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Von Braunlage aus mit der Brockenbahn zum Gipfel

Große Ost-West-Tourismus-Träume

Ein früherer Entwurf für die Seilbahn in Schierke. Jetzt sollen neue Pläne erarbeitet werden. Foto: Richter Architekten Braunlage

Ein früherer Entwurf für die Seilbahn in Schierke. Jetzt sollen neue Pläne erarbeitet werden. Foto: Richter Architekten Braunlage

An die alpinen Skiträume am Winterberg in Schierke scheint mittlerweile kaum noch jemand zu glauben. Doch das Ringen um eine Seilbahn in dem Ort unterhalb des Brockens geht mit veränderten Plänen weiter – zugleich werden altbekannte Überlegungen belebt, die Brockenbahn mit einer Braunlager Nebenstrecke zu erweitern.

Von Oliver Stade Freitag, 29.10.2021, 08:30 Uhr

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Harz. Die in Wernigerode erscheinende „Volksstimme“ berichtete kürzlich über eine „zweite Chance“ für die Schierker Seilbahn. Doch das Vorhaben, angestoßen vom Halberstädter Landrat Thomas Balcerowski (CDU), unterscheidet sich grundlegend von den früheren, heftig umstrittenen Plänen, weil es die neuralgischen Punkte umschifft.

Die Trasse schlägt nun einen großen Bogen um das geschützte Gebiet zwischen Großem und Kleinem Winterberg in Schierke, sie würde nach den aktuellen Vorstellungen von Ortsrand bis zum Loipenhaus reichen. Von dort ist der Wurmberg zu Fuß zu erreichen. Balcerowski sagt indes: „Ideal wäre es, wenn die Seilbahn bis zum Wurmberg reichen würde.“

Die Fläche mit dem streng geschützten Schierker Moorwald würde weiträumig gemieden. Mindestens genauso wichtig: In den aktuellen Plänen spielt die alpine Skipiste keine Rolle mehr, die in Zeiten des Klimawandels und angesichts der erforderlichen künstlichen Beschneiung reichlich Kritik und Zweifel hervorgerufen hatte. Landrat Balcerowski erklärt: „Wir wollen uns nicht wieder eine blutige Nase holen.“ Die Planungen sollten „naturverträglich“ sein.

Kommunale Gremien sind mit den Plänen noch nicht befasst. Vor allem geht es nun darum, Investoren zu finden. Der aus Hildesheim stammende Unternehmer Gerhard Bürger, der dem Harz mit einem Zweitwohnsitz in Braunlage eng verbunden ist, hat sich nach jahrelangem Kampf von dem Seilbahn- und Skiprojekt verabschiedet. Sein Konzept soll er der Stadt, mit der er zuvor über die Erstattung von Planungskosten stritt, für 400.000 Euro verkauft haben.

Der aktuelle Plan ist, die naturschutzrechtlichen Hürden und die Klimazweifel zu umgehen: Wegen vieler offener Fragen hatte das Verkehrsministerium in Magdeburg das Raumordnungsverfahren für die früheren Seilbahnpläne im Juni 2019 „dauerhaft ruhend gestellt“.

Ein weiteres Problem der früheren Seilbahnpläne war, dass die angestrebte länderübergreifende Wintersport-Kooperation angesichts von Widerstand am Wurmberg Wunschdenken blieb. Die Braunlager Seilbahnbetreiber fürchteten, dass ihre Pisten überlaufen werden könnten. Auch dieses Problem scheint nun vom Tisch. Eine alpine Skipiste am Winterberg hält Landrat Balcerowski „für abwegig“. Und Braunlages Bürgermeister Wolfgang Langer gehört zu den Befürwortern des aktuellen Seilbahnprojektes.

Wohl nicht ganz zufällig prüfen die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) ein weiteres Projekt mit Ost-West-Bezug: Das kommunal getragene Unternehmen, an die die Stadt Braunlage über ihren Tourismusbetrieb beteiligt ist, soll abermals untersuchen, wie sich eine Nebenstrecke von Braunlage über Elend zum Brocken realisieren lässt.

2009 war die West-Erweiterung der Brockenbahn zuletzt ein großes Thema, sie scheiterte an einer Grundsatzfrage: Niedersachsen scheute die laufenden Kosten. Die Dampfloks der HSB fahren, das gesamte Streckennetz betrachtet, nicht kostendeckend. Zuschüsse sind erforderlich.

In den Büros der HSB in Wernigerode prüfen die Mitarbeiter neben Braunlage eine weitere Alternative: Nach Vorstellung der schwarz-rot-gelben Koalition in Magdeburg könnte die Westernstadt Pullman City in Hasselfelde zum Streckennetz passen. Balcerowski war an der Koalitionsvereinbarung beteiligt. In dem Papier ist von einem Planungsbeschleunigungsgesetz die Rede. Investoren sollten ermuntert werden, ausdrücklich genannt wird eine HSB-Erweiterung nach Pullman City. Thomas Balcerowski, ein pragmatischer Verwaltungschef, sagt, wenn Hasselfelde geprüft würde, könnte Braunlage gleich mituntersucht werden. Die Stadt sei nur deshalb nicht im Koalitionsvertrag erwähnt worden, weil sie in Niedersachsen liegt.

Das Thema ist komplex. Aus dem Haus der HSB heißt es, die Kosten seien heute mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich höher als seinerzeit. 2009 war die Rede von mindestens 12,3 Millionen Euro Investitionskosten sowie jährlichen Folgekosten von 1,4 Millionen Euro; es gab auch Varianten mit Investitionen von bis zu 32,6 Millionen Euro.

Aktuell rechnen Fachleute sogar mit einer Summe, die zwischen 50 und 100 Millionen Euro liegen würde. Um Braunlage ans HSB-Netz anzuschließen, müssten 4,6 Kilometer Schienen verlegt werden. Den damaligen Plänen zufolge wäre an der Elbingeröder Straße in Braunlage ein kleiner Bahnhof entstanden.

Bekannt wurden die aufsehenerregenden Überlegungen seinerzeit übrigens, weil Philipp Rösler, der damalige Wirtschaftsminister Niedersachsens und Schwiegersohn des Goslarer FDP-Kommunalpolitikers Dr. Jürgen Lauterbach, in Goslar beim Unternehmerfrühstück darüber gesprochen hatte.

Balcerowski ist Feuer und Flamme. Er spricht von einem „Jahrhundertprojekt“ und sieht Seilbahn und HSB-Erweiterung als „einmalige Chance, die Freizeitaktivitäten untereinander zu verbinden“ und einen „Mehrwert für alle“ zu erzielen. Sonntagsreden gebe es genug, es komme jetzt darauf an, zu handeln.

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Thomas Balcerowski

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