Die zweifache Kreuzigung und ihre besondere Geschichte
Das prächtig bemalte Kirchenfenster kommt heute gut zur Geltung, war aber viele Jahrzehnte lang durch den Altaraufsatz verdeckt und unsichtbar. Fotos: Kühlewind
Im nächsten Jahr können die Astfelder den 150. Jahrestag der Grundsteinlegung ihrer Kirche feiern. Was viele Bürger nicht wissen: Die prachtvolle Gestaltung der Kirche wurde zwar schon vor mehr als 100 Jahren ergänzt, beeinträchtigte sich aber lange Zeit gegenseitig in der Wirkung.
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Astfeld. Dass die farbenfrohe Glasmalerei hinter dem Altar überhaupt zur Geltung kommt, ist erst einem geschickten Eingriff zu verdanken, zu dem sich Kirchenvorstand und Pastor vor mehreren Jahrzehnten entschlossen haben.
Am Anfang ging alles recht schnell: Bereits ein Jahr nach Baubeginn im Jahr 1872 wurde die Kirche fertiggestellt. Für den Bau hatte der königlich-hannoversche Baurat Conrad Wilhelm Hase verantwortlich gezeichnet. Die Innengestaltung übernahm Adolf Quensen, Braunschweiger Hofdekorations- und Kirchenmaler des Historismus. „Er war ein Highlight seiner Zeit“, stellt Pastorin Kathrin Reich fest. Das Wirken von Quensen in der Region ist nur lückenhaft dokumentiert. Katrin Reich weiß, dass er in Wolfshagen die Wand hinter dem Altar gestaltet hat. „Ich gehe davon aus, dass er bei uns in Astfeld den Altar gebaut hat“, sagt die Pastorin. Ganz sicher stamme von Quensen die Bemalung der Kanzel und die Bemalung der mehr als vier Meter hohen Holzkonstruktion, die im Bogen des Querschiffes steht – sie fügt sich so exakt in den Durchbruch ein, als wäre sie genau dafür geschaffen worden.
Doch der Eindruck täuscht: Bei dem Objekt handelt es sich um einen Altaraufsatz, der für den breiten Sockel direkt hinter dem Altar entworfen worden ist. Reich schätzt, dass er um 1890 entstanden ist. „Es ist eine typisch neogotische Ansicht“, sagt sie. Unter demgekreuzigten Jesus ist das Lamm Gottes mit der Siegesfahne als Symbol für die Auferstehung zu sehen. Darunter als alttestamentliche Geschichte Abel mit einem Schaf, König Melchisedek der Gerechte, der 1. hohe Priester Aaron und Isaak, der Sohn Abrahams. „Quensen hat diesen Aufsatz mit den vier Figuren gestaltet. Er ist hier in der Gegend etwas besonderes“, betont Reich.
Das Kunstwerk sieht aus, als wäre es für den Bogen des Querschiffs angefertigt worden – tatsächlich aber war es ein Aufsatz für den Altar der Astfelder Kirche.
Als sie im Jahr 2002 nach Astfeld kam, wurde der Innenbereich der Kirche gerade farblich aufgefrischt. „Damals hat mich das Landeskirchenamt bekniet, den Altaraufsatz wieder zurück zu stellen“, erinnert sie sich. Der Kirchenvorstand aber habe beschlossen, alles so zu lassen, wie es ist. „Ich finde die Entscheidung richtig gut, betont Reich. Zehn Jahre später unternahm die Landeskirche einen erneuten Vorstoß in dieser Angelegenheit, seither herrscht Ruhe. Nur deshalb haben die Astfelder die Kreuzigung gleich zweifach vor Augen: auf dem Altaraufsatz und dem Kirchenfenster.