Flugausfälle und Schuldzuweisungen

Etwa 20 Easyjet-Flüge mussten am frühen Freitagmorgen wegen des Warnstreiks gecancelt werden.
Airlines streichen wegen Personalmangels hunderte Flüge – Wissing rechnet nicht mit baldiger Entspannung.
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Vor der Hauptreisezeit ist nach Einschätzung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nicht mit einer baldigen Entspannung an deutschen Flughäfen zu rechnen. Von Parteien, Gewerkschaften und Luftverkehrsverbänden gab es am Wochenende wegen des Personalmangels an den Flughäfen und den angekündigten Streichungen von Flügen erneut wechselseitige Schuldzuweisungen.
Fachkräftemangel
„Kurzfristige Lösungen wären zwar äußerst wünschenswert, sind aber nicht sehr wahrscheinlich“, sagte Wissing der „Bild am Sonntag“. Die Situation im europäischen Luftverkehrssystem sei für alle „eine enorme Herausforderung“. Der Fachkräftemangel erreiche den Alltag der Menschen immer stärker.
Ein Warnstreik bei Easyjet am Hauptstadtflughafen BER hatte am Freitag Fluggästen den Start in den Urlaub und zu geschäftlichen Zielen verdorben. Unter anderem fielen Flüge nach Nizza, Mallorca, Amsterdam, Malaga, Kopenhagen und London aus. Nach Angaben von Easyjet strich die Airline rund 20 von 130 Flügen an dem Tag.
Der Tarifkonflikt verschärft die Probleme durch den Personalmangel. Wegen diesem hatte Easyjet einen Teil des Flugprogramms gestrichen. Betroffen sind bis Ende August täglich zwölf Flüge von und zum BER. Es bleiben dann noch etwa 100 Flüge am Tag. Auch Lufthansa und die Tochter Eurowings haben wegen Personalmangels mehr als tausend Flüge im Juli gestrichen. „Die gesamte Luftfahrtbranche insbesondere in Europa leidet aktuell unter Engpässen und Personalmangel“, erklärte die Lufthansa vergangene Woche.
Chaotischer Sommer
Laut dem Flughafenverband ADV sind in den Sicherheitskontrollen, beim Check-in sowie in der Flugzeugabfertigung rund 20 Prozent der Stellen unbesetzt. Auf der anderen Seite ist die Reiselust nach zwei Corona-Jahren enorm gestiegen.
Die stellvertretende Verdi-Bundesvorsitzende Christine Behle befürchtet wegen des Personalmangels an den Flughäfen massive Flugausfälle. Die bisher angekündigten Streichungen seien nur der Anfang. „Der Sommer wird chaotisch“, sagte Behle der „Augsburger Allgemeinen“. Diese Situation habe sich über Jahre entwickelt und die Pandemie habe „das Fass zum Überlaufen gebracht“.
Ursache der aktuellen Lage seien Einsparungen an Personalkosten um 30 bis 40 Prozent durch Outsourcing und Tarifflucht, sagte Behle. Der vorübergehende Lockdown an den Flughäfen habe darüber hinaus bei Dienstleistern zu Kurzarbeit und Entlassungen geführt, zudem hätten sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pandemie andere Jobs gesucht. Dieses Personal fehle jetzt.
Zwei Jahre Abbau
Auch für die Chefin des Reisebüroverbandes VUSR, Marija Linnhoff, ist das Problem hausgemacht. Die Reiselust komme nicht überraschend, „doch zwei Jahre Personalabbau rächen sich jetzt“. Kurz vor der Sommersaison müsse nun „mit dem Schlimmsten gerechnet werden, und neben den Urlaubern sollen es jetzt wieder die Reisebüros mit zig Stunden unbezahltem Krisenmanagement, das sich die Airlines und Veranstalter einsparen, ausbaden“, sagte sie der „BamS“.
Die Airlines machten derweil die Politik für die Situation verantwortlich. „Die Aufhebung der Reisebeschränkungen ist von den Regierungen sehr kurzfristig entschieden worden“, erklärte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Deshalb habe es keine „verlässliche Planbarkeit bei der Personalausstattung für die Wiederaufnahme des Verkehrs“ gegeben. afp/dpa