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Verkehrsinvestitionen

Milliarden-Finanzlücke für Autobahnen? Länder alarmiert

Wegen einer milliardenschweren Finanzlücke könnte beim Aus- und Neubau vieler Autobahnen eine Verzögerung drohen.

Wegen einer milliardenschweren Finanzlücke könnte beim Aus- und Neubau vieler Autobahnen eine Verzögerung drohen. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Laut Bundesverkehrsministerium fehlen trotz des Sondervermögens Milliarden. Das könnte erhebliche Folgen haben. Die Bundesregierung gerät unter Druck.

Von Andreas Hoenig und Theresa Münch, dpa Donnerstag, 18.09.2025, 12:10 Uhr

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Berlin/München. Verzögern sich Neu- und Ausbauprojekte bei Autobahnen und Bundesstraßen wegen Finanzproblemen des Bundes? Das Bundesverkehrsministerium sieht Milliardenlücken in den kommenden Jahren. Die Länder sind besorgt: Sie befürchten womöglich sogar Stillstand bei Fernstraßen, Schienenwegen und Wasserstraßen. Bei einer Konferenz in München forderten die Länder-Verkehrsminister die Bundesregierung auf, eine auskömmliche Finanzierung für Ausbau, Erhalt und Sanierung der Verkehrsinfrastruktur des Bundes sicherzustellen. 

Eine Sprecherin von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sagte, das Defizit des Ressorts für Bundesfernstraßen liege für den Zeitraum 2026 bis 2029 bei rund 15 Milliarden Euro. Staatssekretär Stefan Schnorr betonte nach der Verkehrsministerkonferenz, es gehe darum, dass geplante Baumaßnahmen nicht gestartet oder Aufträge nicht vergeben werden können – es gehe aber nicht um einen Baustopp.

Finanzminister: Verantwortung für Milliardenetat liegt bei Schnieder

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sieht die Verantwortung dafür nicht bei sich, sondern bei Verkehrsminister Schnieder. Die schwarz-rote Bundesregierung nehme so viele Milliarden in die Hand wie nie zuvor, betonte der Vizekanzler. Für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur werde es in dieser Legislaturperiode 166 Milliarden Euro geben. „Damit hat der Verkehrsminister jetzt wirklich die Chance, richtig zu klotzen und das Land zu verändern“, sagte Klingbeil. 

Klingbeil reagierte - und nahm den Verkehrsminister in die Verantwortung.

Klingbeil reagierte - und nahm den Verkehrsminister in die Verantwortung. Foto: Carsten Koall/dpa

In keinen Bereich investiert die Bundesregierung mehr als in den Verkehr. Die Verantwortung, wie das Geld ausgegeben werde, trage nun aber Schnieder selbst, sagte Klingbeil. Er müsse jetzt dafür sorgen, dass das Geld schnell fließe. „Die 166 Milliarden in dieser Legislatur zu verbauen, das ist wirklich eine Herkulesaufgabe.“ Zuletzt hatte es oft das Problem gegeben, dass bewilligte Mittel gar nicht vollständig ausgegeben werden konnten. 

In diesem Jahr hat Schnieder laut Finanzministerium 33,4 Milliarden Euro aus Kernhaushalt und Sondertöpfen für Investitionen zur Verfügung, davon 10 Milliarden für Bundesfernstraßen. Das seien allein bei den Straßen 1,5 Milliarden mehr als im Vorjahr. In den kommenden Jahren werde dieser Wert gehalten. Nun müssten Planungs- und Genehmigungsverfahren verbessert und vorrangige Projekte identifiziert werden. 

Autobahnprojekte werden teurer 

Das Verkehrsministerium sieht trotzdem allein bei Projekten des Aus- und Neubaus von Autobahnen einen Mehrbedarf bis 2029 von 5,5 Milliarden Euro. Diese Zahl geht auch aus einem Bericht an den Verkehrsausschuss des Bundestags hervor - dabei geht es um einen neuen „Finanzierungs- und Realisierungsplan“ 2025-2029 der Autobahn GmbH des Bundes. Als Grund wird insbesondere die starke Baupreisentwicklung in den vergangenen Jahren genannt.

