GZ-Podcast mit Janine S.: „Multiple Sklerose ist ein Chamäleon“

Janine S. (rechts) und GZ-Moderatorin Caterina Klaeden sprechen im Podcast „Gäste-Zimmer“ über ein Leben mit MS. Foto: Roß
Unkontrollierbares Zittern, Schmerzen, Sprachstörungen - Wie die an Multipler Sklerose erkrankte Janine S. ihren Alltag bewältigt und welche Rolle ihre Familie dabei spielt, erzählt die 37-Jährige im GZ-Podcast.
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Goslar. Dass Personen vor dem Mikrofon etwas hibbelig werden, kommt im „Gäste-Zimmer“ hin und wieder vor. Bei Janine S. ist es allerdings nicht die Nervosität, sondern ihre Multiple Sklerose (MS). Ihr Bein zittert, sie hat eine sogenannte Spastik. „Das ist wie dieses Zittern, wenn man nervös ist. Ich kann es nicht kontrollieren.“
Die 37-Jährige bezeichnet ihre MS nicht als Erkrankung, sondern als „Mitspielerin“. Die Krankheit verläuft in Schüben. Gerade hat Janine eine gute Phase. So gut, dass sie sogar die ganzen Treppen bis hoch ins „Gäste-Zimmer“ steigen kann.
Solche Tage bezeichnet sie nicht als schlechte, sondern als „abenteuerliche“ Phase. Diese kann Wochen bis Monate andauern. „In einer abenteuerlichen Phase kann ich wieder nur einen Fuß vor den anderen setzen“, erzählt sie in der neuen Folge.
Wie fühlt sich ein Schub an? „Wie Wackelpudding. Und wie ein extrem schmerzender Wadenkrampf.“ MS ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern – „ein Chamäleon“, nennt Janine sie. Nicht nur die motorischen Fähigkeiten wie das Gehen sind eingeschränkt: „Meine Sprache ist manchmal auch beeinträchtigt, die Wörter sind teilweise ganz weg.“ Was die Schübe eint, sind die Schmerzen. Ansonsten ist es jedes Mal anders.
Vor zwei Jahren bekam sie die Diagnose. Aber nicht nur das: Diabetes wurde bei Janine auch festgestellt. „Das ist ein Gegenspieler hoch zehn. Ich hab mal hier geschrien“, sagt sie und lacht. Generell lacht sie viel. Obwohl ihr die Diagnose anfangs den Boden unter den Füßen weggerissen hat. „Ich war Downhillfahrerin“, erzählt sie. Dann war sie ein Jahr lang an den Rollstuhl gefesselt. Aber da wollte sie so schnell es geht wieder raus. Also trainierte sie täglich mehrere Stunden. „Ohne meine Physiotherapeutin wäre ich überhaupt nicht mehr aus dem Rollstuhl gekommen“, sagt sie. Nach der Podcast-Aufnahme zeigt sie ein Foto von ihrem Handbike, das sie sich kürzlich bestellt hat. Damit kann sie im Rollstuhl Fahrrad fahren.
Trotz allem würde Janine nichts ändern wollen. Ohne ihre „Mitspielerin“ hätte sie nämlich nie ihren Traumjob gefunden. Ihre Ausbildung zur Elektrikerin musste die 37-Jährige wegen ihrer Krankheit abbrechen. Heute arbeitet sie als Hausmeisterin in einer Praxis. Sie steigt auf Leitern, läuft viel herum – draußen und drinnen.
Das klingt erst mal nicht nach einem geeigneten Beruf für eine Person mit Multipler Sklerose. Dennoch sagt Janine: „Ich liebe es. Ich habe schon immer gerne handwerklich gearbeitet.“ Was aber, wenn eine Spastik kommt, während sie auf einer Leiter steht? „Ich weiß, wie ich dann stehen muss und wie ich mich halten muss.“ Es ist vor allem ihre Arbeit, die die Hausmeisterin motiviert, morgens aufzustehen. Auch, wenn ihre „Mitspielerin“ im gegnerischen Team ist. Im GZ-Podcast spricht Janine über ihren Alltag mit MS und den Rückhalt von ihrer Familie. „Wenn man das alleine durchmachen müsste, dann ist die Gefahr aufzugeben extrem hoch.“ Sie redet über Symptome, ihre Wünsche, Inklusion und mangelnde Barrierefreiheit in Goslar.
Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung. Das Immunsystem kämpft sozusagen gegen den eigenen Körper, anstatt körperfremde Stoffe abzuwehren. Die Krankheit ist chronisch, also fortschreitend. Abgesehen von Unfallschäden, ist MS die häufigste neurologische Erkrankung bei jungen Erwachsenen. Es gibt unterschiedliche Formen des Krankheitsverlaufs. Die meisten leiden an der Form, die in abgegrenzten Schüben auftritt. Diese Schübe können sich vollständig oder teilweise zurückbilden. Die konkrete Ursache von MS ist nicht endgültig geklärt. Heilbar ist die Krankheit nicht, aber behandelbar. MS kann zu schweren Behinderungen führen. Die Mehrzahl der Patienten ist jedoch auch viele Jahre nach der Diagnose noch gehfähig. Die Symptome sind sehr unterschiedlich. Seh- und Koordinationsstörungen sowie spastische Lähmungen sind typisch.