Auf dem Dach einer Mall: Thailands letzter Gorilla im Horror-Zoo

23.10.2022, Thailand, Bangkok: Besucher des Pata Zoo auf dem Dach eines Einkaufszentrums in Bangkok fotografieren das Gorilla-Weibchen Bua Noi. Die Primatin lebt seit mehr als 30 Jahren in dem als "Höllen-Zoo" betitelten Zoo auf Betonboden ohne Tageslicht oder Natur. Sie ist Thailands einziger Gorilla. Foto: Carola Frentzen/dpa
Der Pata Zoo auf dem Dach eines schmuddeligen Einkaufszentrums in Bangkok wird oft als „traurigster Zoo der Welt“ betitelt. Hier lebt Bua Noi, Thailands einziger Gorilla. Seit Jahren kämpfen Tierschützer für die Freiheit der Primatin – bisher vergeblich.
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Bua Noi liegt apathisch in der hintersten Ecke ihres Käfigs. 10 mal 20 Meter ist ihr Gefängnis groß, umgeben von Gitterstäben und dickem Glas. Sonnenlicht fällt nur an einer Stelle ein, ringsum Beton, ein paar Seile und ein alter Autoreifen sollen dem Gorilla-Weibchen die Zeit vertreiben - seit mehr als 30 Jahren. Aber die Menschenmenge im privat betriebenen Pata Zoo auf dem Dach eines alten Einkaufszentrums in Bangkok will mehr sehen. Und so lockt ein Mitarbeiter Bua Noi („kleiner Lotus“) mit einem Trinktütchen Milch. Schließlich rafft sie sich langsam auf und kommt näher.

23.10.2022, Thailand, Bangkok: Das Gorilla-Weibchen Bua Noi. Die Primatin lebt seit mehr als 30 Jahren in dem als "Höllen-Zoo" betitelten Zoo auf Betonboden ohne Tageslicht oder Natur. Mitarbeiter locken Bua Noi („kleiner Lotus“) mit einem Trinktütchen Milch. Foto: Carola Frentzen/dpa
Dutzende Handys filmen und fotografieren das traurige Tier, den einzigen Gorilla im ganzen Land. Die Primatin blickt mit leeren Augen auf ihr Publikum. „Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt“, dichtete Rainer Maria Rilke einst über einen Panther. Die Zeilen scheinen wie für Bua Noi geschrieben. Sie ist der Kassenschlager des Pata Zoo. Als „Horror-Zoo“ wird das düstere Areal, in dem Hunderte Affen, Reptilien und Vögel dahinsiechen, auch oft betitelt.
Zahlreiche Menschen haben sich schon für die Gorilladame stark gemacht
Immer wieder gab es Versuche, Bua Noi in eine Umgebung umsiedeln zu lassen, in der sie ihre letzten Lebensjahre in Würde und inmitten von Natur verbringen kann. Zahlreiche Tierschützer und Prominente wie Pop-Ikone Cher haben sich schon für sie stark gemacht. Eine Petition auf Change.org haben bisher etwa 117 000 Menschen unterschrieben. „Sie leben allein, in einer Welt aus Beton und Stahl, ohne jegliche Stimulation. Ein Leben voller Langeweile und Einsamkeit ist für unsere großen Primaten-Cousins das grausamste Schicksal von allen“, heißt es da. Manchmal schien es, dass Bewegung in das Drama kommen könnte - so in der vergangenen Woche.
Da hieß es plötzlich aus dem thailändischen Umweltministerium, die Besitzer wollten 30 Millionen Thai Baht (800.000 Euro) für die Freilassung des Gorillas haben. Dann könne das Tier in einen Zoo nach Deutschland gebracht werden - denn da stamme der Menschenaffe auch ursprünglich her. Um welchen Zoo es sich handeln könnte, wurde nicht bekannt. Aber die Ankündigung sorgte umgehend für Schlagzeilen.

