dort nicht noch ein weiterer SPD-Wahlsieger auf dem Bildschirm aus dem Bild heraus?

Glückselige Genossen: Noch-Landrat Thomas Brych zeigt schon nach dem ersten Wahlgang am 12. September die Richtung für die neue Oberbürgermeisterin an. Urte Schwerdtner freut sich – auch, weil Martin Mahnkopf im Hintergrund Regie geführt hat. Und schaut dort nicht noch ein weiterer SPD-Wahlsieger auf dem Bildschirm aus dem Bild heraus?

Ausgerechnet an Himmelfahrt beginnt der Weg abwärts: Goslars Oberbürgermeister Dr.Oliver Junk (CDU) gerät in schwere Erklärungsnöte, als seine SPD-Kontrahentin Urte Schwerdtner via Facebook und Instagram einen virtuell übergriffigen Wahlkampf des Amtsinhabers öffentlich macht. Mitte Mai gibt es den ersten großen Zoff im direkten Duell um den Job als Stadtoberhaupt.

Von Frank Heine Mittwoch, 29.12.2021, 12:00 Uhr

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Was ist passiert? Junk sichert sich frühzeitig die Rechte an zwei Internet-Adressen mit Schwerdtners vollem Namen – wohl in der Absicht, ihr und dem Rest von Goslar im weltweiten Netz einmal so richtig zu zeigen, auf welcher medialer Klaviatur ein moderner Politiker heute spielt. Die Aktion macht überregionale Schlagzeilen, gerät aber zum Rohrkrepierer. Am Ende steht Junk am Sonntagmorgen mit Blumen in Ohlhof vor Schwerdtners Haustür und entschuldigt sich.

Wenige Wochen später starten die Juristen Stefan Eble (SPD) und Stephan Kahl (FDP) am 8.Juni in einer Aktuellen Stunde im Rat einen frontalen Überraschungsangriff auf Junk. Hat der Verwaltungschef dafür gesorgt, dass ein vermeintlich wichtiges Schreiben nicht in der offiziellen Akte zum Kattenberg-Verkauf landet? Der Vorwurf wiegt schwer, Junk weist alle Anschuldigungen zurück und droht selbst mit rechtlichen Schritten.

Was ist passiert? Dem Duo wurde offenkundig ein Papier zugespielt, in dem sich lokale Investoren 2016 über die Ausbootung im Verfahren und die Vergabe an die Klosterkammer beschweren. Über ein Treffen mit ihnen im Oberbürgermeister-Büro erfährt die Politik nichts.

Eine Aktuelle Stunde als Schrecksekunde: Am 8. Juni 2021 wird Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk (CDU) im Rat mit dem Vorwurf der Aktenmanipulation konfrontiert. Links hört Schulen-Fachdienstleiter Sven Busse aufmerksam zu. Archivfoto: Roß

Eine Aktuelle Stunde als Schrecksekunde: Am 8. Juni 2021 wird Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk (CDU) im Rat mit dem Vorwurf der Aktenmanipulation konfrontiert. Links hört Schulen-Fachdienstleiter Sven Busse aufmerksam zu. Archivfoto: Roß

Im September holt die Angelegenheit Junk zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt direkt vor der Wahl ein, als die Kommunalaufsicht im Niedersächsischen Innenministerium ein Disziplinarverfahren eröffnet – dessen Ausgang ist nach wie vor offen. Hatte nicht Innenminister Boris Pistorius (SPD) gerade noch einen Wahlkampftermin in Goslar mit Schwerdtner absolviert? Die Gerüchte schießen ins Kraut. Attacken werden hier wie dort geritten. Ebenfalls ein Thema in Hannover werden die privaten Alleinfahrten der Oberbürgermeister-Gattin mit dem städtischen Dienstwagen.

Als sie Ende April einen Unfall baut und die Stadt den Schaden via Versicherung begleichen muss, rückt das Thema auf die politische Tagesordnung. Junk gibt vor, im festen Glauben an die Rechtmäßigkeit des Tuns gehandelt und stets jeden privaten Kilometer peinlich genau abgerechnet zu haben. Das städtische Rechnungsprüfungsamt wiederum liefert in seiner Antwort auf FDP-Anfragen ein anderes Ergebnis. Überhaupt nicht gut kommt in der Öffentlichkeit an, dass die Familie vier Autos ihr Eigen nennt, die Junk-Gattin aber trotzdem lieber bei Privatfahrten auf den Audi A6 der Stadt zurückgreift.

Wenn alles dermaßen schiefläuft: Muss die Konkurrenz da überhaupt noch viel tun? Sie tut jedenfalls. Schwerdtner ist rastlos unterwegs und wird als Team-Spielerin wahrgenommen in einem Wahlkampf, in denen sich gerade männliche SPD-Granden in nicht für möglich gehaltenen Maßen zurücknehmen.

Martin Mahnkopf etwa, zu Beginn auch als möglicher Junk-Herausforderer gehandelt, führt die Regie, ohne nach vorn ins Scheinwerferlicht zu treten. Aller Voraussicht nach darf der Vienenburger Ortsvorsteher nicht nur, aber auch deshalb im Oktober 2022 für den Landtag kandidieren. Schwerdtner erlaubt sich vor der Stichwahl nur einen Schnitzer, als sie vor einem zweiten GZ-Podium nur mit ihr und Junk kneift, wobei laut Schwerdtner auch ein länger geplanter medizinischer Eingriff eine Rolle spielt.

Am Ende holt sie 62,78 Prozent der Stimmen, verzichtet am 14. Dezember aus taktischen Gründen – die Einsprüche gegen die Wahl laufen – zugunsten von Manfred Dieber auf ihr Ratsmandat – und tritt am 1. Januar ihr neues Amt als Oberbürgermeisterin an.

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