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Frau auf Parkplatz niedergestochen

Angriff in Salzgitter: Verdächtiger hat 1997 Verlobte erwürgt

Mit einem Großaufgebot waren Polizei und Feuerwehr am Montag in der Kampstraße in Lebenstedt im Einsatz. Foto: Rudolf Karliczek / FMN

Mit einem Großaufgebot waren Polizei und Feuerwehr am Montag in der Kampstraße in Lebenstedt im Einsatz. Foto: Rudolf Karliczek / FMN

Eine Frau wurde vor zwei Wochen auf einem Parkplatz im Norden von Salzgitter-Lebenstedt niedergestochen. Der mutmaßliche Täter hat bereits vor 26 Jahren seine Verlobte getötet. Zeitzeugen erinnern sich an die Tat und die Umstände.

Mittwoch, 23.08.2023, 16:00 Uhr

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Salzgitter. Es geschah vor zwei Wochen, mitten auf einem Supermarkt-Parkplatz am Rabenacker in Lebenstedt. Ein Mann stach am helllichten Tag auf eine Frau ein. Die 62-Jährige wurde so schwer im Gesicht verletzt, dass die Polizei sie bis heute nicht vernehmen konnte. Einige Fragen sind daher vorerst offen, doch die Fakten zeichnen schon jetzt ein immer klareres Bild. Das Bild des mutmaßlichen Versuchs einer Trennungstötung – und eines Tatverdächtigen mit einer einschlägigen Vorgeschichte der Gewalt gegen Frauen.

Bei dem mutmaßlichen Angreifer handelt es sich nach Informationen unserer Zeitung um einen 61 Jahre alten Deutschen aus Salzgitter. Das Opfer: seine frühere Partnerin. Sie hatte sich einige Zeit vor der Attacke am 7. August von ihm getrennt und war aus der gemeinsamen Wohnung in der Kampstraße ausgezogen, bestätigt die Braunschweiger Staatsanwaltschaft.

Der 61-Jährige scheint sie an diesem Tag auf dem Parkplatz des West-Ost-Marktes abgepasst zu haben. Zeugen berichten von einem kurzen Wortwechsel. Dann habe der Angreifer mit einem langen Messer auf Gesicht und Oberkörper seiner Ex eingestochen, die von dem Angriff völlig überrascht schien, berichtet Andy Belke, Sprecher der Braunschweiger Staatsanwaltschaft.

Ein langes Kampfmesser

Augenzeugen sprechen von einem 30 Zentimeter langen Kampfmesser. Als Beobachter auf die brutale Attacke reagierten, sei der Angreifer vom Tatort geflohen. Das Messer wurde einen Tag später auf dem Wäscheplatz eines Mehrfamilienhauses in der Nähe gefunden. „Es wird derzeit untersucht“, erklärt Staatsanwalt Belke.

Was danach geschah, bleibt rätselhaft. Eine halbe Stunde nach der Attacke auf dem Parkplatz wurde die Feuerwehr alarmiert: Größere Rauchschwaden stiegen aus einer Wohnung in der Kampstraße, rund vier Kilometer vom Ort des Angriffs entfernt. Es handelt sich um die Wohnung des Tatverdächtigen, aus der seine ehemalige Partnerin ausgezogen war.

Die Ermittler vermuten, dass der 61-Jährige den Brand gelegt hatte. Ihn selbst fand man im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses. Bis auf eine leichte Rauchgasvergiftung war er unverletzt. Noch vor Ort nahm man ihn fest. Er befindet sich unter dringendem Tatverdacht in Haft – das schwer verletzte Opfer hatte den Polizisten offenbar noch den Namen des Angreifers auf dem Parkplatz nennen können.

Viel Blut verloren

Die 62-Jährige verlor viel Blut und erlitt mehrere Brüche, unter anderem des Kiefers, sagt Staatsanwalt Belke. Bis heute habe sie – auch aufgrund der Stichverletzungen im Gesicht – nicht ausführlicher mit der Polizei sprechen können. „Wir geben ihr so viel Zeit, wie sie braucht“, so Belke.

Der Tatverdächtige schweigt bisher zu den Vorwürfen. Auch sein Verteidiger gibt zum jetzigen Zeitpunkt keinen Kommentar ab. Ob und warum er die Wohnung angesteckt hat, ist unklar. Wollte er auch die letzten Spuren des gemeinsamen Lebens zerstören? Die Staatsanwaltschaft geht bislang vom Verdacht des versuchten Totschlags aus. „Wir prüfen jedoch, ob Mordmerkmale vorliegen“, so ihr Sprecher Andy Belke. Dafür spielt das Tatmotiv eine wichtige Rolle.

Es wäre nicht das erste Mal, dass der 61-Jährige in Zusammenhang mit einer Trennung gewalttätig wird. Nach Informationen unserer Zeitung erwürgte er vor fast 26 Jahren seine damalige Verlobte – nur zwei Kilometer vom heutigen Tatort entfernt. Das Braunschweiger Landgericht verurteilte ihn wegen Totschlags zu neun Jahren und drei Monaten Haft.

Zeitzeugen erinnern sich bis heute an die Tat und die Umstände. In der Beziehung hatte es damals seit Längerem Streitigkeiten gegeben, der Mann soll eifersüchtig gewesen sein. Seine Verlobte wollte ausziehen. Eines Abends folgte er ihr und beobachtete sie beim Sex mit einem anderen. Daraufhin betrank sich der damals 35 Jahre alte Mann. Als seine Verlobte in der Nacht nach Hause kam, stellte er sie zur Rede. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, bedrängte er sie erneut. Es kam zum Streit, sie ohrfeigte ihn. Der Mann schlug sie mit der Faust, stieß sie aufs Bett, setzte sich auf sie und erwürgte sie. Danach ging er mit dem Hund spazieren.

Später fand die Mutter der Toten ihre Tochter. Der damals 35-jährige Täter gestand, sie getötet zu haben. Das Gericht sah seine Schuldfähigkeit im Urteil als erheblich vermindert an, weil er betrunken war, als er seine Verlobte erwürgte. 

Wer den Spuren des jetzigen Tatverdächtigen in die Vergangenheit folgt, stößt noch auf weitere Gewalttaten. Anfang der 1990er Jahre saß er bereits wegen Vergewaltigung hinter Gittern. Auch das dürfte in einem neuen Prozess gegen den 61-Jährigen Thema sein. 

Von Erik Westermann, Funke Medien Gruppe

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