Eine Tüftlergruppe stellt sich gegen die Wegwerfgesellschaft

Oft sind es Dinge, an denen noch das Herz hängt. Beim Reparaturcafé schauen sich Lothar Necas-Niessner (von links), Rolf Risse, Hans-Dieter Müller und Heinz Lengling (nicht im Bild) defekte Kleingeräte an, um ihnen die Mülltonne zu ersparen. Foto: Neumann
Von alten Kofferradios, die plötzlich wieder funktionieren, oder DDR-Nähmaschinen, die anfangen zu spuken: Beim Reparaturcafé in Clausthal-Zellerfeld erfährt man manche Anekdote. Ehrenamtliche nehmen sich die Zeit, die defekten Geräte zu reparieren.
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Clausthal-Zellerfeld. Ein Gerät, das alle Blicke auf sich zieht? Heile ist es jedenfalls nicht... Das wollen Lothar Necas-Niessner, Rolf Risse, Heinz Lengling und Hans-Dieter-Müller ändern. Die vier Tüftler kümmern sich ab sofort wieder um kaputte Elektrogeräte – ehrenamtlich – und: mit Kaffee und Kuchen.
Das Reparaturcafé der Kirchengemeinde Clausthal hat wieder geöffnet. Und gleich am ersten Tag gibt es viel zu tun: Etwa alte Nähmaschinen, defekte Toaster oder eine Waage wieder in Ordnung bringen. „Wir sind seit der ersten Stunde an Bord“, erzählen die Männer, die die Atmosphäre lieben. „Der gemeinschaftliche Charakter gefällt mir. Leute, die herkommen und ihre kaputten Sachen mitbringen, setzen sich in Ruhe hin, trinken Kaffee und essen Kuchen, während wir versuchen, ihr Gerät wieder zu reparieren“, erzählt Rolf Risse. Und das gelingt ziemlich oft.
Meistens sind es Heißwassergeräte, bei denen die Thermosicherung kaputt ist. „Die ist für normale Nutzer teils gar nicht zugänglich“, erklärt der gelernte Elektriker und Installateur Heinz Lengling. Um die Weihnachtszeit werden auch Schwibbögen und Lichterketten gebracht. Ein altes Kofferradio wurde ebenfalls schon geheilt. Es sei wichtig, dass ein ausgebildeter Elektriker beim Reparaturcafé dabei ist, sagt Lengling. Immerhin haben manche Sachen 220 Volt auf dem Kasten. Und jedes Gerät muss noch einmal abgenommen werden.
Wunsch nach mehr
An manchen Dingen hängt auch geliebte Vergangenheit. Eigentlich immer handelt es sich bei den Mitbringseln der Kunden jedoch um Geräte, für die es sich nicht mehr lohnt, sie in einem Geschäft reparieren zu lassen – dann wird’s meist teurer, als etwa der Föhn es überhaupt noch wert ist. Und manchmal kommen die Leute, „um einfach nur den Timer ihres Wecker neu einstellen zu lassen“, berichtet Lengling. Teuer wird es im Gemeindehaus jedenfalls nicht: Die Männer arbeiten ehrenamtlich, genauso wie die Kuchenbäckerinnen. „Nur eine kleine Spende für die Kirche wäre schön“, lächelt Rolf Risse.

Mit Elektrogeräten ist nicht zu spaßen – deshalb ist auch ein gelernter Elektriker beim Reparaturcafé mit an Bord. Foto: Neumann
Derzeit findet das Angebot jeden zweiten Donnerstag im Monat von 15 bis 17 Uhr im Gemeindehaus, Schulstraße 2a, statt. Geleitet wird es von Benedicte Henzelmann, die die Aufgabe von Kerstin Lüttgering im Frühjahr 2021 übernahm. Mit freiwilligen Damen aus dem Kirchenkreis wird vorher immer gebacken. Bis zu acht Interessierte kommen mittlerweile an einem Tag. Wenn es ein kaputter Staubsauger ist, reichen die ganzen zwei Stunden manchmal gar nicht aus. „Dann liegen überall die auseinandergebauten Teile, und die Zeit ist um“, so Lengling. Deshalb wünschen sich die vier Tüftler am liebsten einen festen Ort für sich.
„Ich würde das gerne öfter machen, zweimal die Woche“, schwärmt Rolf Risse, gelernter Fernmelder und Architekt. Ein fester Raum wäre gut – dann könnten die Bastler ihr Werkzeug dort lassen, Ersatzteile lagern sowie auseinandergebaute Geräte stehen lassen, deren Einzelteile sonst hin- und herfliegen würden. Apropos Ersatzteile: „Für ein Teil eines Toasters, der 30 Euro kostet, selbst 30 Euro zu nehmen – da müsste die Politik einschreiten“, ärgert sich Risse über die Preise. Zudem sei bei den neueren Geräten alles nur noch verschweißt und versiegelt – „ich hatte versucht, meine Küchenwaage selbst zu reparieren. Die Batterie war eingelötet, das muss man sich mal überlegen!“ Eine Wegwerfgesellschaft – dafür haben die Tüftler kein Verständnis.
Wie von Geisterhand
Simone Kurde betritt den Raum. Unter dem Arm hat sie eine Nähmaschine und einen Toaster. „Die Nähmaschine ist ein gutes altes DDR-Modell, das mir schon mal einen Streich gespielt hat. Sie hat einfach angefangen zu nähen, obwohl ich gar nicht im Raum war. Sie raste um die Wette und hörte nicht mehr auf“, erzählt sie schmunzelnd. Eigentlich ist Kurde aber da, weil das Fußpedal der Maschine kaputt ist. „Und der Toaster ist Beiwerk. Falls er wieder geht – gut, ansonsten nicht schlimm.“

Simone Kurde hofft, dass die Tüftler ihre gute alle DDR-Nähmaschine wieder hinbekommen. Foto: Neumann