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Züchter aus Ostharingen

Brieftauben – Ein zeitaufwendiges Hobby mit Zukunftssorgen

Ilona und Winfried Hettling aus Ostharingen teilen sich seit Jahrzehnten schon das tierische Hobby. Immer wieder züchten sie Tauben, die prämiert und ausgezeichnet werden. Fotos: Andrea Leifeld

Ilona und Winfried Hettling aus Ostharingen teilen sich seit Jahrzehnten schon das tierische Hobby. Immer wieder züchten sie Tauben, die prämiert und ausgezeichnet werden. Fotos: Andrea Leifeld

Winfried Hettling pflegt seit über 35 Jahren seine Leidenschaft für Brieftauben. Eine seiner Jungtauben war die Beste des vergangenen Jahres in der Reisevereinigung Nordharz-Goslar. Doch der 71-Jährige sieht die Zukunft des Brieftaubensports mit Sorge.

Von Andrea Leifeld Donnerstag, 22.02.2024, 09:00 Uhr

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Ostharingen. Die (weißen) Tauben sind nicht müde. Sie fliegen nur gegenwärtig aus Sicherheitsgründen nicht. „Der Habicht ist mir derzeit zu aktiv“, erklärt Winfried Hettling und lässt seine Augen über den sonnigen Februarhimmel kreisen. Erst wenn das Habicht-Weibchen sitzt, also brütet, werden die gezielten Luftangriffe auf seine Tauben weniger. „Der Habicht-Hahn ist deutlich kleiner als das Weibchen und schlägt nur kleine Tiere.“

Schon seit 1987 hegt und pflegt Winfried Hettling gemeinsam mit seiner Gattin Ilona das aufwendige Brieftauben-Hobby. Und der 71-jährige Tierfreund kennt sich aus. „Das wirkliche Problem ist: Dem Raubvogel ist es egal, ob es eine supergute oder weniger erfolgreiche Brieftaube ist. Was er erwischt, schlägt er.“ Und die Brieftauben von Winfried Hettling sind erfolgreich.

„Tolle Saison“

Namen haben die Tiere nicht, aber einen Ring mit einer Kennnummer: „Mein Jungtier mit der Nummer 250 war unter 1200 Tauben die Beste des vergangenen Jahres in der Reisevereinigung Nordharz-Goslar. Auf fünf Jungtier-Flügen holte sie fünf Preise. Das war eine tolle Saison“, berichtet er mit berechtigtem Stolz. Und auch weitere Tiere aus seinem Schlag zeigten sich erfolgreich. In der Jahreswertung der Wettflüge hätten nur 17 Tauben die volle Punktzahl erreicht – acht von ihnen stammen aus der Ostharinger Zucht von Winfried Hettling. Doch Tierhaltung und Zucht sei bei vielen Mitmenschen als Hobby nicht mehr attraktiv, bedauert Hettling aufrichtig. Ob es die steigenden Kosten für Futter und Impfungen seien, die in Wohngebieten oft verbotene Tierhaltung oder der enorme Zeitfaktor. Wahrscheinlich greife aber irgendwo alles ineinander.

„Brieftauben brauchen jeden Tag Futter und Pflege, und wenn die Flugsaison läuft, dann bin ich jedes Wochenende von April bis September unterwegs.“ Urlaub wäre nur im Herbst möglich, denn zu Beginn eines jeden Jahres kündigt sich bereits der nächste Nachwuchs an. Gut 60 Tauben zieht Winfried Hettling jedes Jahr auf, von denen dann rund 45 Jungtauben bei Wettflügen an den Start gehen. Hinzu kommen in seinem Schlag 30 Alttiere und zehn zugekaufte Zuchttauben.

Ostharinger Jungtauben, die in diesem Jahr das Licht der Welt erblickten. Möglicherweise wird unter diesen Tieren wieder ein Champion sein.

Ostharinger Jungtauben, die in diesem Jahr das Licht der Welt erblickten. Möglicherweise wird unter diesen Tieren wieder ein Champion sein.

Immer Richtung Osten

„Ich habe gerne früh im Jahr die ersten Küken. Die sind dann zu den Flügen im Sommer top“, sagt er. Bereits zeitig beginnt er mit den Trainingsflügen. Bis zu 600 Kilometer können die Alttierflüge umfassen. Immer Richtung Osten, das ist die Flugrichtung seiner Reisevereinigung. Tierwohl und Tierschutz werden immer großgeschrieben. Flüge werden verschoben, wenn die Witterung nicht optimal sei. Das erfordere dann auch immer wieder ein kurzfristiges Umplanen.

Doch wenn es dann losgeht und die Tiere aus der Kabine des Transport-LKW zu einem bedeutenden Flug aufsteigen, ist es für alle ein aufregender Tag: Wenn frühmorgens der Anruf den Züchter erreicht: „Die Tauben sind raus!“ Dann heißt es, warten auf die Ankunft der Tauben. „Gute Tauben fliegen 70 Stundenkilometer schnell, dann weiß man, wann sie am heimischen Schlag ankommen müssen“, so Hettling. Aber die Schnelligkeit der schnellsten Tiere birgt auch große Gefahren: „Eine schnelle Taube löst sich aus dem Schwarm und wird so zur leichten Beute von Raubvögeln.“ Längst nicht jede Taube kehre in den heimischen Schlag heim.

25 aktive Züchter in der Region

Das Wetten um Geld blieb Winfried Hettling in allen den Jahren fremd, ebenso die enormen, bis zu fünfstelligen Preise, die bei großen, bedeutenden Schauen für manche Brieftauben bezahlt werden. Summen, die ihn nur mit dem Kopf schütteln lassen.

Über viele Jahrzehnte war Winfried Hettling Mitglied im Brieftaubenverein „Fortuna“ Othfresen. Als der Verein sich vor einigen Jahren auflöste, trat er dem Brietraubenverein „Harzbote“ Immenrode bei. Alles zusammen umfasst die „Reisevereinigung Goslar-Nordharz“ noch 25 aktive Züchter in 14 Vereinen in der Region Goslar, Wolfenbüttel und Osterwieck.

Eine Zukunft für das so spannende und „tierische Hobby“ sieht Winfried Hettling kaum. Junge Leute lassen sich nicht mehr für das zeitaufwendige Hobby begeistern. Nicht einmal in der eigenen Familie: Seine Enkelkinder sind alles Angler.

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