Der Brocken: Dem großen Dichter Goethe folgen

<p>Wetter- und Klimaphänomene wie kaum nirgendwo sonst: Goethe stieg dreimal auf den Brocken. Nach seinem ersten Aufstieg im Winter 1777 war er tief beeindruckt von dem Wolkenmeer, das ihm zu Füßen lag. Fotos: Bein</p>
Über den Brocken, der erhaben aus der Harzer Landschaft ragt, ist vieles gesagt. Der Großdichter Goethe, der Spötter Heine, der aber auch zu zarten, warmen Tönen fähig war, der Frühromantiker Novalis, der eigentlich Georg Philipp Friedrich von Hardenberg hieß und aus Mansfeld stammt, sie alle haben den Brocken bestiegen und von ihm geschwärmt.
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Wir wollen den dänischen Märchenerzähler Hans Christian Andersen nicht vergessen, den Heide- und Harzdichter Hermann Löns und den humoristischen Dichter Wilhelm Busch – und Otto von Bismarck, der oben auf dem Gipfel Johanna von Puttkamer begegnete, seiner späteren Frau.
Wir zählen die prominente Riege nicht aus Angeberei auf. Vielmehr soll dokumentiert werden, dass der Brocken, der höchste Berg des Harzes und ebenso Norddeutschlands seit jeher eine prominente Erhebung ist. Die Dichter und Schriftsteller, die ihn verewigten, mehrten seinen Ruhm: Heine natürlich, der ihn mit seiner Harzreise in einem Stück früher Reiseliteratur beschrieb, und Goethe, der ihm seinem Faust, einem Werk, das sich um Glück und Sinnsuche dreht, gleichsam ein Denkmal setzte.

Auf dem Brocken sind viele bizarre Naturphänomene zu entdecken. Die gebeugten Fichten muten wie müde Wanderer an.
In dem kürzlich erschienenen Buch „Brockengesichter“ behaupten die Autoren gar, der Brocken sei der spannendste Berg Deutschlands, weil er so viele Geschichten zu erzählen hat. Zumindest hat er bis heute nichts von seiner magnetischen Wirkung verloren, wenngleich seine Höhe vor einiger Zeit von 1142 auf 1141 Meter korrigiert werden musste. Dennoch gehört er nach wie vor nicht nur zu den beliebtesten Ausflugszielen im Harz, sondern ist laut Wikipedia sogar in ganz Deutschland ein Spitzen-Ziel. Der Satiriker Hans Zippert beschreibt unvergleichbar knapp und charmant, was den Brocken so einzigartig erscheinen lässt: „Klassiker in Sachsen-Anhalt, von Goethe entdeckt. Muss man gemacht haben, natürlich über den Heinrich-Heine-Weg, entlang der lieblichen Ilse. Einziger Berg, den man mit dem Zug besteigen kann.“ Weil wir ja unter uns sind, darf an dieser Stelle ein Geheimnis ausgeplaudert sein: Das Plateau ist nicht besonders schön, der Gipfel mutet kahl, ja öde an. Und die Natur, die unterhalb des berühmten Brockens zwar mit schroffem Charme, imposantem Granitgestein, krummen und schwer gebeugten Fichten beeindruckt, sie ist nur aus der Entfernung zu bestaunen. Aus gutem Grund müssen die Wanderer auf ausgeschilderten Wegen bleiben; denn die Landschaft soll vor den Besuchermassen geschützt werden.
Der Brocken ist aus einem anderen Grund unvergleichlich: Das Wetter, genauer gesagt, die Wetterextreme toben sich auf dem Berg mit seinem subalpinen Klima geradezu aus. Nebel, Sturm, Schneeberge, das alles zeigt sich auf dem Plateau besonders heftig. Dazu kommt der Blick in die Landschaft. Von dem Berg, der wie ein Monolith aus der Landschaft schaut, blickt der Brockenbezwinger weit in die Landschaft. Je nach Wetter und Jahreszeit schaut er wie Goethe auf ein Meer aus Wolken. Oder der Blick öffnet sich geradezu unendlich weit. Dazu kommt ein manchmal magisches Licht; wenn die Sonne auf- oder untergeht, färbt sich der Himmel in dramatischen Farben.

Auf dem Brocken sind viele bizarre Naturphänomene zu entdecken. Die gebeugten Fichten muten wie müde Wanderer an.
Was also trieb Goethe hinauf zum Berg? Hatte er Liebeskummer wegen seiner schwärmerischen Beziehung zu Charlotte von Stein, zog ihn Weltschmerz aus dem höfischen Weimar in den urwüchsigen Harz? Oder war Industriespionage der Grund, weil er als wichtiger Vertreter des Hofes in Weimar im weit entwickelten Harzer Bergbau nach Innovationen suchte? Immerhin hat ihn der Harz inspiriert. Seine Brockenbesuche sollen ihn zu seiner Farbenlehre inspiriert haben, heißt es in der vielfältigen Goetheliteratur.
Was Goethe auch lockte, heute ist ein Aufstieg nach wie vor lohnenswert, zu jeder Jahres- und Tageszeit. Es muss ja hinterher nicht gleich eine eigene Farbenlehre dabei herauskommen. Der Zug als Besteigungshilfe, wie von Hans Zippert als Alleinstellungsmerkmal hervorgehoben, fällt aber aktuell aus, wegen des Coronavirus und der möglichen Ansteckungsgefahr in den Zügen, in denen es stets sehr voll wird. Aber Goethe ging ja schließlich auch zu Fuß, und damals, also 1777, lag sogar tiefer Schnee.

1142 Meter groß war der Brocken nach früheren Angaben, heute ist er offiziell 1141 Meter hoch. Die vielfach fotografierte Platte an einem Felsbrocken auf dem Plateau schwindelt dennoch nicht, sie wurde einen Meter über der Brockenspitze angebracht.