Die Kernaussage in dem Papier: Baufreigaben für insgesamt 74 Projekte, für die bis 2029 „bestandskräftiges Baurecht“ erwartet wird, seien nur möglich, wenn das Budget der kommenden Jahre erhöht werde. Konkret bedeutet das: Selbst wenn ein Projekt genehmigt ist, sollen die Bagger nicht rollen - weil laut Ministerium Geld fehlt. Der Bundeshaushalt 2026 wird kommende Woche erstmals im Bundestag beraten und soll Ende November beschlossen werden. 

Die Projekte sind derzeit in einem unterschiedlichen Stadium, von einem „Vorentwurf in Aufstellung“ über „in der Planfeststellung“ bis zu „planfestgestellt“. Für alle wird aber bis 2029 Baurecht erwartet. Die Länder forderten den Bund auf: „Baureife Projekte sind zeitnah umzusetzen.“

Es geht um viele Autobahnprojekte.

Es geht um viele Autobahnprojekte. Foto: Friso Gentsch/dpa

Es geht um Projekte in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Hamburg, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz - und konkret zum Beispiel um die A20 im Norden, die A1 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz oder die A39 in Niedersachsen.

Länder fordern Klarheit

Verschiedene Politiker aus den Ländern kritisierten den Bund. „Der Bundesverkehrsminister sollte schleunigst für Klarheit in seiner Planung sorgen“, sagte etwa Niedersachsens Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne (SPD). Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) forderte eine Investitionsoffensive für den Verkehr. Ansonsten drohe Deutschland in den kommenden Jahren ein Verkehrskollaps. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte, wenn es nach langwierigen Verfahren endlich Baurecht gebe und auch vor Ort Einigkeit herrsche, sei es schlicht nicht vermittelbar, plötzlich auf die Bremse zu treten.

Der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, sagte: „Verschobene oder gar gestrichene Bauprojekte heißt für die Bürgerinnen und Bürger: kaputte Brücken und Straßen, Sperrungen, Umleitungen, Stau.“ 

Sondervermögen: Erhalt vor Neubau?

Teile der Investitionsmittel kommen aus einem Sondertopf, den der Bundestag am Donnerstag einsetzte. Für Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz sollen in den nächsten zwölf Jahren Schulden von 500 Milliarden Euro aufgenommen werden. Davon gehen 100 Milliarden an die Länder und 100 Milliarden an den Klima- und Transformationsfonds für Klimaschutzausgaben. Auf Bundesebene soll ein großer Teil des Geldes in die Verkehrsinfrastruktur gehen. Dabei geht es aber vor allem um Sanierung. Das Prinzip: „Erhalt vor Neubau“. 

Der Bundesverkehrsminister muss den Ländern einiges erklären.

Der Bundesverkehrsminister muss den Ländern einiges erklären. Foto: Fabian Sommer/dpa

Kritik an „Verschiebebahnhof“

Die Länder forderten den Bund auf, sicherzustellen, dass die Mittel des Sondertopfes zusätzlich zur Verfügung stünden - und die Haushaltsmittel des Ministeriums an sich nicht gekürzt werden. Seit längerem gibt es etwa von den Grünen im Bundestag Kritik vor allem an Klingbeil wegen „Verschiebebahnhöfen“: Gelder aus dem Kernhaushalt würden ins Sondervermögen geschoben - mit den frei gewordenen Mitteln im Kernhaushalt finanziere die schwarz-rote Koalition teure Wahlgeschenke wie die Ausweitung der Mütterrente oder steuerliche Entlastungen für die Gastronomie.

Auch Bahnprojekte bedroht

Auch die Bahn bekommt aus dem Sondervermögen viele zusätzliche Milliarden für die Sanierung des maroden Bestandsnetzes - für Neu- und Ausbauprojekte aber steht in den kommenden Jahren laut Ministerium nicht genügend Geld zur Verfügung. Bereits Mitte August hatte ein Sprecher Schnieders gesagt: „Natürlich dürfen wir den gesetzlich beschlossenen und aus verkehrlicher Sicht absolut notwendigen Neu- und Ausbau nicht aus den Augen verlieren.“ Mit Blick auf die kommenden Haushaltsjahre bestehe Nachbesserungsbedarf. Verzögerungen drohen zum Beispiel bei der geplanten neuen Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte der „Augsburger Allgemeinen“, der Verkehrsetat müsse deutlich aufgestockt werden. Der CSU-Chef sorgt sich insbesondere um eine Neubaustrecke zwischen Bayern und Baden-Württemberg. „Die Strecke Augsburg - Ulm ist für den ganzen Süden Deutschlands von großer Bedeutung.“

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