Trotz Hass im Netz: Niedersachsen gegen Klarnamenpflicht
Diskussionen in Online-Foren und Netzwerken überschreiten oft die Grenzen von Recht und Anstand. (Symbolbild) Foto: Fabian Sommer/dpa
Mehr als 3.500 Verfahren wegen Online-Hetze verzeichnet Niedersachsens Zentralstelle zur Bekämpfung von Hass und Hetze im Internet binnen eines Jahres. Was will das Land gegen Hasskommentare tun?
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Hannover. Trotz der oft hasserfüllten Auseinandersetzungen im Internet sieht Niedersachsens Justizministerium die Idee einer Klarnamenpflicht im Netz kritisch. „Gerade denjenigen, die sich rechtstreu verhalten und an einem pluralistischen Diskurs teilnehmen möchten, muss es möglich sein, frei zu entscheiden, ob sie das in anonymisierter Form tun möchten oder nicht“, sagte eine Sprecherin von Ministerin Kathrin Wahlmann (SPD).
Zwar könnten Klarnamen dazu führen, dass die Hemmschwelle für Hasskommentare steige und es so zu weniger persönlichen Angriffen in sozialen Netzwerken komme. Ob diese Annahme tatsächlich zutreffe, könne aber nicht wirklich vorhergesagt werden.
Hass und Hetze „akute Gefahr“ für Demokratie
Vielmehr zeige sich in letzter Zeit, dass auch öffentlich und unter Angabe der wahren Identität gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gehetzt und Personengruppen beleidigt und verleumdet würden. „Die Hoffnung, dass eine Klarnamenpflicht zur Mäßigung beiträgt, wird sich daher bei den überzeugten Hetzern nicht erfüllen“, sagte die Sprecherin weiter.

Niedersachsens Justizministerin Wahlmann plant eine Bundesratsinitiative gegen digitale Gewalt. (Archivbild) Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Hinzu komme ein erhebliches Risiko von Datenmissbrauch und Datendiebstählen. In Bezug auf die rechtstreuen Internetnutzenden würde die Klarnamenpflicht daher bedeuten, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Nichtsdestotrotz seien Hass und Hetze im Internet eine „akute Gefahr“ für die freiheitlich-demokratische Gesellschaft, sagte Wahlmanns Sprecherin weiter.
Gesetz gegen digitale Gewalt: Niedersachsen plant Initiative
Zur Bekämpfung digitaler Gewalt gibt es in Niedersachsen die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hass und Hetze im Internet (ZHIN), die bei der Staatsanwaltschaft Göttingen angesiedelt ist. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der dort eingehenden Verfahren vervielfacht: von 1.136 Eingängen von Juli 2021 bis Juni 2022 auf mehr als 3.500 von Juli 2023 bis Juni 2024. Mit dem Haushalt 2024 schuf die rot-grüne Landesregierung daher nach Angaben des Justizministeriums insgesamt sieben neue Stellen bei der Zentralstelle.
Justizministerin Wahlmann plant zudem eine Bundesratsinitiative für ein Gesetz gegen digitale Gewalt. Dabei gehe es nicht nur eine konsequente Strafverfolgung, sondern auch darum, dass Betroffene zeitnah vor Gerichten die Sperrung einzelner Posts oder eines ganzen Accounts erwirken könnten, hieß es.
Der frühere Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte dafür bereits ein Eckpunktepapier vorgelegt. Mit dem Ende der Ampel-Regierung wurde dieses allerdings hinfällig.