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Migration: Was nicht angesprochen wird

Marion Bergholz von der Freiwilligen-Agentur mit Dr. phil. habil. Jochen Oltmer während der Veranstaltung im Kreishaus Goslar.  Foto: Brummer

Marion Bergholz von der Freiwilligen-Agentur mit Dr. phil. habil. Jochen Oltmer während der Veranstaltung im Kreishaus Goslar. Foto: Brummer

Goslar. Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der Freiwilligen-Agentur Goslar referierte Dr. phil. habil. Jochen Oltmer im Kreishaus Goslar zum Thema Migration und Flucht. Er widmete sich dabei insbesondere der Frage, welche Themenstellungen in diesem Kontext in der Öffentlichkeit nicht angesprochen werden. Oltmer ist außerplanmäßiger Professor für Migrationsgeschichte am Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien (IMIS) sowie am Historischen Seminar der Universität Osnabrück.

Von Elke Brummer Freitag, 15.06.2018, 14:31 Uhr

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Goslar. Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der Freiwilligen-Agentur Goslar referierte Dr. phil. habil. Jochen Oltmer im Kreishaus Goslar zum Thema Migration und Flucht. Er widmete sich dabei insbesondere der Frage, welche Themenstellungen in diesem Kontext in der Öffentlichkeit nicht angesprochen werden. Oltmer ist außerplanmäßiger Professor für Migrationsgeschichte am Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien (IMIS) sowie am Historischen Seminar der Universität Osnabrück.

Bei den Themen Flucht und Asyl, die nach Oltmers Wahrnehmung meist von „ad-hoc Diskussionen“ dominiert seien, analysiere er „die langen Linien“, also historische Entwicklungen vom späten 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. In Deutschland beobachte er zunehmend eine „weltvergessene „Geschichtsblindheit“ – globale Zusammenhänge würden in der Debatte um Migration und Flucht häufig ausgeblendet und auf nationale Sichtweisen verengt.

Der öffentliche Diskurs zu diesen Fragestellungen sei ohnehin permanentem Wandel und beständigen gesellschaftlichen „Aushandlungsprozessen“ unterworfen. Der temperamentvolle Professor bezog sich in seinem frei gehaltenen Vortrag daher ausschließlich auf fundierte Daten und sachliche Fakten. So würden Menschen ihr Heimatland insbesondere dann verlassen, wenn sie ihr Leben im Hinblick auf Arbeit oder Bildung verbessern wollten oder um vor Gewalt oder Naturkatastrophen zu fliehen. Der in der Öffentlichkeit verbreiteten Annahme, bitterarme Migranten kämen aus der ganzen Welt, um dauerhaft in Deutschland zu leben, widersprach Oltmer: Migration sei für jeden Einzelnen ein schwieriges Unterfangen und setze vielfältige Ressourcen und persönliche Netzwerke voraus.

Abgesehen von rechtlichen Hürden und Bildungsvoraussetzungen sei ein großer Teil der Weltbevölkerung schlicht zu arm, um auszuwandern. Fluchtbewegungen würden sich daher auch selten über Kontinentalgrenzen hinweg bewegen. Ohnehin sei die Zahl der Menschen, die dauerhaft in einem anderen Land lebten, überschaubar und über die Jahre konstant: Laut einer Statistik der Vereinten Nationen lebten seit 1960 bis heute nur 3,3 Prozent der Weltbevölkerung dauerhaft (länger als ein Jahr) außerhalb ihres Heimatlandes. Im Gegensatz zu Ländern wie Belgien, Großbritannien oder Frankreich sei die Bundesrepublik zudem erst in den letzten Jahren Ziel Asylsuchender geworden. Warum die im Jahr 2015 vorherrschende zuversichtliche Hilfsbereitschaft der Deutschen gegenüber Migranten sich mittlerweile in ablehnende Skepsis verkehrt, ist daher wissenschaftlich auch nur ansatzweise zu erklären.

Die Veranstaltungsreihe der Freiwilligen-Agentur wird am Freitag, 17. August, musikalisch fortgesetzt. Auf Jochen Oltmers brillante „Vorlesung“ folgt dann ein Konzert des palästinensisch-syrischen Friedensaktivisten und Pianisten Aeham Ahmad in der Frankenberger Kirche.

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