Stephan Weil hilft der Wahlkämpferin Frauke Heiligenstadt

Auf ein Wort: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hilft im Wahlkampf. Am Samstag beantwortet er in der Stadthalle Osterode an der Seite der SPD-Wahlkämpferin Frauke Heiligenstadt Fragen. Foto: Stade
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hilft der SPD-Bundestagsabgeordneten Frauke Heiligenstadt im Wahlkampf, sie will ihren Wahlkreis Goslar-Northeim-Göttingen II verteidigen. In der Stadthalle Osterode beantwortet Weil Fragen der Besucher.
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Osterode. Üblich sind heute „Impulsreferate“. Ein Experte sagt etwas Fachkundiges, und hinterher wird diskutiert. Der Sozialdemokrat Stephan Weil, seit 2013 Ministerpräsident in Niedersachsen und seit 2012 SPD-Landeschef, macht das anders. Er lädt das Publikum am Samstag in der Stadthalle Osterode lieber gleich ein, Fragen zu stellen.
Vorher baut er mit freundlicher Onkel-Stimme eine Brücke zu den Besuchern: „Was haben Sie sich eigentlich heute vor fünf Jahren für Sorgen gemacht?“ Gemurmel im Publikum. Etwa 100 Frauen und Männer sind auf Einladung der SPD-Bundestagskandidatin Frauke Heiligenstadt gekommen, die kommenden Sonntag im Wahlkreis Goslar-Northeim-Göttingen II wiedergewählt werden will. Einige der Besucher antworten auf Weils Frage: Corona, Klimakrise, bezahlbarer Wohnraum. Weil hilft den Besuchern auf die Sprünge. Er erinnert an den russischen Angriff auf die Ukraine, die Energiekrise, und er erwähnt unter dem Stichwort „Demokratie unter Druck“ den Auftritt des US-amerikanischen Vizepräsidenten J. D. Vance vorige Woche auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Und schon ist Weil mittendrin im Dialog, er stellt fest: „Es ist eine Zeit von ganz grundlegenden Umbrüchen.“ Eine „endlose Liste“ von Problemen gebe es.
„Konsequent mit Umsicht“
„Auf ein Wort“ heißt die Gesprächsreihe am Samstag. Die Besucher sollen Fragen auf Bierdeckel notieren, wie bei „Inas Nacht“ im Fernsehen. Sie können sich auch einfach zu Wort melden. Natürlich geht es am Samstag auch um die Migration. Weil gibt eine typische Weil-Antwort: „Sehr konsequent“, aber auch „mit Umsicht“, so müsse eine Asylpolitik aussehen. Menschen mit Schutzrecht müssten Schutz erhalten. „Menschen, die kein Schutzrecht haben, die können nicht bei uns bleiben. Und wir müssen versuchen, dazu beizutragen, dass sie nicht zu uns kommen.“ Die Politik müsse aber „irreguläre Migration“ von der Zuwanderung unterscheiden, die die Gesellschaft benötige, damit der Arbeitsmarkt funktioniere.
Vorher hat der Ministerpräsident über medizinische Versorgung im ländlichen Raum gesprochen. Versorgungszentren, die Landarztquote, Ruftaxen und die Entlastung von Ärzten durch medizinisches Fachpersonal sollen helfen, sie zu sichern. „Ein richtig schwieriges, ein richtig wichtiges Thema“, sagt Weil wieder in Weil-Manier.
Hin und wieder meldet sich Frauke Heiligenstadt zu Wort. Die Politikerin aus Northeim nimmt während der Fragerunde Beiträge aus dem Publikum auf und fügt der Diskussion Aktuelles aus bundespolitischer Sicht hinzu. Jetzt passt zum Beispiel, dass „wir gerade noch vor der Schlusskurve ein Gesetz verabschiedet haben, in dem wir die Budgetierung der Hausärzte aufgehoben haben“, sagt sie. So solle der Hausarztberuf attraktiver werden.
Gefährder identifizieren
In die Niederungen des Wahlkampfs begibt sich Stephan Weil kaum. Erst nach etwas mehr als 40 Minuten, als die Rede auf die jüngsten Attentate durch Zuwanderer kommt, fällt der Name von Friedrich Merz. Es geht um den Vorwurf, dass solche Ereignisse „politisch instrumentalisiert“ werden. „Das macht uns Sorge und macht uns auch Angst“, sagt Weil über die Attentate. Er finde es aber nicht gut, wenn solche Ängste „politisch geschürt“ würden. Vielmehr müsse darüber geredet werden, dieses Problem zu lösen. Die Vorschläge des CDU-Kanzlerkandidaten Merz würden nicht weiterhelfen, wenn es darum gehe, Menschen vor solchen Angriffen zu schützen, sie würden nur der AfD nutzen. Der Ministerpräsident schlägt vor: „Dann lasst uns darüber reden, wie wir solche Gefährder wesentlich besser identifizieren, wie können wir sie schneller aus dem Verkehr ziehen, wie können wir sie besser abschieben? Das ist das Thema.“
Eine Frau, Mitte 80, sie stammt aus Zellerfeld, ist wegen der AfD in Sorge. Was man da machen könne, damit die Partei nicht noch stärker werde, fragt die Seniorin. „Die anderen müssen besser werden“, antwortet Weil, als ginge ihn oder seiner SPD das Problem nichts an. „Die anderen“ müssten sich angesichts der Verunsicherung „umso mehr anstrengen“ und zeigen, dass sie Probleme lösen können, um so Vertrauen zurückzugewinnen, rät der Ministerpräsident aus Hannover.
Fehlende Popularität
Es sind etwa 50 Minuten vergangen, bis Weil erstmals den Namen von Olaf Scholz erwähnt, dem Bundeskanzler. Es geht darum, wie die SPD es schaffen könne, die unentschlossenen Wähler für sich zu gewinnen. Weil erklärt, die Spitzenkandidaten würden „nicht gerade auf einer Welle der Popularität reiten“. Er fragt dann: „Vom wem möchte ich eigentlich regiert werden?“ Dann zählt er die Ämter auf, die Parteifreund Scholz alle ausgeübt hat. Scholz habe bewiesen, „dass er Krise kann“. Jetzt kommt die Rede auf Merz: Jemand, „der buchstäblich noch keinen Tag in seinem Leben eine echte politische Verantwortung zu tragen hatte“. Weil sagt weiter: „Ich finde, das Kanzleramt, das ist kein Ausbildungsbetrieb.“
Am Ende, nach anderthalb Stunden, gibt es die obligatorische Wahlempfehlung. Wer eine seriöse, eine geerdete Politikerin wählen wolle, die sich als „Interessenvertreterin ihrer Leute“ sehe, der sei bei Frauke Heiligenstadt richtig. Die war unter Weil einst Kultusministerin in Niedersachsen und hat ihn zuvor als „besten Ministerpräsidenten der Bundesrepublik“ gelobt.