Zähl Pixel
Teiche und Stauseen im Harz (11)

Kiesteiche: Schladens Badewannen mit dem Plansch-Verbot

Blick vom Vogelbeobachtungsturm auf den Kiesteich. Die Panoramafunktion der Kamera lässt den geraden Balken im Vordergrund geschwungen erscheinen – die gute Wasserqualität lässt sich allerdings nur erahnen. Fotos: Gereke, dpa, Fischereiverein

Blick vom Vogelbeobachtungsturm auf den Kiesteich. Die Panoramafunktion der Kamera lässt den geraden Balken im Vordergrund geschwungen erscheinen – die gute Wasserqualität lässt sich allerdings nur erahnen. Fotos: Gereke, dpa, Fischereiverein

Schladen. Als in den 1930er Jahren östlich von Schladen an der Steinfelder Mühle das Ausbeuten des Bodens begann, da diente der Kies dem Aufbau der Reichswerke Hermann Göring in Watenstedt. Ein Werk, das den Nationalsozialisten für ihre Autarkie und Kriegspläne diente. Seit einigen Jahren ist der Kiesabbau vorbei – nördlich und südlich der B 82, wo ab etwa 1970 auch Kies gewonnen wurde, entwickelt sich seitdem ein Eldorado für Naturliebhaber.

Donnerstag, 27.08.2020, 15:06 Uhr

Für nur 0,99 € alle Artikel auf goslarsche.de lesen
und im ersten Monat 9,00 € sparen!
Jetzt sichern!

Das Steinfeld, es war karges Land und musste erst unter großen Mühen urbar gemacht werden, erzählt Rolf Reichelt vom Nabu. Durch den Betrieb der Zuckerfabrik seit 1870 fiel jedes Jahr Erde an, die – auf die mageren Böden aufgebracht – dort erst Landwirtschaft ermöglichten.

Im Auftrag des Fischereivereins schaffen Taucher mit Totholz unter Wasser Laichplätze für heimische Fische. Eine einmalige Aktion: Die Teiche sind kein Tauchrevier.

Im Auftrag des Fischereivereins schaffen Taucher mit Totholz unter Wasser Laichplätze für heimische Fische. Eine einmalige Aktion: Die Teiche sind kein Tauchrevier.

Im Laufe von mehr als 60 Jahren Kiesabbau bis zum Jahr 2002 entstand nördlich der B82 ein Gewässer mit einer Fläche von etwa 84 Hektar. Insgesamt sind dort rund 65 Millionen Tonnen Kies abgebaut worden. „Durch den Einsatz von Schwimmbaggern konnten die Kieslagerstätten optimal genutzt werden, sodass Wassertiefen von mehr als 30 Metern entstanden“, erzählt Reichelt. Dazu hatte der Teich sogar einen Hafen: „Anfangs kam der Kies noch nicht mit Förderbändern an Land, sondern mit Kähnen. Das Entladen erfolgte im Hafen, von wo er per Schiene zum Weitertransport gelangte.“

Die Art des maximalen Abbaus ist aber heute ein Problem des Teichs. „Er ist wie eine große Badewanne, die Ufer fallen steil ab“, erzählt Uwe Deutsch, Vorsitzender des Fischereivereins, der den Teich gepachtet hat. So hat das Gewässer keine Flachwasserzonen, in der Röhricht wächst. „Entsteht bei Wind starker Wellenschlag, gibt es keinen Röhricht, der als Wellenbrecher fungieren kann. Die Wellen klatschen ans Ufer und können so für Abbrüche sorgen“, erzählt Reichelt. Aus Angst, dass auf diese Weise irgendwann der Eckergraben angenagt werden und verunreinigtes Wasser in den Teich gelangen könnte, ist der Graben vor Jahren auch verlegt worden.

Gespeist wird der Teich durch Grundwasser – und ist Teil einer Trinkwasserschutzzone. „Mit deren Ausweisung war hier auch der einst rege Badebetrieb verboten. Sogar Wasserski lief man damals auf dem See“, sagt Reichelt. Weil der Teich in einem Schutzgebiet liegt, sind seine heutigen Funktionen Naturschutz und Angelgebiet.

„Hier kann man ornithologische Raritäten entdecken, wenn man sich Zeit nimmt“, so Reichelt. Er zählt Fischadler und Seeadler auf, die schon am Teich zu sehen waren – ebenso der Nordische Prachttaucher. Ein Rundweg um den Teich ist mehr als acht Kilometer lang, am Ostufer befindet sich ein Vogelbeobachtungsturm. „Beides entstand, um entlang des Grünen Bandes interessante Besucherpunkte zu schaffen“, erzählt Reichelt.

