Digital-Projekt zur Nazi-Historie geht in die Verlängerung

Nazi-Aufmarschort Kaiserpfalz: Die Aufnahme zeigt Adolf Hitler bei der Begrüßung der Goslarer Jäger am 30. September 1934. Ganz links ist der junge Jäger-Kommandeur zu sehen. Sein Name: Erwin Rommel. Repro: Schenk aus „Goslar Damals 1830-1939“
Die Finanzen für das Digital-Projekt „Goslar im Nationalsozialismus“ sind geregelt, aber in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Weltkulturerbe, Stadtgeschichte und Kultur gab es Streit um die Wortwahl in den Stelen-Texten und um Standorte.
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Goslar. Der vom Rat verordneten Nachspielzeit wird eine weitere Verlängerung am 29. November folgen: Nach Anfang Juni und jetzt wieder am Dienstagabend geht es an diesem Tag im Ausschuss für Weltkulturerbe, Stadtgeschichte und Kultur noch einmal ums Digital-Projekt „Goslar im Nationalsozialismus“ des Vereins Spurensuche Harzregion und des Rammelsberges.
Den 20.000-Euro-Zuschuss zum insgesamt 55.000 Euro teuren virtuellen Projekt hatte der Rat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause Ende Juni wie berichtet abgesegnet. Über die Zahl der real in der Stadt aufzustellenden Hinweis-Stelen wollte die Politik nach Antrag von Henning Wehrmann (Bürgerliste) aber nicht die Kulturverwaltung allein bestimmen lassen und hatte die Aufgabe an sich gezogen. Neu kommt jetzt der Wunsch hinzu, mit den Projektträgern über die stellenweise als überzogen „scharf und schneidig“ eingestuften Formulierungen zu verhandeln und diese neu abzustimmen.
Drei von insgesamt neun Stelen-Standorten hatte die Verwaltung ursprünglich in Frage gestellt. Am Bahnhof, an der Pfalz sowie an der früheren Reichsbauernschule an der Klubgartenstraße wurden Hinweise ursprünglich als unpassend empfunden. Museumschef Dr. Jan Habermann führte die Gründe noch einmal aus. Für die alte Bauernschule habe sich Grundstückseigentümer Dirk Junicke aber offen für eine Stelen-Aufstellung gezeigt, sagte Habermann. Er möchte aber bei der Gestaltung ein Wörtchen mitreden.
Stele am Bahnhof: „Einseitiges Bild“
Für Pfalz und Bahnhof blieb die Verwaltung beim Nein. Am Bahnhof, dem „Einfallstor für Touristen“, vermittele eine Stele „ein einseitiges Bild auf die Stadtgeschichte“. Und eine Adolf-Hitler-Straße – später wieder Rosentorstraße – ist laut Habermann kein Alleinstellungsmerkmal für Goslar. Auch an der Pfalz befürchtete er eine Einseitigkeit, vielleicht sogar einen Anreiz und Lockmittel für unerwünschte Gruppen aus dem rechten Milieu.
Der frühere Spurensuche-Chef und Goslarer Geschichtspreisträger Dr. Peter Schyga wiederum hatte das Areal an der Pfalz als zentralen Aufmarschort für Nazi-Propaganda bezeichnet. Dort sei der Mob gestartet, der im November 1938 den Juden Selmar Hochberg misshandelt habe, der später seinen Verletzungen erlag.
Die Politik zeigte in ihren Stellungnahmen durchaus Sympathie für drei Stelen-Standorte in der Altstadt mehr, zumal dort sonst am Frankenberg – laut Schyga vorher – nur an Pastor und Nazi-Gegner Adolf Holtermann erinnert werde. Jens Kloppenburg, Elke Brummer und Martin Mahnkopf für die SPD, Michael Ohse für die Linke und Anke Berkes für die „Grüne Partei 42“ äußerten sich in diese Richtung. Bei den Texten wollten aber auch sie nicht außen vorgelassen werden. Welterbe-Beauftragte Dr. Christine Bauer nannte die aktuellen Vorlagen „sehr anklagend formuliert“. Es sehe so aus, „als ob Goslar ganz besonders schlimm gewesen wäre“.
Keine Stele in Stalingrad
Dieter Freesemann (Kulturinitiative) fürchtete seinerseits, dass die ehemalige Reichsbauernstadt Goslar München noch den Rang als „Stadt der (Nazi-)Bewegung“ abspenstig machen wolle: „Ich verstehe nicht, warum wir den großen Vorreiter spielen.“ Sein Vater habe nach dem Krieg zehn Jahre lang in der Sowjetunion Zwangsarbeit geleistet. Für ihn stehe auch keine Stele in Stalingrad, sagte ein emotional angefasster Freesemann. Axel Dietsch, Behinderten-Beauftragter, war wiederum die zentrale Projektaussage gegen den „immer noch allgegenwärtigen Faschismus“ wichtig. Sie lautet: „Wir wollen das nicht.“
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