Buchbesprechung: Deutsche Geschichte am Kyffhäuser

Kaiser Barbarossa trohnt unterhalb des Kyffhäuserdenkmals. Das Kyffhäuserdenkmal zu Ehren Kaiser Wilhelms I. gehört zu den größten Nationaldenkmalen in Deutschland. Jährlich wird es von Tausenden Besuchern erklommen. Foto: Bein/dpa
Wie wollen wir mit Hinterlassenschaften der Vergangenheit umgehen, die nicht ins demokratische Wertesystem zu passen scheinen? Dieser Frage geht Matthias Steinbach, Professor für Geschichte in Braunschweig, am Beispiel des Kyffhäuser-Denkmals nach.
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Harz. Der ehemalige Bad Harzburger Lehrer Markus Weber hat bis zu seiner Pensionierung 2021 Geschichte, Politik und Religion unterrichtet. Er engagiert sich im Verein „Spurensuche Harzregion“ und recherchiert zu Themen der regionalen Zeitgeschichte. Für die GZ hat er ein Buch über den Umgang mit einem schwierigen Kapitel deutscher Geschichte rezensiert.
Wie wollen und können wir mit Hinterlassenschaften der deutschen Vergangenheit umgehen, die nicht ins demokratische Wertesystem zu passen scheinen? Dieser Frage geht Matthias Steinbach, Professor für Geschichte in Braunschweig, am Beispiel des Kyffhäuser-Denkmals und speziell des dort 1939 von den Nazis aufgestellten Hindenburg-Denkmals nach.
Wie Schneewittchen
Zwischenzeitlich war das Denkmal von den Sowjets gestürzt und vergraben worden, heute liegt die wieder freigelegte Statue im Graben der Kyffhäuser-Anlage – quasi wie Schneewittchen im gläsernen Sarg.
Steinbach geht der Geschichte Hindenburgs intensiv und detailliert nach, behandelt seine wechselvollen Rollen im Ersten Weltkrieg als „Sieger von Tannenberg“, als schillernde Identifikationsfigur in der Weimarer Republik und zuletzt als „Steigbügelhalter Hitlers“. Immer waren Tatsachen miteinander Mythen verbunden. Steinbach verfolgt Tatsachen und Mythen kreuz und quer durch die Geschichte.
Selbstverständlich bezieht er Erkenntnisse und Kontroversen der Geschichtswissenschaften in seine Darstellung ein. Ungewöhnlich ist die Darstellung dagegen in anderer Hinsicht. So reflektiert er seine eigenen Erfahrungen als Schüler, Student und NVA-Soldat in der DDR und bezieht diese ebenso ein wie die Befragung unterschiedlichster Personen wie etwa des Kiosk-Betreibers auf der Kyffhäuser-Anlage, wobei auch Anekdotisches Bedeutung bekommt. Dabei zeigt sich, wie die Person Hindenburgs ebenso wie das Denkmal und deren Wahrnehmung von den unterschiedlichsten Interessen benutzt wurde.
Nichts geglättet
Gerade das Sperrige dieser Vorgehensweise ist spannend. Nichts wird letztlich geglättet. Hinzu kommt immer wieder die Einbeziehung grundlegender Einsichten von Dichtern und Philosophen, die auf den konkreten Fall bezogen werden. Nicht allem muss man dabei zustimmen – etwa: Führen Utopien immer zu Gewalt? – aber immer sind die Aussagen anregend und nachdenkenswert, gerade weil unterschiedlichste und subjektive Perspektiven zur Sprache kommen.
Steinbach erinnert daran, „dass immer die jeweilige Gegenwart der Ort ist, wo die Irrtümer beginnen“. Wer zu solchen Gedankengängen und auch Wortspielen Lust hat und sich für Geschichte interessiert, dem sei das unterhaltsame Buch empfohlen.
Matthias Steinbach: Hindenburg auf dem Kyffhäuser oder Wie entsorgt man deutsche Geschichte? Halle (Saale) 2024, Mitteldeutscher Verlag, 20 Euro.