Rat Bad Gandersheim befasst sich mit Urteil des Oberverwaltungsgerichts

Der Stadtrat von Bad Gandersheim hat im April dieses Jahres mehrheitlich entschieden, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen zur Bürgermeisterwahl 2021 Berufung einzulegen. Foto: Kiehne
Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, das die Bürgermeisterwahl 2021 in Bad Gandersheim für ungültig erklärt hat, stellt sich die Frage, wie Bürgermeister künftig in Wahlkampfzeiten auftreten dürfen.
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Bad Gandersheim. Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg ist klar, dass in Bad Gandersheim nach der für ungültig erklärten Bürgermeisterwahl von 2021 abermals ein Stadtoberhaupt gewählt werden muss. Der Stadtrat trifft sich am kommenden Donnerstag, um zu beraten, wie es nach dem OVG-Beschluss weitergeht. Unabhängig davon wirft das Urteil Fragen danach auf, wie Bürgermeister künftig im Wahlkampf auftreten und für sich werben dürfen.
Wie berichtet, hat das OVG Lüneburg in dieser Woche das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen aus dem Februar dieses Jahres bestätigt und die Bürgermeisterwahl 2021 für ungültig erklärt. Bürgermeisterin Franziska Schwarz (SPD) habe mit ihren „Gesprächen über den Gartenzaun“, die sie in der Coronazeit erstmals anbot, im Wahlkampf gegen die strikte Neutralitätspflicht verstoßen, argumentieren die Gerichte. Ihr damaliger Herausforderer von der CDU, Timo Dröge, hatte den Stein ins Rollen gebracht und die Wahl seinerzeit angefochten.
Berufung zurückgewiesen
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen hatten zunächst Schwarz und dann der Stadtrat im April in einem Mehrheitsbeschluss einen Antrag auf Berufung gestellt, scheiterten damit aber jetzt. Das Urteil aus Lüneburg ist nicht anfechtbar.
Bürgermeisterin Schwarz war am Mittwoch und Donnerstag telefonisch nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Sie teilte am Donnerstagmittag aber per E-Mail mit, dass sie sich vor nächster Woche nicht äußern wolle. Schwarz ist seit 2014 im Amt. Die 67 Jahre alte Verwaltungschefin darf laut niedersächsischem Kommunalwahlrecht nicht wieder antreten, weil sie die Altersgrenze für Kandidaten erreicht hat. Für die SPD ist als möglicher Bewerber bereits der Bad Gandersheimer Rechtsanwalt Niklas Kielhorn im Gespräch. Er ist zudem Ortsvorsteher in Heckenbeck.
Wenn der Bad Gandersheimer Stadtrat sich kommenden Donnerstag trifft, muss er bestätigen, dass die Wahl von 2021 ungültig ist, berichtet eine Mitarbeiterin aus dem Rathaus. Danach bleiben vier Monate Zeit, um ein neues Stadtoberhaupt zu wählen, heißt es weiter.
Stolpersteine im Wahlkampf
Die Urteile aus Göttingen und Lüneburg werfen indes Fragen danach auf, in welchem Ausmaß Bürgermeister künftig Wahlkampf betreiben dürfen. Das OVG hält Schwarz beispielsweise vor, mit den Gartenzaungesprächen habe „sie für ihre Wiederwahl werbend den Eindruck erweckt, sie interessiere sich für die Anliegen der Bürger und werde diese auch künftig angehen“. Für die Gespräche habe es aber keinen Anlass gegeben. Sie habe damit das Wahlergebnis „nicht nur unwesentlich beeinflusst“.
Der niedersächsische Städtetag bewertete das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen kritisch, weil es Bürgermeister zu sehr einschränke. Ein weiterer Einwand, der aber offensichtlich von den Richtern anders gesehen wurde, lautet: Ein einmaliger Verstoß reiche nicht aus, um eine Wahl für ungültig zu erklären. Dieser müsse vielmehr entscheidend für den Ausgang der Wahl gewesen sein. Der Verband unterstützte die Kommune in der Berufungssache auch finanziell. Hauptgeschäftsführer Dr. Jan Arning erklärte am Donnerstag auf Anfrage, dass er das Urteil des OVG „im Hinblick auf die Bürgermeisterin mit großem Bedauern“ aufnehme. Bewerten wolle er der Richterspruch noch nicht, zunächst sollen „die Entscheidungsgründe“ geprüft werden.
Kurioses Urteil
Auch Braunlages Bürgermeister Wolfgang Langer äußert sich skeptisch. Auf Anfrage sagt er: „Ich finde die Entscheidung des Gerichts kurios.“ Er sei gespannt, wie sich die Bürgermeister künftig verhalten sollen. „Wann beginnt der Wahlkampf eigentlich, muss ich Urlaub nehmen oder mit einem Schild deutlich sichtbar machen, dass ich mich im Wahlkampf befinde?“ Das alles seien Fragen, die er sich stelle. Außerdem sei er der Meinung, dass der Wähler durch diese Entscheidung in seiner Mündigkeit eingeschränkt werde: „Die Bürger können sehr wohl entscheiden, ob ein Bürgermeister etwas tut, weil er sich im Wahlkampf befindet, oder ob es andere Gründe dafür gibt.“
Landrat Dr. Alexander Saipa will sich gegenwärtig nicht zu dem Urteil äußern, weil er die schriftliche Begründung nicht kenne, sagte ein Sprecher der Kreisverwaltung. Saipa warte zudem darauf, wie sich der Niedersächsische Landkreistag zu dem Urteil äußert und ob der Verband Empfehlungen dafür gebe, wie sich Mandatsträger künftig im Wahlkampf verhalten dürfen, ohne zu riskieren, dass eine Wahl wegen Verstoßes gegen die Neutralitätspflicht für ungültig erklärt wird.

Bad Gandersheims Bürgermeisterin Franziska Schwarz bei einem „Gespräch über dem Gartenzaun“. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg sieht darin im Wahlkampf eine Verletzung der Neutralitätspflicht. Foto: Kiehne