Pfalzquartier: Lüge in den Mund gelegt
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Steter Tropfen höhlt den Stein – wer sollte das besser wissen als der erfahrene Geologe und frühere Nationalpark-Sprecher Dr. Friedhart Knolle? Als Vorsitzender des BUND Westharz führt er seit Jahren Regie über Naturschutzorganisationen in der Region. Knolle ist ihre Stimme, und die meldet sich in vielen Planungen, öffentlichen und privaten Projekten deutlich zu Wort – ob Gipsabbau im Südharz oder vermeintlich gefährliche Erdhaufen am Fliegerhorst in Goslar. Das kostet Unternehmen und Investoren oft nicht nur Nerven, sondern mitunter auch viel Geld. Allerdings, und das ist wichtig zu betonen, ist es Knolles gutes Recht, Belange des Umweltschutzes zu vertreten.
Während Knolle etwa bei der Debatte um Asphalt-Recycling in Harlingerode eine moderate Linie vertritt, gibt er sich beim Projekt im Kaiserpfalzquartier indes giftig. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Goslarer Geschichtsvereins, Günter Piegsa, der Nabu-Vorsitzenden Annett Jerke und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter des Niedersächsischen Heimatbundes, Dr. Tobias von Willisen, blies Knolle vorige Woche noch mal zur Attacke. Investor Hans-Joachim Tessner ziehe den „Joker“ und wolle die Kosten für den öffentlichen „Parkwall“ auf die Steuerzahler abwälzen, behauptet von Willisen.
Heimatbund-Mitarbeiter kennt sich beim Pfalzquartier nicht aus
Doch wie Nachfragen der GZ ergeben, ist der Mitarbeiter des Heimatbundes (Hannover) in Sachen Kaiserpfalzquartier offensichtlich ahnungslos. Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter vor Ort habe die Erklärung verfasst, sagt von Willisen. Und dieser ehrenamtliche Mitarbeiter ist zur großen Überraschung – Friedhart Knolle.
Der BUND-Vorsitzende hat dem Heimatbund-Mitarbeiter also die Worte in den Mund gelegt. Dass Tobias von Willisen da mitspielt, ist mindestens dumm. Dass er damit auch noch die Unwahrheit verbreiten lässt, ist skandalös. Zumal es Knolle wider besseres Wissen getan hat. Die Erklärung sei „pointiert“ gewesen, rudert Knolle später auf Nachfrage zurück, weil Hans-Joachim Tessner nunmehr vom gesamten Projekt Abschied genommen hat. Die Pointe dieser Geschichte ist also eine Lüge – die das Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Wer austeilen kann, muss auch einstecken können. Davon können sich Knolle, Piegsa und Jerke als heimische Protagonisten nicht lösen. Jerke fühlt sich missverstanden. Die Umweltverbände hätten eine solche Aussage zu Steuergeldern nicht getroffen, betont sie gegenüber der GZ. Aber Knolle hat auf Nachfrage erklärt, die Pressemeldung sei mit allen Beteiligten abgestimmt gewesen. Sich im Nachhinein darauf zurückzuziehen, die Kostenvorwürfe seien doch vom Heimatbund erhoben worden, wäre eine zweite Täuschung.
Abseits davon: Was haben Heimatbund, BUND, Nabu und Geschichtsverein überhaupt mit der Kostenfrage für einen „Parkwall“ zu tun? Das ist Sache von Stadt und Investor, mithin auch eine politische Entscheidung. Aber keine Frage von Umweltschutz oder Historie. Somit verfolgte die Erklärung der vier Vereine „pointiert“ auch ein politisches Ziel.
Kritikern fehlt es an Perspektive
Dabei hat es in der verbissen kleinteiligen Debatte um das Projekt im Kaiserpfalzquartier bei Kritikern wiederholt an Perspektive für Goslar gefehlt. Worum geht es? Auf dem Schutt des abgebrochenen Doms entsteht 1832 eine Kaserne des Hannoverschen Jägerbataillons 10. Über den Grundmauern der ehedem prachtvollen Kirche exerzieren fortan Soldaten, rollen Militärfahrzeuge und Panzer. Um 1970 weichen die alten Kasernenbauten neuen Gebäuden des Bundesgrenzschutzes, und der Exerzierplatz wird zum Parkplatz.
