„Mozart/Mozart“: ARD-Serie feiert ein vergessenes Wunderkind
Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791). Foto: Andy Bernhaut/dpa
Pompöse Palastkulissen, feministische Rebellion und Mozart wie nie zuvor: Die neue ARD-Serie „Mozart/Mozart“ ist mehr als ein Biopic. Was macht die sechs Folgen so besonders?
Wien. Mit „Mozart/Mozart“ zeigt die ARD kurz vor Weihnachten ein ungewöhnliches Biopic: Die Mini-Serie erzählt das Leben der musikalischen Wunderkinder Maria Anna und Wolfgang Amadeus Mozart – und das aus einer bewusst modernen Perspektive. Im Mittelpunkt steht dabei die lange übersehene Schwester des Genies: Maria Anna, genannt Nannerl, die im Schatten ihres jüngeren Bruders früh zur Seite gedrängt wurde.
Die sechs Folgen sind ab dem 12. Dezember in der ARD-Mediathek zu sehen und laufen im Ersten am 16. und 17. Dezember (ab 20.15 Uhr).
Havana Joy, die die Rolle verkörpert, zeigt sich selbst überrascht von ihrer Figur. „Ich habe von ihr vorher ehrlicherweise noch nie gehört. Und das zeigt ja schon, wo das Problem liegt und wie wichtig es ist, dass man solchen Figuren Gehör verschafft“, sagt die Schauspielerin („Love Sucks“) im Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Ich finde es wichtig, mehr Licht auf diese vergessenen Frauen der Geschichte zu werfen, weil es unglaublich viele davon gibt.“
Das frühere Karriere-Ende der Mozart-Schwester
Maria Anna Mozart ist als junge Frau selbst gefeiertes Wunderkind, reist mit Vater Leopold und Bruder Wolfgang durch halb Europa, begeistert das Publikum am Klavier. Doch während Wolfgang weiter gefördert wird, reißt Nannerls Karriere abrupt ab – ihre Talente passen nicht in die Frauenrolle des 18. Jahrhunderts.
Die Serie, die 20 Jahre später ansetzt, versteht sich ganz und gar nicht als reine Geschichtsstunde. „Wir haben ja gar keine biografische Serie gemacht“, erklärt Joy. „Wir haben uns inspirieren lassen von diesen Figuren.“ Sie las Anna Maria Mozarts Biografie, um sich in deren Zeit hineinzuversetzen, aber viel wichtiger wurde die emotionale und körperliche Annäherung – etwa an den Umgang mit Musik selbst.
Die Serie zeichnet ein düsteres Bild des männlichen Mozart-Genies. Der Frauenheld und Rockstar-Virtuose auf der Suche nach künstlerischer Freiheit kämpft mit einer Handgelenksverletzung, greift zu Alkohol und Schmerzmitteln und sorgt bei einem Auftritt in Salzburg für einen Skandal. Darum springt das weibliche Mozart-Genie immer wieder mit blonder Perücke für den Bruder ein, will sogar eine Volksoper in Wien schreiben: „Wenn sie Mozart wollen, dann geben wir ihnen Mozart“, sagt Maria Anna selbstbewusst.
Pompöse Palastkulissen im Baltikum
Die Dreharbeiten der opulent ausgestatteten Serie fanden zum großen Teil im Studio im Baltikum statt, wo täuschend echte, prachtvolle Palastkulissen entstanden. „Da hereinzulaufen, war schon abgefahren“, sagt Joy. „Wenn man sich im Kostüm in so einem Set bewegt, gleitet man automatisch in diese Rolle.“
Auch Eren M. Güvercin, der den Star-Komponisten („Die Zauberflöte“, „Don Giovanni“) spielt, empfand die Dreharbeiten als außergewöhnlich. „Es war erst mal eine große Herausforderung, diese ganzen Erwartungen auszublenden, wenn man so eine ikonische Figur wie Mozart spielen darf“, sagt der 23-Jährige, der jüngst in der RTL+-Serie „Euphorie“ zu sehen war. Der Oscar-prämierte US-Filmklassiker „Amadeus“ (1984) habe ihm dabei geholfen, sich dem historischen Stoff zu nähern.
Besonders reizvoll ist für Güvercin die feministische Perspektive der Serie. „Ich hatte früher wenige Männeridole. Ich konnte einfach verstehen, was wir mit dieser Serie anders machen“, sagt er. „Wenn eine Havana Joy als Mozart in so einen Raum geht und erst mal alles durchbrennen lässt, hat das eine krasse Wichtigkeit.“
Erfolgreiche Frauen auch hinter der Kamera
Auch hinter der Kamera wurde das Projekt von Frauen geprägt, etwa von Autorin Swantje Oppermann („Dignity“), Regisseurin Clara Zoë My-Linh von Arnim („Die Zweiflers“), Komponistin Jessica De Rooij („Sisi“) oder der Emmy-nominierten Kostümbildnerin Daiva Petrulyte („Chernobyl“).
„Mozart/Mozart“ verwebt historische Fakten mit fiktiven, teils gegenwärtig anmutenden Elementen, insbesondere moderner Elektrobeats, die ins Ohr gehen. Auch die Kostüme und Ausstattung können sich sehen lassen, dazu kommen zwei unverbrauchte Gesichter in den Hauptrollen.
Der Mozart-Trend geht übrigens weiter: Ab 21. Dezember ist bei Sky (und Wow) die fünfteilige, internationale Serie „Amadeus“ zu sehen. Grundlage ist das 1979 uraufgeführte Theaterstück von Peter Shaffer. Schwester Maria Anna spielt darin keine Rolle.