In Seesen entsteht ein neues Fahrrad aus drei alten

Die Macher des Fahrrad-Projekts in einer Halle in Seesen eint die Leidenschaft für die Kreislaufwirtschaft. Es sind: Martin Silberborth, Tobias Geger, Hauke Hemmerling, Max Richter, Maret Mathiszig, Dominique Briechle, Stefan Borowsky, Christoph Thorwarth, Joshua Fuhrmann und Jerôme Radke (v.li.). Foto: Berg
Besser als wegschmeißen: 130 alte Fahrräder wurden bei einer Sammelaktion zusammengetragen. Bald sollen aus ihnen „neue“ Bikes werden. Wissenschaftlich begleitet wird das Vorhaben durch Forscher der Technischen Universität Clausthal – mittels KI.
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Clausthal-Zellerfeld/Seesen. Es ist ein wissenschaftlicher Versuch. Es hat aber auch einen sehr praktischen sozialen Nutzen. In einer großen Halle in Seesen wurden 130 alte Fahrräder gesammelt, um aus ihnen nach dem Prinzip „aus drei mach eins“ neue, gebrauchsbereite Bikes zusammenzubauen.
Ausgedacht haben sich diese groß angelegte Reparatur-Aktion Wissenschaftler der Technischen Universität Clausthal, Hauke Hemmerling von dem Start up „ceconsoft GmbH“ in Goslar, Max Richter, Geschäftsführender Gesellschafter der „RMR Immobilien GmbH &Co. KG“, der die Halle in Seesen gehört, und nicht zuletzt Martin Silberborth, Unternehmensberater und vor allem Inhaber der Firma „Harzer E-Bike“, deren Mitarbeiter an den gespendeten Zweirädern schrauben werden. Weitere Beteiligte sind das Forschungszentrum Center for Digital Technologies (DIGIT), die Stadt Seesen und die Kreiswirtschaftsbetriebe Goslar.
Und so kam das Ganze zustande: Martin Silberborth traf Prof. Andreas Rausch, Direktor des Institute for Software and Systems Engineering der TU Clausthal. Und beide hatten gemeinsam die Idee, wie Silberborth am Freitag in Seesen erzählt. Fast jeder hat alte Räder im Keller, wolle sie aber nicht wegwerfen. Beide seien schnell übereingekommen, dass darin die Chance einer Wiederverwertung liegt. Und die Chance, daraus zu lernen, wie man so etwas möglichst effektiv anstellt. „Andreas ist so ein Typ, der sagt, wenn wir es machen, machen wir es richtig.“
„Eine sinnvolle Sache“
Von der Leidenschaft der Initiatoren ließ sich Max Richter anstecken. Er ist ein Mann aus der Wirtschaft und weiß, welches Potenzial in den Themen Recycling, Reparatur und Kreislaufwirtschaft liegt. Richter erklärt überzeugt: „Wir bauen Zukunftsperspektiven und damit Jobs auf.“ Und so haben sie es aufgezogen: Hauke Hemmerling von der „ceconsoft GmbH“ stellte eine App fürs Smartphone zur Verfügung, mit deren Hilfe Bürger signalisieren können, dass bei ihnen ein Fahrrad abzuholen ist. So konnten die Beteiligten die Abholung der Alträder koordinieren. Weit über 100 alte Räder sind auf diese Weise seit Oktober in der Seesener Halle gelandet. „Das reicht auf jeden Fall“, sagt Silberborth. Sie müssten jetzt erst einmal einen Schnitt machen, weitere Räder könnten nicht angenommen werden.
Denn jetzt geht es in die nächste Projektphase, die von den jungen Wissenschaftlern Tobias Geger, Dominique Briechle und Maret Mathiszig von der TU Clausthal begleitet wird. Wie Geger erläutert, werden bei dem Prozess sehr viele Daten erhoben, die durch künstliche Intelligenz (KI) – „neuronale Netze“ – aufgearbeitet werden. Jedes Rad bekommt einen Code, jedes Rad wird fotografiert und der Ursprungszustand genau beschrieben. Am Ende, erklärt Geger, entstehen wertvolle Datensätze. Max Richter erläutert: „Der Hintergrund dessen ist eine Digitalisierung der Kreislaufwirtschaft.“
Die Aufarbeitung der Alträder, also das „aus drei mach eins“, übernehmen ab Februar 2024 Mitarbeiter der Firma „Harzer E-Bike“, so Stefan Borowsky, Joshua Fuhrmann, Jerôme Radke und Christoph Thorwarth. Sie werden viele Stunden an den Rädern schrauben und diese Arbeitszeit sponsort ihr Chef Silberborth wie jeder andere Beteiligte auch. „Wir verdienen daran kein Geld“, versichert Hauke Hemmerling, „es ist eine sinnvolle Sache.“
Dass auch teure Neuteile verbaut werden müssen, ehe die ersten „neuen“ Räder sozial bedürftigen Menschen kostenlos übergeben werden können, weiß Martin Silberborth. Auch dafür gibt es bereits Sponsoren. Schließlich, sagt Maret Mathiszig: „Das Projekt ist ein Leuchtturm der Universität und der Kreislaufwirtschaft.“