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MEIN SCHÖNSTES WEIHNACHTSFEST (22)

Ein Herz zeigen für die Einsamen

Für die GZ-Adventsserie bitten wir wieder Leserinnen und Leser, uns eine besondere Geschichte zu schreiben.  Archivfoto: dpa

Für die GZ-Adventsserie bitten wir wieder Leserinnen und Leser, uns eine besondere Geschichte zu schreiben. Archivfoto: dpa

„Mein schönstes Weihnachtsfest“ heißt unsere GZ-Adventsserie. Leserinnen und Leser schreiben Geschichten, die ermuntern, besinnlich sind, Hoffnung geben – gerade auch im zweiten Corona-Jahr. Erhard Stahl aus Goslar erinnert sich an Weihnachten 1972 als Diakon in einer Berliner Kirchengemeinde.

Freitag, 24.12.2021, 16:00 Uhr

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Goslar. Nach fünf Jahren endlich fertig: Abschluss als Religionspädagoge und eingesegnet zum Diakon. Meine erste berufliche Wirkungsstätte: Alt-Tempelhof in Berlin, damals so groß wie heute Goslar. Im dortigen Jugendzentrum der Gemeinde rund um die Glaubenskirche begleitete ich die Kinder und Jugendlichen. So rückte dann auch Weihnachten näher.

In dieser Gemeinde gab es am Heiligen Abend die Feierlichkeiten für Alte und Einsame. Etwa 250 Frauen und Männer fanden sich ein. Ein ziemlicher Arbeitsaufwand, den wir Hauptamtlichen und manche erwachsenen Ehrenamtlichen zu leisten hatten. Aber es bereitete uns große Freude, alle Anwesenden mit Speisen, Gesang, Geschichten und Gesprächen zu „beglücken“. So verging die Zeit. Und als die Zeiger der Uhr auf 22 Uhr zugingen, überraschte mich Folgendes: Nach und nach kamen immer mehr Jugendliche des Jugendzentrums; manche brachten auch noch Freunde mit.

„Was wollt ihr denn hier?“, war meine erstaunte Frage. Antwort: „Was sollen wir denn zu Hause? Essen und Bescherung sind vorbei, und jetzt sitzen die Alten auf dem Sofa, trinken und schauen in die Glotze. Das macht doch keinen Spaß.“ „Alles klar“, sagte ich, „dann könnt ihr vielleicht ein wenig mithelfen bei der Bedienung. Habt ihr auch Lust, etwas zu singen? Oder eine Geschichte vorzulesen?“

Viele halfen, und später saßen alle zusammen, erzählten oder spielten miteinander. Aus dem benachbarten Jugendzentrum hatten sie schnell alles rübergeholt. Es waren wunderbare Stunden miteinander.

Der Saal mit den Eingeladenen leerte sich, und so gegen Mitternacht waren wir unter uns. Wer genau auf die folgende Idee kam, vermag ich in der Erinnerung heute nicht mehr zu sagen: „Wollen wir mit Gitarre und restlichen Keksen alle Notfalldienste in unserem Bezirk besuchen?“ Gesagt, getan. Und so zogen wir los zur Feuerwache, zum Rettungsdienst, zum Krankenhaus, zu den Nachtdiensten der Altenheime und zu denen, die schon damals auf der Straße lebten.

Für uns alle erfüllte sich wunderbar die Weihnachtsbotschaft: Christ ist erschienen, und wir tragen sein Licht mit hinaus. Jahr für Jahr hielten wir es so.

Dann wechselte ich meine Wirkungsstätte und kam nach Goslar. Die Idee der Einsamen-Weihnachtsfeier brachte ich ja mit. Als Leiter eines Altenheimes holte ich die Kollegen der anderen Häuser mit ins Boot, und so erlebten wir zusammen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern und denen, die kamen, wunderbare Weihnachten am Heiligen Abend. Und es kamen Jahr für Jahr zwischen 30 und 60 Frauen und Männer. Doch manches hat sich verändert. Was wird kommen bei der Zunahme der immer älter werdenden Bevölkerung und der Gefahr zu Vereinsamung? Halten wir daran fest: Füreinander da sein und miteinander teilen als Ausdruck des christlichen Lebens.

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