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Teiche und Stauseen im Harz (8)

„Herzer“: Er hat das Zeug zur Drama-Queen

Mitten im Sonnenschein sieht der „Herzer“ aus, als könnte ihn kein Wässerchen trüben (links). Im Abendhauch wird es rund ums kühle Gewässer im Bergtal mystisch (rechts).  Fotos: Epping / Kempfer

Mitten im Sonnenschein sieht der „Herzer“ aus, als könnte ihn kein Wässerchen trüben (links). Im Abendhauch wird es rund ums kühle Gewässer im Bergtal mystisch (rechts). Fotos: Epping / Kempfer

Wer die Chance nutzt, sich in den Abendstunden im Herzberger Teich hinter dem Besucherbergwerk Rammelsberg zu erfrischen, den nimmt schnell etwas Mystisches gefangen. Die Abendsonne scheint noch – irgendwo, aber nicht mehr am Ufer des Teichs, der 1561 im Auftrag von Herzog Heinrich dem Jüngeren und der Stadt Goslar angelegt wurde, um die Wasserversorgung für die Kunsträder im Bergwerk zu gewährleisten. Damit wurde der Betrieb der Gruben auch in trockenen Zeiten gesichert.

Dienstag, 11.08.2020, 17:08 Uhr

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Der vom Winterbach gespeiste „Herzer“, Lieblingsteich vieler Goslarer, wird zu später Stunde Bestandteil des Schattenreichs. Wenn die Dämmerung hereinbricht, verschwinden nach und nach die bunten Badetücher vom Ufer, packen Eltern ihre Kinder ein, verstummt die Musik, die verrät, was man hören muss, wenn man jung ist und cool sein will.

Im Wesentlichen sind es zwei Badestellen an den jeweils kurzen Ufern des länglichen Teiches, die gut frequentiert sind. Die beiden langen Seiten könnten unterschiedlicher kaum sein – die Teichzugänge sind dort allerdings eher unattraktiv, Kraxeln erforderlich. Wer den Teich umrundet, ist nicht viel länger als 20 Minuten unterwegs. Auf der einen Seite geht es die Straße entlang, die zur alten Waldgaststätte „Kinderbrunnen“ führt. Die andere Seite ist voll verschattet und führt am Ufer entlang durch dichten Wald – Jungs haben hier ein Seil an einen Ast gebunden und schwingen sich damit filmreif ins Wasser – ein natürlicher Abenteuerspielplatz.

„Herzer“: Er hat das Zeug zur Drama-Queen

Am verlassen wirkenden Waldgasthaus „Kinderbrunnen“ ist die Zeit stehen geblieben. Die Tische und Stühle sind ordentlich aufgestellt wie in einem Museum – das jedoch, welch Überraschung, nachmittags noch bewirtschaftet wird!

Auf einem roten Schild wird Wissbegierigen auf dem Weg dorthin erklärt, was es mit dem Namen auf sich hat. Saniert wurde die Tafel, die mal eine Abreibung vertragen könnte, 2007 von der Kulturinitiative. Darauf heißt es: „Als Herzog Gundel Karl nach böser Pest das Bergwerk wieder hergestellt, wünschte Gosa, seine Gemahlin, dieses zu sehen, wobei sie hier zwei Knäblein gebar und dabei starb.“

Pest? Tod im Kindbett? Beides lässt den Ort doch eher verwunschen erscheinen. Gänsehaut? Bekommen die unerschrockenen Badegäste wohl eher von den Temperaturen, und auch die sind in warmen Sommern kommod: 21 Grad misst das Badethermometer in Ufernähe. „Kinderbrunnen“, das steht nicht nur fürs Gasthaus, dahinter verbirgt sich auch ein „echter“ Brunnen – noch heute füllen sich Goslarer dort gerne Wasser ab.

