Europawahl 2024: Wahlrecht ab 16 und die Herausforderung der Erstwähler

„Nutze deine Stimme“ steht auf einem Plakat in Frankfurt am Main. 34 Parteien stehen zur Wahl. Foto: dpa/Roessler
Erstmals dürfen in Deutschland 16- und 17-Jährige bei der Europawahl ihre Stimme abgeben. Doch welche Hürden birgt das Wahlrecht ab 16 und wie finden sich junge Wähler im Parteiendschungel zurecht? Die Europawahl stellt Erstwähler vor besondere Herausforderungen.
Für nur 0,99 € alle Artikel auf goslarsche.de lesen
und im ersten Monat 9,00 € sparen!
Jetzt sichern!
Harz. Nur bei Bundestagswahlen sind in Deutschland junge Wählerinnen und Wähler ab 16 Jahren noch grundsätzlich außen vor. Wahlberechtigt sind hier weiterhin erst Volljährige ab 18.
Blick auf junge Wähler
Kommunal hingegen sind in elf der 16 Bundesländer bereits Wähler ab 16 Jahren mit von der Partie – also auch in Niedersachsen. Nur in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und im Saarland gilt bei Gemeinde- und Kreiswahlen noch die Altersgrenze von 18 Jahren. In Hessen war das kommunale Wahlrecht ab 16 schon mal 1998 unter einer rot-grünen Koalition eingeführt worden, aber nach dem Regierungswechsel wurde es unter CDU-Ägide ein Jahr später wieder aufgehoben. Dahinter steckt bei Konservativen oft die Sorge, junge Menschen wählten tendenziell mehr links.
Wahlrecht ab 16: Ein bundesweiter Trend?

Auszug aus dem Stimmzettel für die Europawahl. Insgesamt stehen 34 Parteien und Gruppierungen zur Wahl. Muster: Landeswahlleiter Niedersachsen
Mit den jungen Erstwählern ab 16 steigt die Zahl der EU-Wahlberechtigten am 9. Juni auf rund 65 Millionen in Deutschland. Gerade für Erstwähler ist das eine Herausforderung, hier den Überblick zu behalten, denn auf dem Stimmzettel stehen gleich 34 Parteien und Gruppierungen zur Auswahl.
Europawahl 2024: Herausforderung für Erstwähler
Neben CDU, SPD, Grünen, FDP, AfD und Linken tritt erstmals das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an, auf dessen Ergebnis am 9. Juni auch viele in der Bundespolitik gebannt schauen werden. Aber es tummeln sich auch viele kaum bekannte Kleinstparteien auf dem Zettel: Partei der Vernunft (PDV), Partei des Fortschritts (PdF), Klimaliste Deutschland, Aktion Bürger für Deutschland (ABG) und viele mehr.
Unterschiedliche Wahlgesetze in der EU: Debatte um Sperrklausel
Deren Hoffnung ist, vielleicht einen Kandidaten ins Parlament zu bringen, denn bei der Europawahl gibt es keine Sperrklausel – wie etwa die Fünf-Prozent-Hürde bei Bundestagswahlen. Die Folge ist ein Sammelsurium von Einzelvertretern. So erreichte die Partei Volt bei der 2019 mit nur 0,7 Prozent ein Mandat im EU-Parlament, ebenso die ÖDP (1,0 Prozent), die Piratenpartei (0,7 Prozent) oder die Familien-Partei (0,7 Prozent). Doch die Regelungen in den EU-Staaten sind völlig unterschiedlich. In neun Ländern, wie etwa Tschechien, Frankreich und Polen, gibt es eine Fünf-Prozent-Hürde. In Italien, Österreich und Schweden gilt eine 4-Prozent-Klausel, auf Zypern eine 1,8-Prozent-Hürde. Belgien, Dänemark, die Niederlande, Finnland oder Portugal haben wie Deutschland keine Prozenthürde bei EU-Wahlen.
Zur Debatte steht bei der Europäischen Union, zumindest in den größeren Staaten mit mehr als 60 Sitzen im Parlament künftig eine 3,5-Prozent-Klausel einzuführen. Dazu gehört auch Deutschland mit seinen rund 84 Millionen Einwohnern und der Höchstzahl von 96 Sitzen im EU-Parlament.
Neue Sperrklausel in Deutschland ab 2029
Dabei gab es auch in Deutschland seit der ersten Europawahl 1979 lange eine Fünf-Prozent-Hürde – bis das Bundesverfassungsgericht 2011 die Regelung kippte. Vor der Europawahl 2014 beschloss der Bundestag dann eine Drei-Prozent-Klausel, die das Bundesverfassungsgericht aber ebenfalls kassierte.
Im Sommer 2023 entschied der Bundestag, dass bei einem neuen EU-Wahlgesetz für Deutschland mindestens eine Zwei-Prozent-Hürde eingebaut werden soll. Diese Sperrklausel kommt allerdings frühestens ab 2029 zum Tragen.