Thailand, Bangkok: Der Pata Zoo. Der Zoo auf dem Dach eines Einkaufszentrums in Bangkok wird auch als "Höllen-Zoo" bezeichnet. Foto: Carola Frentzen/dpa
Opfer des Tierschmuggels
In Wirklichkeit stammte Bua Noi Nachforschungen von Tierschützer Daniel Stiles zufolge aber nicht aus Deutschland, sondern vermutlich aus Äquatorialguinea, wo sie als Baby gefangen wurde. Ein deutscher Tierschmuggler brachte sie Ende der 1980er Jahre nach Thailand. „Bua Noi kommt nicht aus einem deutschen Zoo, sondern ist ein trauriges Ergebnis des Wildtierhandels. Sie wurde in Afrika von einem deutschen Tierhändler direkt nach Thailand verkauft“, sagte auch Daniel Merdes, Geschäftsführer der Organisation „Borneo Orangutan Survival Deutschland“ (BOS).

23.10.2022, Thailand, Bangkok: Ein Bärenmakak im Pata Zoo. Foto: Carola Frentzen/dpa
Auffangstation will die Tiere retten
Einer, der ihre Aufnahme angeboten hat, ist Edwin Wiek. Der Holländer ist Gründer der Wildlife Friends-Stiftung in Thailand und betreibt seit vielen Jahren eine Auffangstation mit viel Natur in Phetchaburi, etwa 200 Kilometer von Bangkok. Zuletzt kamen dort bereits die Tiger des Konkurs gegangenen Phuket Zoo unter. „Wir glauben, dass es moralisch nicht richtig wäre, eine enorme Geldsumme für das Highlight des Pata Zoo zu zahlen“, sagte Wiek der Deutschen Presse-Agentur. 30 Millionen Baht seien viel Geld für ein Tier, das vermutlich nur noch wenige Jahre zu leben habe. „Zudem möchten wir, dass ein Deal für alle Tiere des Zoos - oder zumindest der Primaten - gemacht wird.“

23.10.2022, Thailand, Bangkok: Ein Orang-Utan liegt auf dem Betonboden in seinem Käfig im Pata Zoo. Foto: Carola Frentzen/dpa
Zoo versichert: Bua Noi gehe es gut
Die Besitzer des Pata Zoo scheinen daran aber nicht interessiert - denn der Laden brummt. Sie versichern, Bua Noi gehe es gut. Umweltminister Varawut Silpa-archa sagte jetzt: „Der Pata Zoo hat versprochen, sich bis zu ihrem letzten Tag um sie zu kümmern. Und als ihr Besitzer hat er das Recht dazu.“ Dem Zoo könne nicht weggenommen werden, was ihm gehöre - zunächst müssten viele Dinge geregelt werden. Was es mit der angeblichen Geldforderung auf sich hatte, ist unklar.

23.10.2022, Thailand, Bangkok: Der 10 mal 20 Meter große Käfig des Gorilla-Weibchens Bua Noi. Die Primatin lebt seit mehr als 30 Jahren in dem als "Höllen-Zoo" betitelten Zoo auf Betonboden ohne Tageslicht oder Natur. Sie ist Thailands einziger Gorilla. Foto: Carola Frentzen/dpa
„Gorilla in Alcatraz“, war am 17. Oktober der Titel eines Leserbriefs in der „Bangkok Post“ - die Wortwahl ist treffend. Daniel Merdes sagt: „Kein Tier sollte in so einem dunklen Betonverlies leben müssen. Kein Grün, nur Grau und die schrillen Schreie der anderen Tiere. Es ist mir unbegreiflich, wie sich Besucher hier unterhalten fühlen.“
Bua Noi sitzt derweil auf dem Betonboden, dem einzigen Boden, den sie kennt. Immer wieder atmet sie in kurzen Schüben Luft ein und starrt hilflos an die Decke. Es sieht aus, als würde sie weinen, ja schluchzen. Gorillas und Menschen teilen 98 Prozent ihres Erbgutes.
Von Carola Frentzen, dpa