Auch in der Historie überlebte das Positive: Der Tod der Gemahlin Gosa wird offenbar hingenommen; was bleibt, ist der Mythos des Kinderbrunnens als Fruchtbarkeitsquelle. Licht und Schatten liegen eng beieinander am Herzberger Teich. 1651 brach sein Damm, das Wasser soll großen Schaden in Goslar angerichtet haben. 1768 wurde er erneuert und mit stabilerem Damm ausgestattet, vier Meter höher als zuvor. Hatte der Teich nach seiner Entstehung zunächst 25.000 Kubikmeter Fassungsvermögen, wuchs dies bei der Neuanlage auf 100.000 Kubikmeter an. Der „Herzer“ teilte das Schicksal anderer Versorgungsteiche im Bergbau: Sie verloren nach der Elektrifizierung im 20. Jahrhundert an Bedeutung.

Die Jugendstil-Bauten des Waldseebads Herzberger Teich standen unter Denkmalschutz – 2013 brannten sie jedoch bei einem Feuer ab.  Archivfoto: Schenk

Die Jugendstil-Bauten des Waldseebads Herzberger Teich standen unter Denkmalschutz – 2013 brannten sie jedoch bei einem Feuer ab. Archivfoto: Schenk

Seine zweite Karriere war kürzer, aber intensiv: Der Herzer wurde zu einer Badeanstalt, zum vereinseigenen Freibad des SC Hellas. Die Genehmigung der Unterharzer Berg- und Hüttenwerke war an allerlei Auflagen gebunden, schrieb der Publizist Bernd Sternal aus Gernrode: für Damen wurden gesonderte Schwimmzeiten gefordert. Wir schreiben das Jahr 1925.

1926 wurde das Familienbad Herzberger Teich unter großer Anteilnahme der Bevölkerung eingeweiht und der Öffentlichkeit übergeben. Das älteste vereinseigene Schwimmbad Norddeutschlands feierte 2001 sein 75-jähriges Bestehen. Die Feierlichkeiten fielen fast ins Wasser – es schüttete wie aus Eimern, berichtete die GZ.

Das Hundertjährige wird es nicht mehr geben; die Blütezeit war vorbei. Der Herzer fiel in einen Dornröschenschlaf. Zwar waren die Waldbadgebäude 1996 unter Denkmalschutz gestellt worden; geplante Renovierungen konnten aus finanziellen Gründen jedoch nie umgesetzt werden. 2013 brannten dann auch noch die Außenanlagen ab.

2006 bis 2009 war das Bad offiziell nur für die Mitglieder des „Hellas“ geöffnet, bevor der Verein, damals geführt von Rainer Michel, nach langem Kämpfen und Hoffen die Reißleine zog und aufgab. Das Waldschwimmbad wurde geschlossen.

Wer glaubte, damit das Baden verhindern zu können, hatte die Rechnung ohne die Goslarer gemacht. Selbst der Maschendrahtzaun, der 2010 den Zugang zur Straße abriegelt, hielt sie nicht davon ab, sich ein Loch im Zaun zu suchen und „wild“ zu baden: „Abstimmung mit der Badehose“ titelte die GZ am 10. Juli 2010. Ein Jahr später wurde die Einzäunung wieder beseitigt und ein Zugang zum Ufer geschaffen. Seitdem ist Baden auf eigene Gefahr wieder erlaubt.

Herzberger Teich

Herzberger Teich

Das nutzt nicht nur die ehemalige „Hellenin“ Heike Göttert intensiv – sie schwamm sechs Jahre für den Hellas – jedes Jahr von April bis Oktober. Kein Wunder also, dass sie da heute „ganz cool reingehen“ kann. „Wenn du so in die Baumwipfel schaust und der Wind dir ins Gesicht bläst, dann ist das wie ein Reset“, erklärt sie die Faszination – alles falle von ihr ab, und das in Sekunden. „Es macht etwas mit Dir – die Natur berührt Dich.“

Im Herzer erfrischt sich bei den Fischen, wer der Natur den Vorzug vor Gekacheltem gibt; wer für ein kurzes Abtauchen ins 21 Grad warme Wasser keine 3,90 Euro ausgeben will oder kann und wem die Arbeitszeiten keine andere Wahl lassen. Der „Herzer“ hat keine Öffnungszeiten – das Wasser ist immer da, und die Goslarer auch. Unerschrockene drehen in schönen Sommernächten auch mal eine Runde unterm Sternenhimmel.

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