Die Ostharinger lieben die Ruhe und züchten Kaninchen von europäischem Rang

Ostharingen in der Gemeinde Liebenburg zählt 229 Einwohner. Foto: Kühlewind
Ostharingen. Lebensfreude. Legendärer königlicher Besuch. Lieblicher Charme der alten Häuser – und dazu die Begeisterung seiner Einwohner. Viel gäbe es zu berichten, über eines der kleinsten Dörfchen im Landkreis Goslar. Zumindest deutlich mehr als dieser Beitrag fassen könnte.
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Vermutlich um das Jahr 500 nach Christus gegründet, fällt die erste urkundliche Erwähnung des Ortes Haringen ins Jahr 1133. Der Ort nimmt die Funktion eines Archidiakonats in der katholischen Kirche ein. Erzpriester Bruno hat großen Einfluss. Eine kirchliche Machtposition, die das Adelsgeschlecht derer „von Haringen“ allerdings nicht für sich ausbauen konnte.
Chance vertan? Möglich, aber die kleine Siedlung verschwand nicht von der Landkarte. Mehr als 850 Jahre später ist Ostharingen noch immer zu finden. Es zählt überschaubare 229 Einwohner und liegt im westlichen Teil der Gemeinde Liebenburg. Ortsbürgermeisterin ist seit dem Jahr 2008 Monika Kubitschke, die auf Heidi Ohlendorf folgte. Viele Jahre nach der Gebietsreform 1972 hatte das kleine Dorf lediglich einen Ortsvorsteher. Viele Jahre amtierte Kurt Krone im Alleingang. Erst eine kommunale Satzungsänderung erlaubte dem kleinen Dörfchen zu den Wahlen 2006 die Aufstellung eines Ortsrates mit Ortsbürgermeister. „Der Ort Ostharingen war immer landwirtschaftlich geprägt, obwohl es auch viel Handwerk, aber auch Geschäfte und Gaststätten gab“, erzählt Monika Kubitschke am Nachmittag beim frühlingshaften Rundgang durch den verschlafenen Ort.
Doch der Schein trügt, denn die Ostharinger haben es in sich. Zwar leise, aber mit bemerkenswerten Erfolgen vertreten sie „ihren“ Ort weit über die Ortsgrenze hinweg, weiß Kubitschke. Nur ein Beispiel sei die Ostharinger Kaninchenzucht, die zu Ruhm und Siegen bis auf Europa-Ebene führte. Kaninchenzüchter? „Ja, Ostharingen ist halt sehr beschaulich. Aber das ist das, was unseren Einwohnern so gefällt. Die Beschaulichkeit und das aktive Leben in unseren Vereinen ist das, was unsere Gemeinschaft ausmacht“, betont die 51-Jährige, die bereits ihr ganzes Leben in Ostharingen wohnt.
Bei 229 Einwohnern sei es keine Frage, dass man sich untereinander kenne. Aber längst seien nicht alle Einwohner gebürtige Ostharinger. „In den 1970er Jahren verfügte die Liebenburger Gemeindeverwaltung, dass es in den kleinen Dörfern keine Neubaugebiete geben dürfe“, berichtet Kubitschke von dem „Glück“ der Ostharinger. So entstanden keine charakterlosen Neubaugebiete und für Altbauten fanden sich immer schnell neue Besitzer. Das Dorf behielt seinen Charme und konnte gleich mehrfach in den 1990er Jahren den Kreiswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ für sich entscheiden.
Und die Ostharinger hielten immer zusammen: Gemeinsam kämpften sie gegen die Fluten, wenn der Opferbach über seine Ufer trat – und gemeinsam schrieben sie auch 2009 an der Dorfchronik. Die große Resonanz und die vielen Anekdoten führten schließlich zu einem Fortsetzungsband. In der Chronik ist auch nachzulesen, dass die Ostharinger ihren schönsten Ausflugsplatz, den Grillplatz mit Quelle „Königwinkelspring“, dem Besuch des Dänenkönigs Christian IV. verdanken. Dieser campierte anno 1626 mit seinem Heer in Ostharingen, bevor er in die Schlacht bei Lutter zog. Sein katholischer Kontrahent Tilly soll nach der Schlacht die Kirche für mehr als eine Woche als Pferdestall genutzt haben.
Heute präsentiert sich die Kirche evangelisch-lutherisch, umfangreich saniert und dem Pfarrverband Dörnten-Ostharingen-Upen angeschlossen. Pfarrer ist Peter Wieboldt. An die Nutzung durch die Streitrösser erinnert nichts mehr, versichert Kubitschke schmunzelnd.
Aber was macht das Leben in Ostharingen aus? Die Ortschefin hält zur Erklärung eine Anekdote parat: Bei einer Ortsbegehung zum Kreiswettbewerb 2008 fragte einst ein besonders wissbegieriger GZ-Zeitungsreporter am laufenden Band „Wo sind denn nun die Highlights? Wo sind sie?“ – bis Ortschronist Siegfried Stein ihn anfuhr: „Halten Sie doch mal den Mund – dann hören Sie es!“ Der Reporter lauschte. „Ich höre nix!“ – „Eben genau diese Ruhe ist es, die wir Ostharinger in unserem Ort so lieben. Das ist hier unser Highlight.“

Ortsbürgermeisterin Monika Kubitschke zeigt ein Haus aus dem Jahr 1740. Foto: Leifeld