Übrigens: „In unserer Region hat es so ein Gewässer dieser Größe einst gar nicht gegeben. Die Oker durchfloss früher auf einer Breite von einem Kilometer das Tal, bildete nach Hochwasser mal Altarme, zurück blieben Tümpel von einer Größe von vielleicht 100 Quadratmetern.“

Südlich von Isingerode erfolgt die Renaturierung durch natürliche Sukzession.

Südlich von Isingerode erfolgt die Renaturierung durch natürliche Sukzession.

Während am Teich nördlich der B82 nach dem Ende des Kiesabbaus 2002 der Mensch die Renaturierung anschob und Anpflanzungen vornahm, sieht die Sache bei den beiden Teichen südlich von Isingerode anders aus. Hier soll die natürliche Sukzession, also die natürliche Pflanzennachfolge, die Renaturierung übernehmen. Die Auskiesung begann dort im Schatten der DDR-Grenze 1970 und dauerte bis 2008. An der tiefsten Stelle misst der Teich 22 Meter.

Aber auch die natürliche Sukzession birgt Probleme: „Natürliche Schotterflächen sind ein wichtiger Brutplatz für den Flussregenpfeifer. Durch die Sukzession kann aber offenes Gelände verloren gehen. Nur durch regelmäßige Eingriffe könnte es erhalten werden, aber die kosten wiederum Geld.“ Wenn der Mensch nicht mehr Hand anlegt, verändern sich Lebensräume: Steilufer, die durch den Abbau entstanden, an den Teichen flachen ab – damit schwindet der Lebensraum der Uferschwalbe.

Am Kiesteich nördlich der B 82 steht ein Vogelbeobachtungsturm.

Am Kiesteich nördlich der B 82 steht ein Vogelbeobachtungsturm.

Der Kiesabbau hinterließ südlich der B82 zwei Teiche, „Oberteich und Unterteich“, wie sie Reichelt nennt. Getrennt sind sie durch einen Damm, der Oberteich liegt etwa drei Meter höher. Reichelt plädiert dafür, an den Wegen Sichtschneisen zu schlagen, damit das Wasser wahrnehmbar bleibt. „Man geht ein paar Meter vom Ufer entfernt, aber sieht den Teich gar nicht mehr, weil die Vegetation so dicht geworden ist.“ Den nördlichen der beiden Teiche nutzt übrigens auch der Fischereiverein, ist dort Eigentümer und plant in einem alten Bürogebäude des einstigen Kieswerks ein Fischereimuseum, so Deutsch. Der Rest dort ist im Besitz einer Privatperson.

Ein Problem dort: Badegäste. Deshalb musste auch ein Zaun gezogen werden, damit eine der Schotterflächen, die als Brutplatz dient, nicht mehr befahren werden kann, so Deutsch.

Gewässer: Kiesteiche bei Schladen
Entstehung: Kiesabbau von 1938 bis 2002 (Teich nördlich der B 82) bzw. 1970 bis 2008 (Teiche südlich der B 82)
Lage: zwischen Schladen und Isingerode, Trinkwasserschutzgebiet
Zufluss: keiner, Speisung durch Grundwasser
Maße: der nördliche Teich hat eine Fläche von etwa 83 Hektar und eine maximale Tiefe von rund 30 Metern, die südlichen Teiche haben insgesamt eine Fläche von etwa 45 Hektar und eine maximale Tiefe von 22 Metern
Nutzung: Naturschutz und Angeln, Wassersport und Baden sind an den Gewässern verboten

Auch Seeadler haben Vogelkundler an den Kiesteichen schon erspäht. Die Gewässer sind auch ein Ort, um ornithologische Raritäten in der Region aufzuspüren.

Auch Seeadler haben Vogelkundler an den Kiesteichen schon erspäht. Die Gewässer sind auch ein Ort, um ornithologische Raritäten in der Region aufzuspüren.

Der Schladener Naturfotograf Manfred Mund ist oft an den Kiesteichen. Hier hat er mit der Kamera zwei Gänsesäger im Flug eingefangen.

Der Schladener Naturfotograf Manfred Mund ist oft an den Kiesteichen. Hier hat er mit der Kamera zwei Gänsesäger im Flug eingefangen.

Rolf Reichelt blickt aufs Wasser und hält Ausschau nach seltenen Vögeln.

Rolf Reichelt blickt aufs Wasser und hält Ausschau nach seltenen Vögeln.

Raubfisch unter Wasser: ein Hecht im Kiesteich südlich von Isingerode.

Raubfisch unter Wasser: ein Hecht im Kiesteich südlich von Isingerode.

Diskutieren Sie mit!
Weitere Themen aus der Region

Weitere Themen