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Vortrag über die Zerstörung der Weimarer Republik

Winterabend in Goslar: Wie eine Demokratie untergeht

Professor Dr. Peter Brandt spricht in der Frankenberger Kirche über die Zerstörung der Weimarer Republik.  Foto: Roß

Professor Dr. Peter Brandt spricht in der Frankenberger Kirche über die Zerstörung der Weimarer Republik. Foto: Roß

Warum ist die Weimarer Republik untergegangen und welche Lehren können wir heute daraus ziehen? Historiker Peter Brandt räumte beim Frankenberger Winterabend mit einigen Mythen auf und spannte den Bogen in die Gegenwart.

Von Hendrik Roß Samstag, 26.03.2022, 16:30 Uhr

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Goslar. Die Zerstörung der Weimarer Republik war das inhaltsschwere Thema des letzten Frankenberger Winterabends der Saison. Professor Dr. Peter Brandt, ältester Sohn von Rut und Willy Brandt, räumte zunächst mit einigen Vorurteilen auf, warum die erste deutsche Demokratie gerade einmal 15 Jahre bestand hatte. Und der Historiker ging der Frage nach, was wir heute von der Weimarer Zeit lernen können.

Etwa 150 Besucher in der Frankenberger Kirche begleiteten Brandt auf seine geistige Reise an das Ende des Ersten Weltkriegs. Die Weimarer Republik sei keine Totgeburt gewesen, eben keine Republik ohne Republikaner.

Gerade im bürgerlichen Milieu habe es Unterstützung für den demokratischen Neustart gegeben, erläuterte Brandt. Der erste Reichskanzler Friedrich Ebert (SPD) habe bis zu seinem Tod 1925 erfolgreich gegen radikale Kräfte angekämpft. Bei den alten Eliten, den Großindustriellen oder dem Landadel, habe es die Weimarer Republik hingegen von Anfang an schwer gehabt. Brandt skizzierte in seinem Vortrag in chronologischer Reihenfolge politische und wirtschaftliche Entwicklungen, die die junge Demokratie schließlich untergehen ließen. Die Hyperinflation 1923 und die Weltwirtschaftskrise 1929 hätten viele Menschen arm gemacht – und letztlich in die Arme der erstarkenden Nationalsozialisten getrieben. „Ohne Wirtschaftskrise hätte es Hitler nicht gegeben“, referierte Brandt.

Als Zuhörer hätte man sich zeitweise gewünscht, der Historiker würde sich mehr von seinem Manuskript lösen und zwischen den Zeilen erläutern, wie die Nazis in einer Demokratie an die Macht kommen konnten. Im Vortrag war das Ende geprägt von Daten und Namen – zuletzt Schleicher, Papen und Reichspräsident Hindenburg, den Brandt als die „nach Hitler verhängnisvollste Person“ für die Weimarer Republik bezeichnete.

Was können wir heute von Weimar lernen? Viele Parallelen, die zwischen der jetzigen Bundesrepublik und der Weimarer Republik gezogen werden, würden „in die Irre führen“, sagte Brandt. Das gelte für die völlig unterschiedlichen Bedingungen ihrer Entstehung. Nach der totalen Niederlage 1945 habe es in Deutschland etwa gar keine Möglichkeit für so etwas wie eine Dolchstoßlegende gegeben. Nach 1945 folgten ein schneller wirtschaftlicher Aufschwung und „gute Verhältnisse“, die für politische Stabilität sorgten. Und heute? „Wir erleben eine soziale und politische Polarisierung“, sagt Brandt – so etwas hat es auch in der Weimarer Republik gegeben. Brandt hält etwa das Erstarken von Rechtspopulisten aber nicht für lebensbedrohlich für europäische Demokratien. Jedoch könne man mit Blick auf Polen und Ungarn bereits von „defizitären Demokratien“ sprechen.

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