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140-jährige Tradition

Energie- und Personalkosten: Halberstädter Würstchen insolvent

Die Halberstädter haben das Würstchen im Glas erfunden. Foto: Jens Wolf, dpa

Die Halberstädter haben das Würstchen im Glas erfunden. Foto: Jens Wolf, dpa

Die Halko GmbH als Produktionsbetrieb des Unternehmens Halberstädter Würstchen hat einen Insolvenzantrag gestellt. Ziel sei die Sanierung des Unternehmens, teilte die Halberstädter Würstchen- und Konservenfabrik mit.

Montag, 11.12.2023, 09:00 Uhr

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Halberstadt. Das Amtsgericht Magdeburg habe am Donnerstag die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet, hieß es. Ursachen sind nach Berichten der „Volksstimme“ und des MDR gestiegene Kosten für Energie, Personal und der Preisanstieg bei Fleisch. Es bestehe eine „Liquiditätskrise infolge der aktuellen marktpolitischen Rahmenbedingungen“, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens. Der Geschäftsbetrieb laufe allerdings uneingeschränkt weiter. Betriebliche Einschränkungen seien nicht zu erwarten.

Die Halko GmbH ist der Produktionsbetrieb und gehört zur Unternehmensgruppe der Halberstädter Würstchen- und Konservenfabrik GmbH Co. KG und hat eigenen Angaben zufolge 57 Beschäftigte. Im Gesamtunternehmen seien es 164 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Halberstädter Fabrik, gegründet 1913 als größtes Fleischverarbeitungswerk Europas, gilt als Erfinderin von Würstchen in der Dose. Im laufenden Jahr feierte das Traditionsunternehmen sein 140-jähriges Bestehen. jk/dpa

140 Jahre, aber Feierlaune wollte nicht aufkommen

Sie haben es erfunden – das Würstchen in der Dose. Vor 140 Jahren wurde die Halberstädter Würstchenfabrik gegründet. Richtige Feierlaune wollte in dem Traditionsunternehmen indes aber nicht aufkommen. Energiepreise und Kosten machten dem Unternehmen schon zum Jubiläum zu schaffen.

Die Historie liest sich wie eine Wirtschaftsgeschichte in Anlehnung allerbester bester deutscher Unternehmertradition, wo der Motor wie ein Schweizer Uhrwerk zu laufen schien. Das Unternehmen hat zwei Weltkriege und die Enteignung in der ehemaligen DDR überstanden. Das Durchstarten in der Marktwirtschaft nach dem Mauerfall wurde mit Bravour gemeistert, und auch die Corona-Pandemie hat die Firma in Halberstadt einigermaßen gut über die Bühne bekommen.

Enorme Kosten

Doch, wie gesagt, Partystimmung wollte in der heutigen Halberstädter Würstchen- und Konservenfabrik trotzdem nicht aufkommen. Durch die mit dem Ukraine-Krieg verbundenen Auswirkungen sah sich die Unternehmerfamilie Nitsch plötzlich ganz neuen Herausforderungen gegenübergestellt: Enorme Steigerungen auf dem Energiesektor machten dem Halberstädter Unternehmen schwer zu schaffen. Und nicht nur das. „Dazu kommen überbordende Bürokratie und politische Unentschlossenheit in vielen Wirtschaftsfragen, die Betriebe vor enorme Herausforderungen stellen“, erklärte Silke Erdmann-Nitsch, die gemeinsam mit ihrem Bruder Stefan an der Firmenspitze für die Geschicke des Unternehmens verantwortlich zeichnet.

„Seitdem unser Vater Ulrich das Unternehmen 1992 von der Treuhand erworben hat, wurden schon einige Jubiläen gefeiert. Zurzeit steht uns aus den genannten Gründen aber einfach nicht der Sinn danach“, bedauerte die Geschäftsführerin. Mit der immer wieder von Kurzarbeit geprägten Corona-Zeit hätten die starken Belastungen für das Unternehmen, das auch zwei Hotels betreibt, angefangen. Rund 200 Beschäftigte seien davon betroffen gewesen. Während dieser Zeit habe das Unternehmen sowohl beim Personal als auch bezüglich der finanziellen Situation „angespannte Verhältnisse verzeichnet“.

Ein weiteres Problem sei es, wegen der enorm gestiegenen Kosten auf dem Markt eine adäquate Preiserhöhung als Ausgleich durchzusetzen. Allein der Versuch habe schon Kunden gekostet, die nicht mehr bestellt hätten und abgesprungen seien. Der Umgang mit dem Handel, der mit dem Preiskampf nach wie vor anders umgehe als die produzierenden Unternehmen, und Lebensmittel einfach zu billig anbiete, sei daher eine weitere große Baustelle, hieß es kurz vor dem Jubiläum. 

Wenig Verlässlichkeit

Durch die Erhöhung der Energiekosten seien auch alle übrigen Materialien deutlich teuer geworden. Doch nicht nur Energie sei deutlich teurer geworden, auch andere Posten würden sich stärker bemerkbar machen als bisher: Glas beispielsweise sei bis zu 90 Prozent teurer geworden. Der Schweinefleischpreis habe sich in den letzten 18 Monaten verdoppelt. Dazu seien Mehrausgaben für Mindestlöhne, Logistik und für die letzten Tarifabschlüsse gekommen, die zur wirtschaftlichen Unvernunft beitrügen und die allgemeine Inflation befeuert hätten, sagten die Geschäftsführer.

Zudem sei die Stimmung bei den Konsumenten entsprechend schlecht. Sie seien verunsichert, würden Geld nicht ausgegeben und trauten der Bundesregierung nicht zu, die Wirtschaft wieder in sicheres Fahrwasser zu bringen. Stefan Nitsch damals: „Diese Kostenspirale bringt uns doch alle nicht weiter. Als Land gehen wir damit weiter in die wirtschaftliche Rezession.“

 

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