Hausschlachtungen: Jolante bringt 370 Kilo auf die Waage

Jolante auf dem Weg zum „Schafott“. Fotos: Leifeld
Hausschlachtungen waren früher in den Wintermonaten vor allem in den ländlichen Bereichen üblich. Mittlerweile wird das traditionelle Fleischer-Handwerk nur noch selten im privaten Bereich ausgeübt. Die Hygiene-Vorschriften sind deutlich strenger.
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Nordharz. „Wenn das Schwein am Haken hängt, wird der erste Klare eingeschenkt!“ So ist es seit Generationen ein guter Brauch beim Hausschlachten. Ein guter Klarer, zumeist ein Korn, wartet just zu jenem Zeitpunkt auf den Schlachter und sein Team, wenn der Fleischbeschauer die Proben nimmt. Diese Pause ist zumeist kurz, denn bis das Fleisch verarbeitet und alle Wurstdosen gekocht sind, wartet noch ein arbeitsreicher Tag auf alle Beteiligten. Bei Hausschlachtungen kommt der Schlachter üblicherweise auf den Hof des Tierhalters oder der Besitzer bringt das Tier zum Schlachter hin. Der Januar und Februar, einst echte Wintermonate mit viel Schnee, waren im ländlichen Raum der Nordharzregion früher dem Hausschlachten als heimische Vorratshaltung vorbehalten. In ungezählten Waschküchen quer durchs Land dampften damals die Kessel mit der Fleischbrühe. Protagonist und Ideengeber zu diesem Bericht war dieser Tage die stattliche Jolante. Hausschlachteschweine sind meist deutlich größer als jene für den kommerziellen Handel. Das liegt am Alter die Tiere: Während Schweine aus Mastställen im Schlachtalter von gut sechs Monaten rund 100 Kilogramm wiegen, durfte Jolante ihren ersten Geburtstag noch feiern. Im Alter von knapp 18 Monaten brachte sie dann stattliche 370 Kilogramm auf die Waage.
Verwendung nur im Haushalt erlaubt
Aber wie sieht es grundsätzlich aus, mit der Tradition der Hausschlachtung? Sind diese überhaupt noch möglich? Eine eher nüchtern sachlich zu lesende Vorschrift hatte Maximilian Strache, Pressesprecher des Landkreises Goslar, auf Nachfrage der GZ parat: „Hausschlachtungen sind beim Landkreis mindestens drei Werktage vor der beabsichtigten Schlachtung zur Fleischuntersuchung anzumelden“, so Strache. Auch dürfe das Fleisch aus Hausschlachtungen nur im unmittelbaren Haushalt des Tierhalters verwertet werden. Bereits die Abgabe an nicht dem engen familiären Umfeld des Tierhalters zuzuordnenden Personen sei nicht erlaubt. Die Schlachtung selbst dürfe nur von nachweisbar sachkundigen Personen durchgeführt werden. Und die Anmeldung der Hausschlachtung ist beim Veterinäramt des Landkreises Goslar erforderlich. Im Landkreis Goslar gibt es keinen amtlichen „Fleischbeschauer“, wie es früher üblich war. Ansprechpartner im Landkreis ist der Amtsveterinär Dr. Wilhelm Röbbel in Seesen.

Wenn das Schwein am Haken hängt, muss es noch ausbluten.
Bei Hausschweinen ist zusätzlich zur Schlachttier- und Fleischuntersuchung noch die Trichinen-Untersuchung vorgeschrieben, denn der Verzehr von rohem, befallenen Fleisch kann zu einer parasitären Infektionskrankheit führen. Die Pflicht zur amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung betrifft Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde sowie „Farmwild“. Unter dem Begriff „Farmwild“ werden Zuchtlaufvögel und andere Landsäugetiere, zum Beispiel „Gehegewild“ (Rotwild, Damwild) verstanden, so der Landkreissprecher.
Genau diese Flut an Vorschriften hatte schon vor mehr als zehn Jahren das „Schlachtefest“ im Heimatmuseum Lutter am Barenberge ausgebremst. Horst Züchner, 1. Vorsitzender des Museums- und Kulturvereins erinnert sich: „Bereits zweimal hatten wir mit großem Erfolg solche Schlachtefeste im Museum durchgeführt, als uns dann plötzlich ein weiteres Fest untersagt wurde.“
Hohe Auflagen
Ziel der Museumsmitglieder war es, den Besuchern an jenem Tag das alte Fleischerhandwerk mit authentischen Gerätschaften zu präsentieren und die produzierten Wurstwaren natürlich auch zu verkaufen. Aber das Gesundheitsamt Goslar widersprach damals sehr kurzfristig der guten Idee. „Wir bekamen unter anderem die Auflage, sollten wir solches Handwerk zeigen wollen, einen Raum komplett zu fliesen und ihn mit einer Glasscheibe von den Besucherströmen abzuteilen, sowie eine gekühlte Verkaufstheke vorzuhalten.“ Der Vorstand entschied sich damals gegen den hohen baulichen Aufwand – und vor allem gegen die erheblichen Kosten für das kleine Museum. Mit dem Wunsch, das alte Handwerk des Hausschlachtens auch noch jüngeren Generationen zeigen zu können, befasste sich einst auch Kreisheimatpfleger Arnold Kipke. Doch er fand mit Gleichgesinnten des geschichtlichen Arbeitskreises Döhren eine hygienisch unantastbare Lösung: „Wir drehten bereits vor einigen Jahren einen gut 30-minütigen Film zur Dokumentation der Abläufe an einem typischen Hausschlachttag.“

Neben den Teilen für Schnitzel, Kotelett oder Filet werden auch Würste gemacht.
Der authentische Film, mit Schlachter, Schwein, Glocken, Molle und allen Handgriffen, wurde seither vielen Geschichtsfreunden gezeigt. „Meist verbunden mit einem sich anschließenden, deftigen Schlachte-Essen“, so Kipke. Und auch die nächste Präsentation steht an: Unter dem Titel „Verschwundenes Handwerk: Hausschlachten“ wird als Angebot der Kreisvolkshochschule Goslar am Donnerstag, 21. März im Kreishaus, Klubgartenstraße in Goslar kostenlos zu sehen sein.
„Auflagen sind eine Sache. Das andere Ding ist, dass Du gar keinen Hausschlachter mehr findest“, bewertete Kipke seinerseits, die Umstände, die ebenso zum Aussterben der alten Handwerkstradition geführt haben. Anders halten es unsere östlichen Nachbarn. Die Zahl der Hausschlachtungen in Sachsen-Anhalt sei 2022 wieder gestiegen, heißt es im Agrarportal „Prolanta“ – mit Verweis auf die im Dezember 2023 veröffentlichten Daten des Statistischen Landesamts. Im Jahr 2022 wurden 8725 Schweine und Rinder zu Fleisch und Wurst für den eigenen häuslichen Verbrauch geschlachtet. Hausschlachten gilt sogar als Brauchtum.