Nach dem Abschied des Bundesgrenzschutzes rätseln Stadt und Politik jahrelang, aber finden des Rätsels Lösung nicht, um ein Filetstück der Kaiserstadt schmackhaft für die Zukunft zu bereiten. Dann lässt sich ein wohlhabender Ehrenbürger darauf ein, in seiner Heimatstadt 70 Millionen Euro privates Kapital in ein hochkarätiges Hotelprojekt zu investieren.
Damit das in öffentlich-privater Partnerschaft funktioniert, bietet er der Stadt an, einen großen Anteil einer Multifunktionshalle für Tagungen, Theater, Bälle und Veranstaltungen zu bezahlen. Ein Ort, der in der Kaiserstadt mit dem früheren Odeon-Theater verloren gegangen ist. Ein Ort, der Touristen und Einheimische anziehen kann.
Um dies zu erreichen, ruft der Investor auch international renommierte Architekturbüros zum Wettbewerb auf. Parallel laufen Bürgerbeteiligungen, öffentliche Präsentationen und Diskussionen. Alles wird in langwierigen Prozeduren öffentlich dargelegt, noch dazu abgestimmt mit Denkmalschutz und Unesco-Welterbe, Archäologen untersuchen den Untergrund.
Verknüpft ist das Projekt mit einer städtischen Freiraumplanung, die den gepflasterten Parkplatz über den Domfundamenten in einen begrünten Ort der Begegnung verwandeln soll – den Stiftsgarten.
Prestigeprojekt scheitert kurz vor dem Ziel
Weit mehr noch: 70 Millionen Euro allein an privaten Investitionen sollen in die Stadt fließen – auf Risiko des Unternehmers. Hinzu kommen öffentliche Investitionen in Stadthalle und landschaftliche Gestaltung. Das Hotel wiederum schafft Arbeitsplätze, bietet Ambiente im oberen Segment. Von all dem profitieren Wirtschaft, Stadtkasse und letztlich alle Goslarer. Und am Ende bringen Fake-News ein so bedeutendes Projekt zu Fall? Behauptungen, die einem Heimatbund-Mitarbeiter aus Hannover in den Mund gelegt werden, der offensichtlich keine Ahnung hat von der ganzen Entwicklung?
Das kann nicht wahr sein – und ist es auch nicht. Vielmehr ist die Entwicklung im Kaiserpfalzquartier ein Paradebeispiel, wie langwierige Debatten und Bürokratie, politische Händel, Einzelinteressen, Halbwissen, Unwissen, mitunter auch nur Neid und Missgunst ein hochkarätiges Projekt – trotz demokratischer Mehrheit – kurz vorm Ziel noch zunichtemachen.
Verleumdungen und Forderungen
Dazu gehören auch wiederholte Forderungen von Kritikern an Tessner, doch einfach noch ein paar Millionen Euro mehr zu schenken. Ebenso die intrigante Nummer eines Mitbürgers, Tessner just an seinem 80. Geburtstag zu verleumden, er wolle sich Millionen Euro von der Stadt schenken lassen. Und dazu gehört nun auch die Behauptung, der Investor wolle einen dreigeschossigen „Parkwall“ auf Steuerzahlerkosten bauen.
Knolle, Jerke und Piegsa haben mit ihrer gemeinsamen Erklärung den Tessner-Rückzug aus dem Kaiserpfalzquartier beileibe nicht allein verursacht. Aber sie haben gezielt ein falsches Ziel erreicht. Vielleicht wäre ein mehrgeschossiges Großparkhaus nun die Alternative – am besten so hoch wie ehedem der Dom. Ein garstiger Gedanke.
Oder besteht doch noch eine Chance für dieses Projekt? Es ist zu bedeutend, um jetzt den Aktendeckel zu schließen. Besinnen und kämpfen, heißt es. Denn nach mehr als zwölf Jahren darf nicht eine Schotterhalde über einem gepflasterten Parkplatz das Ergebnis sein.
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