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Vorwurf grausamer Misshandlungen

Korrigiert das Landgericht sein Urteil gegen Eltern aus Goslar?

Eine Mutter und ihr Ehemann (Gesichter gepixelt) aus Goslar stehen im vorigen Jahr wegen des Vorwurfs des Missbrauchs, der Vergewaltigung und der versuchten Tötung ihrer Tochter beziehungsweise Stieftochter vor Gericht und wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Weil der Bundesgerichtshof das Urteil aufhob, wird der Fall nun abermals verhandelt. Foto: Klengel

Eine Mutter und ihr Ehemann (Gesichter gepixelt) aus Goslar stehen im vorigen Jahr wegen des Vorwurfs des Missbrauchs, der Vergewaltigung und der versuchten Tötung ihrer Tochter beziehungsweise Stieftochter vor Gericht und wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Weil der Bundesgerichtshof das Urteil aufhob, wird der Fall nun abermals verhandelt. Foto: Klengel Foto: Klengel

Abermals stehen zwei Eltern aus Goslar vor Gericht, die ihre Tochter über längere Zeit vergewaltigt und misshandelt haben sollen. Auch weil es Zweifel an den Aussagen der Tochter gibt, hatte der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben.

Von Oliver Stade Samstag, 03.08.2024, 04:00 Uhr

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Goslar/Braunschweig. Wird aus einem vermeintlichen Polizei-Skandal eine Justiz-Schlappe? Eltern aus Goslar sollen einen Mord an ihrer Tochter beziehungsweise Stieftochter geplant und diese außerdem über einen längeren Zeitraum vergewaltigt und schwer misshandelt haben. Das Landgericht Braunschweig hatte die Eltern daher im vorigen Jahr zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. In anderthalb Wochen wird das Verfahren neu aufgerollt.

Gericht, Staatsanwaltschaft und die Anwältin der Tochter kritisierten die Polizei im ersten Verfahren heftig. Die Beamten hätten einseitig ermittelt und die Eltern für unschuldig gehalten – was sie möglicherweise tatsächlich sind. Die Anwältin sprach sogar von einem „Polizei-Skandal“. Der Fall wurde der Kriminalpolizei in Goslar daher entzogen und der Kripo Wolfsburg/Helmstedt übertragen.

Dass es ein neues Verfahren gibt, liegt darin begründet, dass der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Urteil der 9. Strafkammer am Landgericht vom 29. Juni 2023 aufhob. Das aufsehenerregende Verfahren, in dem es um grausige Taten ging, die dem Paar aus Goslar vorgeworfen werden, wird neu verhandelt: Zuständig ist nun die 1. Strafkammer am Landgericht. Andere Richter führen das anstehende Verfahren, um die Vorwürfe gegen das Paar aus Goslar aufzuklären.

Entweder der Verdacht gegen die Eltern aus Goslar bestätigt sich und damit auch die Kritik an der Goslarer Kripo oder aber die 9. Strafkammer steht schlecht da, weil sie sich zu sehr auf die Aussagen der Tochter verließ. Im Kern geht es darum, wie glaubwürdig die Aussagen der Tochter sind, die als schwer traumatisiert gilt. Sie stand bereits ein Jahr zuvor als Zeugin vor Gericht. In dem Verfahren war ihre aus Salzgitter stammende Ex-Freundin zu sechs Jahren und fünf Monaten verurteilt worden, weil sie die junge Frau aus Goslar wie eine Sex-Sklavin gehalten und vergewaltigt sowie gequält haben soll.

Am Donnerstag, 15. August, beginnt das mit Spannung erwartete Verfahren, in dem möglicherweise ein Fehlurteil der Justiz korrigiert wird. Der Ausgang des Verfahrens ist offen, aber dass die Zweifel an der Verurteilung der beiden Goslarer zuletzt größer wurden, zeigt sich an einer Entscheidung der nun zuständigen 1. Strafkammer: Sie gab Mitte Juni bekannt, dass sie die Haftbefehle gegen die Eltern aufhebt, weil gegen sie kein dringender Tatverdacht mehr bestehe.

In der Begründung der jetzt zuständigen 1. Strafkammer werden nicht nur versteckt, sondern sehr direkt Fragen zur Glaubwürdigkeit der Tochter und damit auch zum Urteil der 9. Strafkammer laut. Die nun zuständige Kammer bewertet offenbar die Vorwürfe als weniger überzeugend. Neue Erkenntnisse, so heißt es in der Mitteilung, hätten „Zweifel an den Angaben der mutmaßlichen Geschädigten ergeben“. Auch wenn der Ausgang des Verfahrens offen ist, so zeigt sich schon jetzt eine andere Sicht auf den Fall. Denn die Kammer teilt weiterhin mit, sie gehe davon aus, „dass die Angeklagten der vorgeworfenen Taten verdächtig sind“, sie sind damit aber eben nicht mehr „dringend tatverdächtig“. Die Formulierung wählen Juristen dann, wenn die Wahrscheinlichkeit als groß angesehen wird, dass ein Beschuldigter tatsächlich eine Straftat begangen hat.

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