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Weiterer Anstieg erwartet

Häusliche Gewalt: Mehr Fälle im Landkreis Goslar

Eine Frau hält ihre Hände vor das Gesicht: Die Fälle häuslicher Gewalt nehmen stark zu. Ein Grund dafür ist nach Experten, dass mehr Fälle, die zuvor nicht ans Tageslicht gekommen wären, mittlerweile zur Sprache kommen.  Foto: dpa

Eine Frau hält ihre Hände vor das Gesicht: Die Fälle häuslicher Gewalt nehmen stark zu. Ein Grund dafür ist nach Experten, dass mehr Fälle, die zuvor nicht ans Tageslicht gekommen wären, mittlerweile zur Sprache kommen. Foto: dpa

Die Anzahl der erfassten Fälle häuslicher Gewalt steigt in diesem Jahr im Landkreis Goslar deutlich an, für 2024 rechnet die Awo mit einem weiteren Anstieg. Die Entwicklung beruht aber nicht darauf, dass die Übergriffe tatsächlich deutlich zunehmen.

Von Oliver Stade Mittwoch, 22.11.2023, 06:00 Uhr

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Goslar. Das Problem häuslicher Gewalt zeigt sich dieses Jahr in bisher nicht gekanntem Ausmaß und erreicht im Kreis Goslar einen Höchststand. Die Anzahl der erfassten Fälle übersteigt die aus den Corona-Jahren: Seinerzeit war eine Zunahme von Gewalt in Familien mit Ausgeh- und Kontaktsperren sowie daraus resultierender zunehmender Aggressivität erklärt worden.

Für dieses Jahr rechnet die 2003 eingerichtete Beratungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt (Biss), die beim Awo-Kreisverband Region Harz angesiedelt ist, mit bis zu 450 Fällen und kommendes Jahr mit einem weiteren Anstieg. Dokumentiert sind bislang 365, nach 356 im vergangenen Jahr und 290 im Jahr 2021. 2018 waren noch207 Fälle erfasst worden.

Enge Kooperation

Die Zahlen stammen von der Biss-Beratung und überwiegend von der Polizei. Wenn die Beamten zu einem Einsatz wegen Gewalt in Familien gerufen werden, melden sie dies hinterher der Awo. Diese wendet sich dann an die Betroffenen und bietet Hilfe an, berichtet Awo-Geschäftsführerin Tjorven Maack.

Zurück zu den Zahlen: Die meisten Übergriffe sind aus Goslar als größter Stadt im Kreis bekannt (174), es folgen mit Blick auf die vorläufigen Daten für dieses Jahr Seesen (67), Bad Harzburg (61) und der Oberharz (40). Die weiteren Fälle sind statistisch schwer zuzuordnen, auch weil Menschen ohne festen Wohnsitz betroffen sind.

Für die Behörden besonders erschreckend: Die in diesem Jahr gemeldeten Fälle betreffen 310 Kinder, die miterleben, wie in ihrer Familie Gewalt ausgeübt wird. Meist sind Frauen betroffen, aber immerhin auch 82 Männer zählen zu den Leidtragenden.

Die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Vorkommnisse in diesem Bereich ist nach Einschätzung des Landkreises schwer zu bemessen. Den Anstieg der Zahlen erklärt die Landkreisverwaltung indes nicht damit, dass es tatsächlich deutlich mehr Gewalt in Familien gibt, sondern dass Übergriffe zunehmend ans Tageslicht geraten. Zu erklären sei dies mit einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit und der engen Kooperation der Kommunen sowie der beteiligten Stellen.

Änderung in der Statistik

Berücksichtigt werden muss außerdem eine statistische Veränderung. Seit 2021 werden auch solche Vorkommnisse erfasst, die sich nicht unter Partnern ereignen, sondern etwa unter Cousins. Entscheidend ist, dass eine verwandtschaftliche Beziehung vorliegt, erläutert ein Sprecher der Polizei Goslar.

Die aktuelle Entwicklung war Thema in zwei Fachausschüssen des Kreistags. Geplant ist, dass der Landkreis sich an der Finanzierung der Biss 2024 mit bis zu 35.000 Euro pro Jahr beteiligt, sofern das Land die Stelle, um die es geht, weiterhin mitfinanziert.

Wegen der steigenden Fallzahlen soll die Beratung von 24 Stunden pro Woche auf 30 aufgestockt werden. Die Awo rechnet für die kommenden Jahre wegen weiter intensiver Aufklärung damit, dass die Fälle 2024 sogar auf 500 oder sogar 530 steigen.

Die Beratungs- und Interventionsstelle ist in Goslar in der Bäringerstraße 24/25 und mittlerweile auch in Bad Harzburg in der Herzog-Wilhelm-Straße64c zu erreichen. Ein Kontakt ist über Telefon (05321) 313931 und per E-Mail möglich: biss@awo-region-harz.de.

Übergriffe in der Familie werden in diesem Monat zudem bei einem Treffen des „Netzwerks gegen häusliche Gewalt“ thematisiert. Das Bündnis kommt am Dienstag, 28.November, um 13 Uhr zu einer Fachtagung im Kreishaus in der Klubgartenstraße in Goslar zusammen. Ein Schwerpunkt bildet die „Istanbul-Konvention“, ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von häuslicher Gewalt. Außerdem wird die regionale Koordinierungsstelle vorgestellt, die gegen solche Delikte in Braunschweig gegründet wurde.

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